Russischer Büchermarkt: immer weniger Veröffentlichungen© russland.news

Russischer Büchermarkt: immer weniger Veröffentlichungen

Die russische Buchkammer hat errechnet, dass die Auflage der in Russland herausgegebenen Bücher im Januar-März um 23 Prozent auf 69 Millionen Exemplare gesunken ist, berichtet die Zeitung Kommersant. Im ersten Quartal 2022 wurden in Russland 90 Millionen Bücherexemplare veröffentlicht. Die Zahl der Titel für diesen Zeitraum sank ebenfalls um 13 Prozent auf 26.000 Stück. Die Gesamtauflage der gebundenen Bücher sank um 31 Prozent auf 23 Millionen Exemplare, die Zahl der Titel um 12 Prozent auf 9.500.

Der Grund für diesen Trend ist der Rückgang der Lizenzen für ausländische Autoren. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine haben eine Reihe ausländischer Autoren (zu den bekanntesten gehören Stephen King, Neil Gaiman und Joan K. Rowling) ihre Zusammenarbeit mit russischen Verlagen eingestellt. Darüber hinaus sind Verbrauchsmaterialien teurer geworden, und aufgrund der Sanktionen gab es ernsthafte Probleme mit beschichtetem Papier, und Ersatzteilen. Die Situation wurde durch veraltete Ausrüstung und fehlende Investitionen noch verschärft.

Die Verleger haben außerdem mit der Piraterie zu kämpfen. Immer mehr Russen nutzen entweder kostenlose digitale Kopien im Internet oder illegale Ausgaben auf Marketplace, erklärte ein Buchmarktexperte dem Kommersant.

Das Buchgeschäft in Russland wurde zudem durch Gesetze zum Verbot von LGBT-„Propaganda“ und die ständige Ausweitung der Liste „ausländischer Agenten“ stark beeinträchtigt. Die vagen Formulierungen dieser Gesetze, demonstrative Strafverfolgungen und Beschwerden bei den Behörden schaffen eine Atmosphäre der Angst und führen zu einer verstärkten Selbstzensur: in Bibliotheken, Verlagen und im Buchhandel. Aus dem Bericht des Buchverbandes für das erste Halbjahr 2022 geht hervor, dass das Buch „Ein Sommer im Pionierhalstuch“ von Elena Malisowa und Ekaterina Silwanowa der zweitgrößte Verkaufsschlager wurde und 50 Millionen Rubel einbrachte.

Es erzählt die Liebesgeschichte zwischen einem Betreuer und einem Jungen in einem Pionierlager. Der Roman erregte die Aufmerksamkeit der Behörden. Nach Beschwerden von Abgeordneten stellte sich heraus, dass das Buch mit der Kennzeichnung „ab 18“ verkauft wurde und somit nicht gegen das Gesetz verstieß. Der Skandal wurde jedoch zum Auslöser für eine Verschärfung der Gesetze in der russischen Buchbranche, sagen Experten. Anfang Februar wurden die Autorinnen auf die Liste der „ausländischen Agenten“ gesetzt, die vom Justizministerium fast wöchentlich aktualisiert wird.
Der meistveröffentlichte Autor in Russland ist Metropolit Tichon Schewkunow, der als „Putins geistlicher Beichtvater?“ gilt (von Januar bis März wurden seine Bücher in einer Auflage von 50.000 Exemplaren gedruckt). An zweiter Stelle der meistveröffentlichten Bücher steht der neue Roman von Alexej Iwanow, dem Autor von „Tobol“ und „Der Geograf, der den Globus austrank“. Ebenfalls unter den fünf meistveröffentlichten Büchern finden sich Remarques „Arc de Triomphe“, Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ und Frances Burnetts „Der geheimnisvolle Garten“.

[hrsg/russland.NEWS]

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