Sprachenstreit in Kasachstan: russischer Generalkonsul verlässt Almaty

Sprachenstreit in Kasachstan: russischer Generalkonsul verlässt Almaty

Der russische Generalkonsul in Kasachstan, Jewgeni Bobrow, hat seine diplomatische Mission in Kasachstan beendet, nachdem er sich zur Situation der russischen Sprache in der Republik negative geäußert hatte. „Dieser Mann ist nicht mehr in Kasachstan. Er arbeitet hier nicht mehr. Er hat seine diplomatische Mission beendet“, sagte der Sprecher des Außenministeriums Aibek Smadiarow und bezeichnete dessen Äußerungen als „Zeichen einer imperialen Haltung“.

Am 23. August hatte Bobrow von einem „Rückgang bei der Verwendung und dem Studium der russischen Sprache“ in Kasachstan gesprochen. Dies habe nicht nur „objektive Gründe“, nämlich den Rückgang der russischen Bevölkerung auf 15,2 Prozent, sondern auch die Tatsache, dass das Bildungsministerium der Republik eine Politik verfolge, „die darauf abzielt, das staatliche Bildungsprogramm zu ändern und die kasachische Sprache in den Vordergrund zu stellen“.

Bobrow, seit Oktober 2018 russischer Generalkonsul in Almaty, wies darauf hin, dass es in Kasachstan weniger russischsprachige Schulen und Klassen gebe und dass es an Lehrern für russische Sprache und Literatur mangele. „Insgesamt fehlen 20.000 Lehrer für diese Fächer“, betonte der Diplomat. Er sei sich sicher, dass der „Ausschluss der russischen Sprache aus dem Lehrplan für Schüler der ersten Klassen mit kasachischer Unterrichtssprache eine gewisse Besorgnis in der Gesellschaft hervorgerufen hat“.

Smadiarow wies die Vorwürfe zurück und behauptete, Bobrow „kenne nicht alle Informationen“. Der Außenamtssprecher zitierte Angaben des Bildungsministeriums, wonach von den 7.711 staatlichen Schulen 3.957 nur auf Kasachisch, 1.203 auf Russisch und 2.551 auf beiden Sprachen unterrichten. In diesem Jahr haben 24 Prozent der Schüler den einheitlichen nationalen Test auf Russisch abgelegt. Nach Angaben des Komitees für Vorschul- und Sekundarbildung vom Juni 2022 beträgt der Gesamtbedarf an Lehrern in Kasachstan 3.620 Personen, davon fehlen 844 Lehrer für russische Sprache und Literatur.

Laut Smadiarow gibt es keine Pläne, alle Schulen des Landes ausschließlich auf Kasachisch umzustellen, und die Bürger haben das Recht zu wählen, in welcher Sprache ihre Kinder unterrichtet werden.

Im November vergangenen Jahres erklärte der kremlnahe Politologe Dmitri Drobnizki im Staatsfernsehen, Kasachstan könne nach der Ukraine zum „nächsten Problem“ Russlands werden. „Auch dort könnten Nazi-Prozesse beginnen. Und es gibt dort viele Russen, und das Territorium ist dort… Entschuldigung, Semipalatinsk ist dort, und der Kernbrennstoff für unser ganzes Rosatom ist auch dort“, sagte er. Mit ähnlicher Rhetorik rechtfertigte der Kreml seinen Einmarsch in die Ukraine.

Drobnizkis Äußerungen lösten einen großen Skandal aus. Das kasachische Außenministerium forderte die russische Führung zu einer Reaktion auf, woraufhin Putins Sprecher Dmitri Peskow dazu aufrief, den „äußerst ungeschickten“ Äußerungen der politischen Analysten in der Sendung des Propagandisten Wladimir Solowjow keine Beachtung zu schenken, da sie „in keiner Weise die offizielle Linie der Regierung widerspiegeln“.

Langfristig will Kasachstan auf das kyrillische Alphabet verzichten. Der Wechsel zur lateinischen Schrift wird bereits seit den Tagen des ehemaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew diskutiert. Auf staatlicher Ebene werden derzeit Varianten des künftigen Alphabets entwickelt. Im April erklärte der kasachische Präsident Kasym-Jomart Tokajew, dass die Arbeiten unter der Leitung der Akademie der Wissenschaften ohne Eile fortgesetzt werden sollten, um Fehler nicht zu wiederholen.

Vom 10. bis zum 20. Jahrhundert wurde in Kasachstan die arabische Schrift verwendet. Im Jahre 1929 erfolgte der Übergang zur lateinischen Schrift. Im Jahr 1939 führte die UdSSR jedoch das kyrillische Alphabet in der Republik ein.

Für verärgerte Reaktionen aus Russland sorgten im April bekannt gewordene Pläne, dass Microsoft ein multiregionales Zentrum in Kasachstan eröffnen wird, das neben den zentralasiatischen Ländern auch Armenien, Aserbaidschan, Georgien, die Mongolei und Pakistan abdecken wird. Anfang August kommentierte der stellvertretende russische Außenminister Michail Galuzin, die Initiative von Microsoft in Kasachstan erfolge „im Interesse der Vereinigten Staaten“ und werde den US-Geheimdiensten erleichtern, „ihre nachrichtendienstlichen Aktivitäten durchzuführen“.

Laut Bagdat Musin, dem kasachischen Minister für digitale Entwicklung, Innovation und Luft- und Raumfahrt, wird die Lokalisierung der Microsoft-Aktivitäten Kasachstan in die Lage versetzen, zu einem regionalen Anziehungspunkt für fortschrittliche Technologien und Lösungen zu werden.

Weiteren Ungemach in den Beziehungen der beiden Länder könnte eine Mitteilung des kasachischen Außenministeriums gegenüber der russischen Zeitung RBK bringen: „Kasachstan arbeitet gemeinsam mit seinen Partnern im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags an der Einrichtung eines internationalen Treuhandfonds zur Unterstützung der Opfer von Atomtests.“ Mit dem Geld sollen Projekte zur Unterstützung von Betroffenen und zur Wiederherstellung der Umwelt finanziert werden. Das Außenministerium erinnerte daran, dass auf kasachischem Boden mehr als 450 Nuklearexplosionen (atmosphärische, ober- und unterirdische) durchgeführt wurden, wobei nach unterschiedlichen Schätzungen 1,5 Millionen Menschen unter den Folgen der Tests litten und eine Fläche von 304.000 Quadratkilometern kontaminiert wurde – entspricht etwa der Größe Italiens.

[hrsg/russland.NEWS]

COMMENTS