RTdeutsch, deutsche Politik, Einseitigkeit und Fake-News

[Kommentar von Roland Bathon] Die Kampagne um Fake-News geht in eine neue Runde und es wird kaum noch kaschiert, dass es vor allem eine Kampagne gegen russische Staatsmedien in westlichen Sprachen an das westliche Publikum ist. Doch die besagten russischen Auslandssender wie RTdeutsch oder Sputnik liefern mit einer einseitigen Berichterstattung auch konkret über die deutsche Politik ihren Gegnern viel Munition für ihre generelle Diffamierung.

So berichtete die Tagesschau gestern unter der Überschrift „YouTube markiert Propagandasender“, dass beim Videoportal zukünftig RT-Berichte mit dem Zusatz „RT wird in Teilen oder in Gänze von der russischen Regierung finanziert“ versehen werden. Dieser YouTube-Zusatz ist im Gegensatz zur Gleichsetzung der Tagesschau mit einer Propaganda-Kennzeichnung übrigens durchaus korrekt. Es erschließt sich aber nicht, wo im Bezug auf die staatliche Finanzierung an sich der Unterschied zur Tagesschau und ihres Senders ARD selbst liegt. Denn der deutsche Rundfunkbeitrag wird ja ebenfalls aufgrund staatlicher Gesetze gleich einer Steuer erhoben, so wie die russische Regierung zur Finanzierung ihres Senders ein Stiftungsmodell gewählt hat.

Die Einseitigkeit von RT

Dem Vorwurf der Einseitigkeit begegnet RT in seinem deutschen Programm jedoch nicht wirklich mit Ausgewogenheit. So werden negative Entwicklungen in Deutschland stets umfassend benannt – positive Fakten auch zum gleichen Thema jedoch stets verschwiegen, damit das Gesamtbild passt. Oder, wenn man es anders ausdrücken will: RT deutsch berichtet über Deutschland etwa so ausgewogen wie die ARD über Russland und sogar nach dem gleichen System.

Begeisterte RT-Fans werden mir hier sofort widersprechen, doch ich will meine Aussage an einem einfachen Beispiel belegen – der aktuell in allen Nachrichten allgegenwärtigen SPD-internen Krise. RT schreibt hier unter der Überschrift „Andrea Nahles wird zum Darling der Mainstream-Presse“, dass die vom dortigen Partei-Establishment inthronisierte neue Wunschvorsitzende nun erstaunlich viele positive Berichte in großen deutschen Medien erhält. Weiterhin gäbe es gegen Nahles nur eine „Pseudo-Gegenkandidatin“, die den Anschein einer Demokratie erwecken solle. Diese Beschreibung erweckt natürlich den Eindruck, selbst die Gegenkandidatur sei „von oben“ gewollt.

In der Tat ist es auffällig, dass aktuell deutsche Medien, die sich in den letzten Wochen als Förderer der Großen Koalition hervor getan haben, wie der Spiegel, die ARD und die Bild-Zeitung (eine noch vor 20 Jahren undenkbaren Kooperation), nun wirklich erstaunlich viele positive Nahles-Beiträge bringen, von denen auch einige von RT zitiert werden. Unterschlagen wird dabei jedoch, dass andere deutsche Medien, die ebenfalls Teil des Mainstreams sind, auch Kritisches zu Nahles zu bieten habe. So schreibt „Die Welt“, dass Nahles „nicht für einen Neuanfang der Politik“ stehe oder die Frankfurter Neue Presse lässt einen Politikwissenschaftler lange ausführen, dass Nahles „Teil des Problems“ der SPD sei und eben nicht seine Lösung.

Zwar ist die Beobachtung von RT richtig, dass von den vielen GroKo-Befürwortern in den deutschen Redaktionsstuben, vor allem den genannten, nun verstärkt Pro-Nahles-Artikel produziert werden. Der erweckte Eindruck, der deutsche Mainstream hätte kollektiv Nahles jetzt zu seinem „Darling“ gemacht ist jedoch falsch, anderslautende Stimmen werden von RT eben unterschlagen.

