In den Kommentaren bei YouTube wird unsere Video-Redaktion russland.TV geradezu überschwemmt mit Anmerkungen – und das freut uns auch.
Nichts wäre schlimmer als Desinteresse und Feedback hilft uns, uns noch mehr an den Interessen der Zuschauer auszurichten. Das scheint zu klappen, der letzte Rekord-Zuschauer- und Neuabotag war gestern. Dazu freut uns, dass die große Mehrzahl unsere Arbeit lobt (hier einmal dank dafür und macht gerne weiter :-)) oder sachlich über das Thema der jeweiligen Beiträge diskutiert. Ab und an gibt es natürlich auch Kritisches oder Fragen. Solche, die immer wieder einmal auftauchen, haben wir dem Chef unserer Videoredaktion Roland Bathon zur kollektiven Beantwortung vorgelegt, der die Videos auf unserem Hauptkanal übrigens schneidet und die „fränkische Stimme“ von Putin ist – dazu dann mehr in Frage 4 🙂
1) Warum heißt es „Putin auf deutsch“ nicht „Putin in deutscher Übersetzung“?
Roland Bathon: Das hat zwei technische Gründe. Zum einen werden immer mehr Videos mobil geschaut und mobil zeigen die meisten YouTube-Viewer (auch die „offiziellen“) nur eine geringe Anzahl von Zeichen beim Titel an. Videotitel müssen deswegen kurz sein, damit der Zuschauer dort überhaupt noch sieht, um was es beim Video geht, bei „Putin in deutscher Übersetzung zu …“ wäre nach diesen Worten bei der Smartfon-Anzeige schon Schluss und das eigentliche Thema würde fehlen. Weiterhin suchen die Leute nach solchen Reden in Google oder YouTube meisten mit „Putin Thema XX auf deutsch“ und da wird man einfach besser gefunden, wenn das im eigenen Titel steht. Außerdem dachten wir immer, es sei eigentlich klar, dass Putin nicht bei jedem Thema seine eigenen (vorhandenen) Deutschkenntnisse auspackt, vor allem bei Reden in Russland vor russischem Publikum.
2) Was sagst Du zu einzelner Kritik an der Qualität von Übersetzungen aus dem Russischen?
Roland Bathon: Übersetzungen sind immer ein Zwiespalt. Wörtlich oder sinngemäß? Bei Reden kommt noch dazu, dass bewusst rhetorische Mittel gebraucht werden, die man nicht verloren gehen lassen will – aber eine deutsche Entsprechung gibt es vielleicht nur mit ähnlichem Sinn. Noch dazu stehen wir unter Zeitdruck – wenn Putin eine wichtige Rede hält, werden wir sofort bestürmt, wann kommt sie bei uns? Wir können dann keine Slawisten-Kommission zusammenkommen lassen, die über jeden einzelnen Satz fachsimpelt. Und wir haben auch keine solche Kommission. Wir übersetzen nach besten Wissen und Gewissen, unsere Basis ist das russische, offizielle Originalmanuskript beim Kreml. Dadurch erzielen wir die für uns bestmögliche Qualität – Perfektion ist das nicht, aber wir behaupten jede der Reden ist in ihrem Sinn und Verlauf richtig dargestellt.
3) Was meint Ihr zu Zuschauern, die meinen, russland.TV mache sich durch Putin-Reden zur Propagandaschleuder?
Roland Bathon: Ursprünglich hatten wir vom russischen Präsidenten nur die traditionellen Neujahrsreden in Übersetzung im Programm, schon unter Medwedjew. Die spielen in Russland eine sogar unpolitisch große Rolle bei der Neujahrsfeier, egal wer Präsident ist. Seit Putins zweiter Amtszeit stiegen die Zuschauerzahlen aber gerade dieser Reden ins Unermessliche. So haben wir auch einzelne andere Reden auf Deutsch gebracht, einfach weil die Zuschauer es wollen und sie entwickelten sich zu den erfolgreichsten Videos. Die Leute wollen das sehen und sich bei uns aus erster Hand informieren. Der Propagandavorwurf ist Quatsch. Überall werden die Reden, die weltpolitisch ja von Bedeutung sind, zitiert, zerpflückt und kommentiert – auch in Mitteleuropa – aber gerade in Deutschland hat man sonst nicht die Möglichkeit, einmal nachzuschauen, was wurde denn wirklich im Gesamtzusammenhang gesagt, wenn man kein Russisch kann. Und wir bieten diese Möglichkeit – wir wissen, sie wird von Fans genauso genutzt wie von Hatern und das ist gut so. Es gibt das berechtigte Bedürfnis nach dem Original und es ist legitim es als Medium zu befriedigen. Wir haben auch deutsche Politiker mit ihren Aussagen im Programm.
