Tag 9 – Wir bringen die Bärte zurück nach Russland!

Erkundige mich ein bisschen nach Russland. Was das für ein Land ist und so. Hat ja offenbar eine bewegte Geschichte. Da brauche ich schon eine Weile, um mich da kundig zu machen. So richtig meine ich. Ich erinnere mich, dass ich als Kind den ein oder anderen russischen Historienfilm gesehen habe. War da immer sehr beeindruckt. „Der Kurier des Zaren“ oder „Krieg und Frieden“ zum Beispiel. Und die Geschichten über die diversen Zarenfamilien interessierten mich immer besonders.

Nehmen wir mal den ersten Kaiser des russischen Reiches, Zar Peter I., „der Große“ (9. Juni 1672 bis 8. Februar 1725), geboren als Pjotr Alexejewitsch Romanow. Angeblich waren neben seiner Körpergröße (über zwei Meter groß) auch seine Leistungen für seinen Beinamen verantwortlich. Zu seinen kulturellen Errungenschaften gehörten beispielsweise die Einführung westmitteleuropäischer Kleidung, einer (man höre und staune!) Bartsteuer sowie des julianischen – statt des gregorianischen – Kalenders. Nicht zu vergessen die von ihm initiierte Schriftreform, von mir persönlich auch kurz „Schriftformreform“ genannt. Auf diese werde ich später noch einmal unweigerlich zurückkommen müssen. Dazu habe ich einige Worte zu verlieren.

Aber erst einmal zu seiner „Bartsteuer“. Seinerzeit wurde diese Idee zur Lösung von Finanzproblemen herangezogen. Könnte übrigens heutzutage auch wieder aktuell werden.  Die Zahl der langen Bärte wächst in Deutschland seit ein paar Jahren exponentiell, genau wie die der „Barber-Shops“. Also durchaus vorstellbar, dass die Frau Bundeskanzlerin, also quasi die Noch-Chefin von Deutschland (deren Namen ich immer vergesse), auch in Deutschland sowas Ähnliches wie diese Bartsteuer einführen könnte. Das würde ich ihr zutrauen. Sie würde voraussichtlich aber eine kleine, aber entscheidende Änderung vornehmen: Sie führt eine Steuer für alle ein in Deutschland, die keinen langen Bart tragen. Eine sogenannte „Umgekehrte Bartsteuer“.

Fällig zur Steuerzahlung wären dann alle, die glattrasiert auf der Arbeit erscheinen würden. Gilt natürlich auch für die, die sich ohne Grund glatt rasieren. Für die mit Dreitagebart würde man dann – um auch von diesen Steuern eintreiben zu dürfen – eine sogenannte Fiktion machen. Eine Fiktion ist juristisch gesehen eine Anordnung, etwas anders zu behandeln, als es eigentlich ist. Sowas machen die Politiker in Deutschland sogar ganz oft. Die tricksen damit ihre Bürger immer aus. Wehren können die sich nicht dagegen. Ausformuliert könnte das als Gesetzeswortlaut also in etwa wie folgt lauten:

„Als ‚glattrasiert‘ gilt auch ein Dreitagebart.“

Und schon ist man steuerpflichtig, wenn man morgens um halb sieben in Deutschland beim Bäcker mal unvorsichtigerweise nicht mit langem Bart erscheint. Auf Dauer könnte diese „umgekehrte Bartsteuer“ als Ergänzung zur Mehrwertsteuer eingeführt werden, sagen wir mal mit einem Satz von zehn Prozent des jährlichen Familieneinkommens. Jeder müsste zusammen mit der Steuererklärung ein aktuelles Foto mitschicken. Der 10-%ige Abzug würde dann mit dem Steuerjahresausgleich stattfinden. Das Verfahren wär‘ leichtes Spiel für die Oberen.

Fein raus wären lediglich Männer mit langem Bart. Jeder müsste sich folglich einen langen Bart wachsen lassen, um steuerfrei zu bleiben. Und da auch Frauen – sagen wir mal: in der Regel – keinen Bart tragen, wären die auch fällig. Und zwar allesamt. Auch meine Frau. Na ja. Muss ja nicht direkt morgen eingeführt werden. Aber allzu weit davon entfernt sind wir nicht mehr.

Egal. Es geht mir ja um den Zaren Peter, den Großen. Also, wie kam es vor rund 300 Jahren in Russland zu dieser Steuer?

Bei Wikipedia liest man dazu:

„Zar Peter I. hatte den Eindruck, dass im Russland seiner Zeit zu sehr an althergebrachten             Traditionen festgehalten werde und das Land auf manchen Gebieten einer Modernisierung             bedürfe. In seiner Meinung bestärkten ihn Eindrücke, die er auf seiner Reise ins westliche Europa gewonnen hatte. Unter anderem waren wallende Vollbärte in den von ihm besuchten         Ländern eher selten zu sehen und auch die Kleidung der bereisten Länder erschien ihm                        funktionaler als die Gewänder seiner Untertanen. Er nahm sich daher vor, Verschiedenes in          seinem Reich zu ändern.“

Bartträger erhielten – so Wikipedia weiter – im Gegenzug für ihre Steuerzahlung ein rundes Kupferstück, das bestätigte, dass die Steuer bezahlt war. Sowas könnte in Deutschland auch klappen. Nicht-Bartträger könnten jederzeit anlasslos kontrolliert werden und müssten dann stets ihr Kupferstück vorzeigen. Der Staat würde dadurch letztlich versuchen, alle deutschen Männer – natürlich auch die Frauen, denn die gelten dann als „Nicht-Langbart-Tragende“ fiktionsweise als „glattrasierte Männer“ – zum Tragen eines Langbarts anzuhalten.

Nun, der Michel, der Norberto und ich, der Osvaldo, wollen dem aber schon jetzt vorgreifen. Wir haben vor, die seit 300 Jahren in Russland quasi ausgestorbenen Langbärte wieder einzuführen. Salonfähig und modern machen. Jeder, der in Russland mit einem Langbart gesichtet wird, sollte – nein, keine Steuer bezahlen müssen – sondern umgekehrt: eine Prämie vom Putin erhalten.

Im Moment sieht es bei uns Dreien so aus:

Der Michel trägt einen etwas längeren Dreitagebart, einen sogenannten Sechstagebart.

Norberto ist morgens meistens glatt rasiert, gegen frühen Abend aber schon wieder total zugewachsen. Ich bin mir sicher: Innerhalb weniger Tage hätte er Borsten bis zum Bauch.

Und bei mir? Glatt rasiert war ich in den vergangenen Jahren nicht ein einziges Mal. Aber einen langen Bart? Da müsste ich jetzt ja schon mit dem Wachsenlassen anfangen, um zu WM-Beginn gut auszusehen.

Egal. Wir werden versuchen, die Bärte in Russland jedenfalls wieder hoffähig zu machen. Das haben wir fest vor. Vielleicht können wir ja direkt beim Putin mal vorsprechen. Wir werden ihm dann sagen: „Hör mal, lieber Wladimir, wir möchten gerne den Fehler von deinem Zar Peter I. jetzt ausbügeln und schlagen dir vor, in Russland die „Umgekehrte Bartsteuer“ einzuführen.“ In ein paar Jahren – so unsere Berechnungen – herrschen in Russland dann endlich wieder Zustände wie im Mittelalter.

Deshalb unser fester Vorsatz: Wir bringen die Bärte zurück nach Russland!

 

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