„Christus ist auferstanden!“ – am 5. Mai feiern russisch-orthodoxen Christen das Osterfest© russland.news

„Christus ist auferstanden!“ – am 5. Mai feiern russisch-orthodoxen Christen das Osterfest

In diesem Jahr fällt das orthodoxe Osterfest auf den 5. Mai. Dieses Fest nimmt einen zentralen Platz in der russisch-orthodoxen Kultur ein. In seiner Schönheit und Pracht übertrifft das Osterfest alle anderen orthodoxen Feste. „Die Auferstehung Christi ist das Fest der ganzen christlichen Welt, aber nirgendwo ist es so hell und himmlisch wie in der Orthodoxie, und nirgendwo, füge ich hinzu, wird es so gefeiert wie in Russland, auf russischer Erde, zusammen mit dem zarten und durchsichtigen, hellen und feierlichen Frühling“, schrieb der orthodoxe Theologe Sergej Bulgakow.

Doch 1917 war Schluss damit „Religion ist Opium des Volkes“. Diese These von Marx entwickelte Lenin weiter: „Religion ist eine Form des geistigen Jochs“. Für seine Bolschewiken war das ein Aufruf zum Handeln. Und sie hatten es eilig. Schon 1918 unterzeichnete Lenin das „Dekret über die Trennung von Staat und Kirche“. „Keine kirchliche oder religiöse Gemeinschaft hat das Recht auf Besitz oder Eigentum“, hieß es darin. Doch die neuen Machthaber begnügten sich nicht mit der Enteignung aller kirchlichen Besitztümer, sondern begannen unmittelbar nach der Oktoberrevolution, Kirchen und Klöster zu zerstören und Gläubige massiv zu verfolgen. In blinder Wut wurden Glocken von den Türmen geworfen, Ikonen verbrannt und besudelt.

Nikita Chruschtschow glaubte fest daran, den Tag der völligen Auslöschung des christlichen Glaubens persönlich zu erleben. Doch trotz des staatlich verordneten Atheismus überlebten viele Osterbräuche die 70 Jahre Kommunismus. Sie passten sich einfach der neuen Zeit an. So konnte man in sowjetischen Bäckereien kurz vor Ostern „Frühlingskekse“ kaufen, die in Wirklichkeit nach dem klassischen Rezept für Osterkuchen gebacken wurden.

Alexander Solschenizyn zeichnete in seinem dokumentarischen Essay „Ostern in meinem Leben“ ein trauriges und für die damalige Zeit typisches Bild einer Osternacht in den 60er Jahren in Moskau: „Die Glocke tönt und kündet die Prozession an. Nun ein Gedränge! Doch nicht die Gläubigen sind´s, nein, wieder ist´s die grölende Schar. Doppelt und dreifach stürmen sie in den Hof, laufen, drängen, wissen selbst nicht, was sie suchen, welchen Platz sie erkämpfen sollen, um die Prozession besser zu sehen. Sie zünden die roten Osterkerzen an und daran ihre Zigaretten, so sieht das aus! Sie stoßen einander, wie in Erwartung eines Foxtrotts. Fehlt nur der Bierstand!“.

Nach 70 Jahren Atheismus als Staatsideologie feiern im heutigen Russland immer mehr Menschen Ostern. Doch für die meisten Russen ist Ostern mehr mit schönen alten Bräuchen verbunden als mit der Kirche. Denn Russland war und ist kein religiöses Land, wie verschiedene Studien und Umfragen zeigen. Laut der jüngsten Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM ist Ostern zwar zu einem der wichtigsten Feiertage des Landes geworden (nach Neujahr und dem Tag des Sieges), aber für 67 Prozent der Befragten ist das Fest „eher eine Tradition“. Wie die Umfrage eines anderen soziologischen Instituts zeigt, feiert die Mehrheit der Russen (86 Prozent) Ostern vor allem kulinarisch, indem sie Eier bemalen oder einen speziellen Osterkuchen, den Kulich, kaufen oder backen. Nur 12 Prozent betrachten Ostern als heiligen Ritus. Interessant ist, dass man nach orthodoxem Kanon an Ostern nicht auf den Friedhof gehen soll. Viele Russen glauben jedoch, dass man gerade an diesem Tag auf den Friedhof gehen muss, um der verstorbenen Verwandten und Freunde zu gedenken.

Eine andere Umfrage ergab, dass nur 50 Prozent der Russen den Sinn des Osterfestes verstehen und sechs Prozent sogar glauben, dass an diesem Tag die Geburt Christi gefeiert wird.

Die wichtigsten Ostergottesdienste und Kreuzwegstationen finden in der Nacht von Ostersamstag auf Ostersonntag statt. Aus diesem Grund ist die Moskauer Metro in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai traditionell bis 02:00 Uhr geöffnet, einige Buslinien fahren sogar bis 03:30 Uhr.

 [Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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