4) Warum spricht Putin bei russland.TV fränkisch?
Roland Bathon: Weil ich fränkisch rede, sorry. Es ist das Gleiche, wie bei den Übersetzungen. Die Reden müssen tagesaktuell ins Netz, deswegen werden sie einfach von dem eingesprochen, der das Video dazu auch schneidet – mir. Weder haben wir Geld noch Zeit, da jedesmal einen professionellen Sprecher anzuheuern, der dann in irgendeinem Studio eine perfekte Aufnahme macht. Dazu fehlt uns auch das Studio – die Pseudo-Studios der Mädels sind grüne Vorhänge in ihren Wohnungen mit ein paar guten Lampen. Wir haben nur eine Profi-Sprecherin, was Zufall ist und das ist Anna Gamburg. So viel Glück hat man nicht zweimal und so muss man bei Dingen die schnell gehen müssen, mit mir Vorlieb nehmen.
5) Apropos Anna Gamburg – zu den vier Annas und Julia aus Moskau. Was meint Ihr zu Zuschauern, die sagen, die jungen Frauen, die in den Videos zu sehen sind, sind nur Fassade und dunkle Hintermänner bestimmen den Inhalt?
Roland Bathon: Wir gehen sehr offen damit um, wer die Inhalte der Videos macht. In unserem Impressum sind Julia Dudnik aus Moskau und Anna Smirnowa aus Sankt Petersburg als Video-Redakteurinnen bezeichnet. Das bedeutet, sie bestimmen die Inhalte ihrer Videos und recherchieren selbst vor Ort. Da steckt oft richtig ihr eigenes Herzblut drin und sie sind vollwertige Redaktionsmitglieder. Man soll sie nicht unterschätzen, nur weil sie jung sind. Besprochen werden – wie in jeder Redaktion – vorab die Themen nach den Interessen der Zuschauer und überarbeitet nur am Ende die Ausformulierung von einem Muttersprachler. Beide sprechen super deutsch, aber Profis wissen, muttersprachliche Überarbeitung ist ein Muss. Einige andere der jungen Frauen bei uns sind reine Moderatorinnen – ersichtlich in unserem Impressum – und Texte und Inhalte bekommen sie wie jede Moderatorin tatsächlich von Redakteuren. Aber alle haben übrigens ein Vetorecht bei Inhalten und Meinungen und bei der Formulierung macht gerade Anna Gamburg als Profi oft etwas ganz anderes aus dem Text, als sie bekommt. Und das ist gut so. Gute Moderation ist ebenso eine Kunst wie gute Inhalte. Viele unserer „Schreiber“ wären vor der Kamera furchtbar – ich selber bin da auch nicht gut.
6) Sind die Videoleute vor allem wegen Geld dabei? Goldene Wasserhähne powered by Kreml?
Roland Bathon: Manche Leute haben eine völlig falsche Vorstellung über unser Budget (und unsere Geldgeber, in der Realität Werbung und Leserspenden). Wir verdienen etwas, aber keiner, auch ich nicht, kann nur im Entferntesten davon leben, nicht einmal in Russland. Auch die Produktionskosten müssen absolut Low Budget sein, keine langen Reisen, keine großen Projekte – man filmt meist dort, wo man grad ist. Es ist finanziell so wenig, was am Ende rüber kommt, dass bei uns keiner nur wegen des Geldes ist. Wir haben ja nur Werbung und Spenden als Einnahmen, keinen Konzern und keine Regierung im Rücken. Bei jedem, der bei uns irgendwie beteiligt ist, ist eine Portion Enthusiasmus dabei. Übrigens sind wir stolz, da schon eine von uns ein finanziell wesentlich reizvolleres Angebot eines großen Anbieters bekommen und abgelehnt hat. Ja ich rede da von einem Anbieter, den Ihr sicher alle kennt 🙂
7) Was entgegnet Ihr auf Kritik an der politischen Ausrichtung von Videos?
Roland Bathon: Es gibt immer einen, dem etwas nicht passt. Kritisieren wir die deutsche Presse, vor allem bei Anna Nikonova, wo es vom Konzept absichtlich emotional, ironisch und manchmal überspitzt zu geht, machen wir nur „Putin-Propaganda“. Kritisieren wir mal die russische Regierung oder deren Medien, kommt von deren „Fans“ gleich der Vorwurf wir seien gar nicht richtig russisch oder würden gar vom CIA finanziert. Besser als Pauschalvorwürfe wäre für manche Leute von beiden Seiten, sich mal mit dargestellten Argumenten zu beschäftigen und nicht einfach alles so abzutun. Denn über konstruktive oder inhaltlich fundierte Kritik freuen wir uns.
