Russische Migranten in Armenien: positives Bild© russland.news

Russische Migranten in Armenien: positives Bild

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und nach dem Beginn der Mobilisierung im September 2022 verließ eine große Zahl von russischen Bürgern ihre Heimat. In erster Linie zogen die Russen in Länder, für die sie kein Visum benötigten und deren Gesetzgebung die Möglichkeit vorsah, in einem relativ einfachen Verfahren eine Aufenthaltsgenehmigung oder die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Daher gingen die Russen vor allem in die Länder der ehemaligen Sowjetunion – Kasachstan, Armenien oder Georgien.

Allein nach Armenien sind verschiedenen Angaben zufolge bis Ende 2022 etwa 110 000 Menschen aus Russland sowie aus der Ukraine und Belarus gezogen. Die genaue Zahl der Migranten, die sich in Armenien niedergelassen haben, lässt sich nicht ermitteln, aber es gibt indirekte Indikatoren – zum Beispiel 100.000 von ihnen eröffneten Konten in armenischen Banken. Die russischen Migranten selbst haben begonnen, sich als „Relocants“ zu bezeichnen.  Dieser Begriff wird vor allem von IT- und Wirtschaftsunternehmen verwendet, die damit ihre Mitarbeiter bezeichnen, die nach dem Umzug in ein anderes Land aus dem Homeoffice arbeiten können. Solche Menschen werden auch „digitale Nomaden“ genannt.

Aber wie werden Relocants aus Russland, der Ukraine und Belarus in Armenien wahrgenommen? Professor Artur Atanesjan, Leiter der Abteilung für angewandte Soziologie an der Staatlichen Universität Eriwan, führte eine Studie über „Russische Relocants in der Wahrnehmung der armenischen Jugend“ durch, deren Ergebnisse in der Zeitschrift des Instituts für Soziologie der Russischen Akademie der Wissenschaften „Soziologische Studien“ veröffentlicht wurden.

Die wichtigste Beobachtung des Wissenschaftlers: Die armenischen Jugendlichen sehen keine Unterschiede zwischen Russen, Ukrainern und Belarussen. Für die Armenier sind sie alle Russen: „Die meisten Teilnehmer der Fokusgruppendiskussionen bezeichnen sie kollektiv als ‚Russen‘, zum Teil aufgrund stereotyper Vorstellungen von ihnen als ‚Vertreter einer Nation‘, zum Teil aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen bei der Beobachtung und Kommunikation mit den Migranten, unter denen Russen die Mehrheit bilden“, schreibt Atanesjan. „In keiner einzigen Diskussion wurden positive oder negative Eigenschaften der Neuankömmlinge als Vertreter einer bestimmten Nationalität oder eines bestimmten Staates erwähnt.“ Im Gegenteil, die jungen Leute bedauerten oft die Feindseligkeiten zwischen „Vertretern einer Nation“. „Schauen Sie sich den russisch-ukrainischen Krieg an: Die Ukrainer sind dasselbe wie die Russen, aber die Geschichte Russlands beginnt mit der Kiewer Rus‘, d. h. Russland begann mit Kiew, von dort aus gingen die Russen, und was passiert jetzt dort!“.

Darüber hinaus wird die Mehrheit der russischen Migranten als Vertreter des Informationstechnologiesektors – als ITler – wahrgenommen: „Nach dieser Wahrnehmung sind Neuankömmlinge überwiegend junge Menschen (meist junge Paare mit oder ohne Kind(er)), die in der IT-Branche arbeiten und daher meist intelligent, aktiv, fortschrittlich, finanziell abgesichert und höflich sind. Den Teilnehmern der Gruppendiskussionen zufolge sind solche „positiven“ Menschen nicht der häufigste Typ (in der russischen und armenischen Gesellschaft), so dass „wir Glück haben, dass es viele solcher Menschen unter den Neuankömmlingen gibt“.

„Die Ankunft der Relocants wird im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes positiv wahrgenommen. Die Verhaltenskultur der Neuankömmlinge, ihr aktives Interesse an der lokalen Kultur, ihr sorgsamer Umgang mit der Umwelt usw. haben Vorbildcharakter“. Die Kehrseite der Medaille ist ein sprunghafter Anstieg der Immobilienpreise und der Wohnungsmieten.

Der Professor kommt zu dem Schluss, dass der Zuzug einer großen Zahl von Relocants – „Träger liberalerer Verhaltensnarrative als die Armenier selbst – der armenischen Gesellschaft eine spürbare Dynamik und Vielfalt gebracht hat. Einige Bedenken über die große Zahl der Neuankömmlinge wurden eher von Bewohnern der armenischen Regionen als von Einwohnern Eriwans geäußert, wo die Zahl der Neuankömmlinge am größten ist.“

[hrsg/russland.NEWS]

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