Großvater für eine Stunde. In Moskau werden männliche Tagesmütter immer beliebterfoto © boll-palievskaya 2019

Großvater für eine Stunde. In Moskau werden männliche Tagesmütter immer beliebter

„Mein Name ist Alexej. Ich bin ehrlich, freundlich, verantwortungsbewusst, ordentlich, fürsorglich, ruhig, ausgeglichen und aufmerksam. Ich habe Erfahrung im Umgang mit Kindern von zwei bis 13 Jahren und in der Betreuung älterer und kranker Menschen. Ich verbringe viel Zeit mit Kindern“, solche Anzeigen kann man im russischen Netz immer öfter lesen.  Männer suchen einen Job als Babysitter oder Tagesmutter.

In der Datenbank der Firma „Großmutter für eine Stunde“, die Kindermädchen sucht, sind etwa 30 Prozent Jobkandidaten Männer. Die Inhabern Natalia Linkova sagt, dass sie gern mehr davon hätte: „Sie sind gefragt. Vor allem bei alleinerziehenden Müttern, die sich eine Familie mit Vater für ihre Kinder wünschen“, erzählte sie der Moskauer Zeitung Metro. Laut Natalia entscheiden sich Kunden für Männer, weil es für sie einfacher ist, ein Kind in den Armen zu tragen oder sich ohne Aufzug mit einem Kinderwagen fortzubewegen. Außerdem können sie viel laufen, Fußball spielen und kommen mit aktiven Kindern besser klar.

Allerdings haben viele Russen noch Stereotype und meinen, dass die Arbeit mit Kindern eine rein weibliche Angelegenheit sei. Es gibt jedoch Familien, die bereit sind, einen Mann als Tagesmutter oder Nachhilfelehrer in Betracht zu ziehen. In einigen Fällen ist dies auf negative Erfahrungen und Frustrationen bei weiblichen Kindermädchen zurückzuführen, in anderen auf spezifische Bedürfnisse, mit denen ein Mann besser fertig werden kann, zum Beispiel die Sicherheit eines Kindes oder die Notwendigkeit, männliches Verhalten und Denken zu fördern. Es gibt aber auch Familien, die aus Überzeugung eine männliche Betreuung für ihre Kinder suchen. „Ich habe mich bemüht, einen Jungen zu finden, damit meine Tochter und mein Sohn eine geschlechtsneutrale Sicht auf Menschen  bekommen, die mit Kindern arbeiten“, erklärte die 32-jährige Moskauerin Victoria im Interview mit der Zeitung „Metro“. Victoria und ihr Ehemann Mark sind gleichermaßen an der Erziehung von ihren Kleinkindern beteiligt und betrachten das Familienmodell, bei dem die Kinder vollständig den Frauen überlassen bleiben, als veraltet.

Insgesamt ist aber die Nachfrage nach männlichen Kindermädchen nicht groß, dafür sind ihre Dienstleistungen teurer. Also auch hier bleibt die Ungleichheit bestehen. Allerdings gibt es triftige Gründe zu der Annahme, dass sich dieser Berufsbereich in Zukunft erheblich verändern wird.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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