Kandidatin wird pseudo gemacht

Noch schlimmer ist die Darstellung der Nahles-Konkurrentin Simon Lange aus Flensburg als „Pseudokandidatin“ die laut RT den Anschein einer Demokratie erwecken solle. Hier wird im Prinzip unterstellt, dass diese Kandidatur ein Coup des Establishments ist, um den Schein zu wahren. Das ist jedoch grob falsch, denn die Kandidatur gegen Nahles ist – unabhängig von ihrer Erfolgsaussicht – ein Symptom des Aufbegehrens eines nicht kleinen Teils der SPD-Parteibasis. Lange erhält dort, wo in Sozialen Medien die SPD-Linke oder –Basis die Oberhand hat, bereits regen Zuspruch – selbst bei Leuten, die vorher von ihr noch nie gehört hatten. Die Stimmung im Bezug auf Nahles ist in vielen Teilen der SPD außerhalb ihres Establishments nicht gut und ob man von Lange „außerhalb ihrer Stadt“ bald nichts mehr hören wird, wie RT unterstellt, ist noch nicht entschieden. All das ist nicht im Sinne der SPD-Oberen, die sich über die Gegenkandidatin keinesfalls freuen oder ihre Kandidatur gar lanciert haben – denn für sie wäre ja „Geschlossenheit“ unter Nahles und ihrer Führung die optimale Botschaft.

RT hat dabei selbst einen Hinweis entdeckt, dass es angesichts der Gegenkandidatur Unruhe innerhalb der Pro-Nahles-GroKo-Front im deutschen Mainstreams gibt. Denn von der Bildzeitung werden im RT-Artikel gegen Lange gerichtete Äußerungen zitiert. Warum sollte sich Deutschlands größte Boulevardzeitung mit schwarzer Propaganda gegen eine Kandidatin beschäftigen, die nur „pseudo“ ist und völlig chancenlos? RT meint hier „zur Sicherheit“, aber hier wie an anderer Stelle macht es sich der russische Staatssender sehr einfach, um das gewünschte Bild zu erzeugen.

Entscheidend ist aber, dass hier RT seine Thesen von einer „Pseudokandidatur“ einfach so in den Raum stellt, ohne sie in irgendeiner Weise journalistisch zu untermauern, etwa mit validen Zahlen zur Stimmung unter den SPD-Mitgliedern (die es nicht gibt, auch zum Ärger der GroKo-Fans) oder Parteitagsdelegierten oder sonst irgend einer Quelle und sei es nur irgend einem Politologen. Die SPD ist für RT als Teil des deutschen Mainstreams schlecht. Also muss auch alles innerhalb der Partei negativ sein. Oder notfalls geschrieben werden, wenn es sein muss ohne entsprechende Quellen. Das ist es, was Einseitigkeit ausmacht. Das ist es, was dem Vorwurf der Fake-News durch die RT-Hater im deutschen Mainstream – und hier ist er einmal wirklich komplett einig – Nahrung verschafft. Auch im Kopf der RT-Redaktion gibt es ein Bild von Deutschland. Was das eigene Bild unterstützt, wird wahrheitsgemäß berichtet. Was nicht, wird weg gelassen oder „angepasst“. Womit wir wieder genau bei dem wären, was auch deutsche Russlandberichterstattung ausmacht. Der russische und der deutsche Mainstream sind sich viel ähnlicher, als beide wahr haben wollen.

Der russische und der deutsche Mainstream

Was hier für RT ausgesagt wird, ist bei Sputniknews nicht anders. Gerne macht Sputnik Statistiken, wie einseitig deutsche Zeitungen negativ über Russland berichten, indem es positive, neutrale und negative Russlandberichte einfach zählt. Besser ist es für Sputnik aber, wenn niemand bei ihnen selbst zählt, wie viele positive, neutrale und negative Berichte die Onlinezeitung etwa über Deutschland bereit hält oder umgekehrt für den einzigen deutschen Liebling der Sputnikredaktion, der AfD.

Wir dürfen davon ausgehen, dass der gegenseitige Pressekrieg zwischen den beiden großen verfeindeten Fraktionen im Westen und Russland trotz der unfreiwilligen Ähnlichkeit zwischen beiden weiter geht. Dieser wird sich in weiteren Gesetzesregelungen gegen die andere Seite im eigenen Land niederschlagen. So wie in Frankreich, wo Präsident Macron sich jetzt gegen seine negative Darstellung bei Sputnik und Co. im französischen Wahlkampf per Gesetz die Möglichkeit verschafft, ausländische Sender kurz vor Wahlen aus dem Netz zu nehmen. Oder drakonische Strafen bei einer schwammig definierten „Störung des öffentlichen Friedens“ zu verhängen.

Das ist natürlich eine Einschränkung der Pressefreiheit, aber der Jubel der westlichen Presse ist ihm dafür dennoch gewiss. Ähnlich würde es im Bezug auf russische Staatsmedien laufen, sollte die russische Regierung weitere Einschränkungen für westliche Sender beschließen. Man hat etwas das Gefühl, für die großen Medien selbst wiegt ihr Pressekrieg mittlerweile schwerer als die Pressefreiheit. Umso wichtiger ist es da, dass es neben den beiden Mainstreams in Deutschland wie in Russland auch eine unabhängige Berichterstattung gibt.

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