8) Was meinst Du zu Leuten, die sagen, Ihr hättet bei YouTube ja weniger Abos als manch Jugendlicher, der in seinem Wohnzimmer Witze erzählt?
Roland Bathon: Nun ja, bald sind es 20.000 … ich will das aber nicht bestreiten, es trifft auch auf alle anderen Online-Newsanbieter zu, etwa die Tagesschau oder RTdeutsch mit seinen riesigen Finanzmitteln – auch hier gibt´s viele Wohnzimmer-Comedians, die mehr Fans haben. Aber das ist Äpfel mit Birnen vergleichen. News werden wesentlich häufiger ohne Abo geschaut als andere Sachen, wesentlich häufiger von älteren Zuschauern, die wenig bis gar nicht abonnieren. Unsere stärkste Altersgruppe ist von 25 bis 34 und Teenies sind fast Fehlanzeige. Wenn man die Viewszahlen anschaut, schon bald 12 Millionen, sieht man, dass wir da eher in Bereichen liegen, die YouTuber aus den Bereichen Comedy oder Beauty erst weit über 100.000 Abonnenten erreichen. Und wenn wir uns mit anderen News-YouTubern vergleicht, noch dazu angesichts unseres Budgets, sind wir sehr zufrieden mit unserem Erfolg. Mehr Abos kann man natürlich immer brauchen, denn danach bemisst sich in der YouTuber-Szene und auch für Werbekunden leider die Bedeutung des Channels. Also gleich hier klicken und abonnieren, bitte 🙂 Für die Älteren: YouTube-Abos kosten nix und sind in einer Sekunde kündbar, aber verhelfen dazu, dass man nichts wichtiges verpasst.
9) Werdet Ihr als Konkurrenz von den klassischen Medien ernst genommen?
Roland Bathon: Ich denke schon. Als der Ukrainekonflikt begann, fühlte sich n-tv sofort genötigt, uns mit falschen Unterstellungen zu diskreditieren und mit wirklich vom Kreml finanzierten Medien in einen Topf zu werfen. Und heute sind wir noch viel größer als damals, gerade russische Medien berichten auch über uns (außer RT). Dass wir von den „großen Deutschen“ –anders als RTdeutsch, die ja viel schwarze, unfreiwillig produzierte Publicity bekommen – sonst mehr ignoriert werden, liegt daran, dass man uns trotz russischer Registrierung nicht so gut in die gewünschte Schublade stecken kann. Denn wir sind russisch, aber eben weder von der russischen Regierung finanziert, noch dieser gegenüber unkritisch. Wir haben auch keine Rechten oder merkwürdige Verschwörungstheoretiker im Programm, sondern anerkannte Experten und Politiker aller möglichen Parteien. Aber wir machen keine prowestlich-liberale Fundamentalopposition, sondern sind bestrebt darin, auch russische Standpunkte daruzustellen. Breiten Raum in deutschen Medien bekommen russische oder für Russen arbeitende Journalisten ja nur, wenn sie solche Fundamentaloppositionelle sind oder wenn man sie ungekehrt als böse Kreml-Agenten darstellen kann. Wir sind nachweislich beides nicht und unser Chef ist ein in Russland lebender Deutscher – da passt von den Klischees dann gar nichts mehr.
10) Was wünscht sich russland.TV für die Zukunft
Roland Bathon: Mehr Interesse an Russland, auch an der unpolitischen Seite, die wir mit Anna Smirnowas Videos aus St. Petersburg und denen von Ariana, meiner Tochter, aus Sport und lockeren Themen beleuchten. Hier zugkräftige Themen zu finden, ist der schwerste Teil unserer Arbeit. Mehr Russlandinteresse bei Jüngeren, auch solchen, die nicht von dort stammen (die interessieren sich schon). Denn echte Verständigung zwischen Völkern funktioniert nicht nur politisch sondern gerade abseits der politischen Diskussion und nur mit den Jungen in der Zukunft. Und die sind heute bei YouTube und Instagram, genau wie wir und nicht an der Glotze bei der Tagesschau.
Foto: Eindruck des „Studios“ im deutschen Hauptquartier gerade eben, Public domain
COMMENTS