[Moskau-gtai] – Für deutsche Unternehmen ist es 2014 schwierig, in Russland an Aufträge zu kommen. Dabei ist der Bedarf an qualitativ hochwertigen Technologiegütern groß. Doch Finanzierung und Importe sind teurer geworden. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, das Projekte vorerst verschoben werden. Zudem nähert sich Russland wirtschaftlich der VR China an. Der Wettbewerb wird dadurch schärfer.
Inhalt
1Gesamtwirtschaftlicher Ausblick
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
Investitionen
Konsum
Außenhandel
2 Branchen im Überblick
Maschinen- und Anlagenbau
Kfz-Industrie
Chemie
Bauwirtschaft
Elektrotechnik/Elektronik Informations- und Kommunikationstechnik
Umwelttechnik
Medizintechnik
1 Gesamtwirtschaftlicher Ausblick
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
Die Geschäftschancen für deutsche Exporteure trüben sich das zweite Jahr in Folge ein. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche sind dafür verantwortlich. Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU verstärken diesen Trend. Hohe Zinsen auf Rubelkredite, stark gestiegene Risikoprämien auf Finanzierungen in Fremdwährungen und der politische Druck aus dem westlichen Ausland bewirken, dass in- und ausländische Unternehmen vorerst nur wenige Projekte anschieben. Im Ergebnis sinken die Einfuhren.
Premierminister Medwedew bereitete Öffentlichkeit und Wirtschaft Anfang Mai auf schwierige Zeiten vor. Nach seinen Worten wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2014 um maximal 0,5% steigen. Höhere Prognosewerte bezeichnete er als zu optimistisch. Erst 2015 könne mit einem Plus von 2,0% und 2016 von 2,5% gerechnet werden, so der Premier.
Um einen neuen Wachstumspfad zu betreten, erörtert die Regierung geeignete Reformen. Gesucht werden mögliche Antriebskräfte. Zudem erfolgt eine Neuausrichtung der Industrie-, Haushalts-, Geld- und Kreditpolitik. Ziel ist es laut Medwedew, private Investitionen zu stimulieren, die verarbeitende Industrie auszubauen und die Wettbewerbsfähigkeit russischer Exportgüter zu verbessern.
Dabei geht es auch um Importsubstitution. Zum einen, um ausländische Hersteller zu Technologietransfers in Form von Montagen und Produktionen vor Ort zu bewegen. Zum anderen, um ausbleibende Importe aus der Ukraine und aus Ländern, die Sanktionen verhängt haben, durch eigene, neu zu schaffende Kapazitäten zu ersetzen.
Insbesondere die verschlechterten russisch-ukrainischen Beziehungen führten bei ausländischen Investoren zu einem Vertrauensverlust. Finanzkapital in Höhe von 63,7 Mrd. US$ floss in den ersten drei Monaten 2014 aus Russland ab. Zinssteigerungen und ein Kursverfall des Rubel waren weitere Folgen. Die EU und die USA belegten Führungspersonen aus der russischen Politik, den Streitkräften und der Wirtschaft mit Sanktionen.
Für bestimmte Industriezweige hatte diese Entwicklung aber nicht nur negative Auswirkungen. So führte die Rubelabwertung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit russischer Unternehmen auf ausländischen Märkten, vor allem in der Öl- und Gasindustrie, der Eisen- und Stahlindustrie, der Metallverarbeitung und dem Kohlebergbau.
Quellen: Föderaler Statistikdienst Rosstat, Zentralbank der Russischen Föderation, Statistisches Bundesamt, Moskau und Wiesbaden, 2014
Die verarbeitende Industrie legte im Februar auf Vorjahresbasis mit 2,1% unerwartet zu. Im März schwächte sich das Wachstum zwar auf 1,4% ab, erstarkte aber im April erneut auf 2,4%. Insgesamt stieg die Industrieproduktion von Januar bis April 2014 um 2,8%. Gute bis sehr gute Produktionsergebnisse erwirtschafteten der Schienenfahrzeugbau, die Hersteller von Baumaterialien, Metallkonstruktionen und Metallrohren.
Das unerwartet stabile Industriewachstum von 2,4% im ersten Quartal sowie gewisse Entspannungstendenzen in der Geopolitik im Mai weckten erneut das Interesse der Finanzmärkte an Russland. Der Rubel legte nach einer mehrmonatigen Talfahrt wieder gegenüber Dollar und Euro zu, die massive Kapitalflucht ebbte etwas ab. Nach neuesten Prognosen dürften im Jahresverlauf etwa 90 Mrd. US$ ins Ausland abfließen. Unter dem Strich ist es aber verfrüht, von einer grundlegenden Trendwende zu sprechen. Die geopolitische und die wirtschaftliche Lage bleiben angespannt.
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