Positiv-neutral: Wie Russen über Putin denken© russland.news

Positiv-neutral: Wie Russen über Putin denken

Ende Juni führten die beiden größten soziologischen Institute Russlands Umfragen durch, um die Haltung der Russen gegenüber Präsident Putin zu ermitteln. Laut den Ergebnissen des Gesamtrussischen Zentrums für die Erforschung der öffentlichen Meinung (WZIOM) vertrauen über 78 Prozent der Russen ihrem Präsidenten, und fast 75 Prozent befürworten seine Tätigkeit.

Auch das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada, das in Russland zum ausländischen Agenten erklärt wurde, veröffentlichte seine Daten. Die Mehrheit der Befragten beschreibt ihre Einstellung zu Wladimir Putin als positiv-neutral. Ungefähr ein Viertel (23 Prozent) der Befragten beschreibt ihre Einstellung zum Präsidenten als „Sympathie“, weitere 19 Prozent als „Bewunderung“. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Anteil solcher Einschätzungen praktisch nicht verändert.

Weitere 12 Prozent der Befragten äußern eine „neutrale, gleichgültige“ Haltung gegenüber dem Präsidenten, ungefähr ein Drittel (31 Prozent) kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) würden den amtierenden Staatschef gerne im Jahr 2024 wiedergewählt sehen. Im Mai 2022 betrug diese Zahl 72 Prozent. Am häufigsten äußerten den Wunsch, dass Putin wieder Präsident wird, Russen im Alter von 55 Jahren und älter (74 Prozent dafür und 17 Prozent dagegen), diejenigen, die dem Fernsehen als Hauptinformationsquelle vertrauen (86 Prozent gegenüber acht Prozent), die wohlhabendsten Russen (72 Prozent gegenüber 17 Prozent) und diejenigen, die glauben, dass sich die Dinge im Land in die richtige Richtung entwickeln (85 Prozent gegenüber 7 Prozent).

Befürworter seiner Wiederwahl erklären dies damit, dass Wladimir Putin eine „richtige Politik“ führt, ein „guter Führer“ und „für das Volk“ ist und dass es „keine Alternative“ zu ihm gibt. Diejenigen, die möchten, dass Putin im Jahr 2024 sein Amt verlässt, sind in der Regel junge Menschen bis 24 Jahre, Internetnutzer und Menschen mit extrem niedrigem Lebensstandard. Gegner einer Wiederwahl sind der Meinung, dass er „schon lange im Amt ist“, „seine Politik“ ihnen nicht gefällt und „Veränderungen notwendig sind“. Nach Ansicht der Befragten vertritt der russische Präsident die Interessen der „Silowiki“, sowie „gewöhnlicher Menschen“, „Oligarchen“ und der „Mittelklasse“.

Interessanterweise hatte der Aufstand von Prigoschin keinerlei Auswirkungen auf die Bewertung des Präsidenten. Gleichzeitig hat sich die Haltung gegenüber dem Chef der Wagner-Truppe drastisch verschlechtert (nur noch jeder fünfte Befragte unterstützt ihn). Auch die positive Einstellung zum Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat abgenommen. Dabei hält etwas weniger als die Hälfte der Befragten Prigoschins Kritik an den Militärs zumindest teilweise für gerechtfertigt und die positive Einschätzung seiner Söldnerarmee selbst überwiegt weiterhin: Zwei Drittel bewerten ihre Beteiligung am Ukraine-Konflikt positiv.

Die Diskussionen darüber, wie sehr man den Meinungsumfragen im heutigen Russland vertrauen kann, halten an. Erstens gibt es nie eine Garantie dafür, dass Menschen bei solchen Studien die Wahrheit sagen. Vor allem bei Umfragen, die sich auf die Politik beziehen, haben Menschen oft Angst, das zu sagen, was sie wirklich denken. In der Soziologie gibt es sogar den Begriff der „Schweigespirale“. Das bedeutet, dass die Aufrichtigkeit eines Befragten oft von seiner Vorstellung abhängt, ob er selbst seine Meinung als „richtig“ versteht.

Bereits im August 2014 gaben laut einer Umfrage desselben Lewada-Instituts 22 Prozent der Befragten an, dass sie Angst vor den Konsequenzen hätten, wenn sie die Behörden bei solchen Umfragen kritisieren würden. Nach dem Beginn der so genannten militärischen Sonderoperation in der Ukraine ist die Abneigung der Russen, mit Soziologen zu sprechen, massiv geworden. Im Durchschnitt verweigern 94 von 100 Personen die Beantwortung von Fragen, so dass die veröffentlichten Daten nicht repräsentativ sind.

Einer der Hauptgründe für die Antwortverweigerung ist Misstrauen. Viele Menschen glauben, dass Soziologen im Auftrag des Staates arbeiten. Die Mehrheit sieht keinen Grund, sich eine Meinung zu politischen Problemen zu bilden, da sie nicht glauben, dass sie darauf Einfluss nehmen können.
[hrsg/russland.NEWS]

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