Hat Lawrow Recht mit der Behauptung, westliche Geheimdienste stecken hinter dem Anschlag in Salisbury?

Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat jüngst behauptet, das Labor Spiez in der Schweiz habe den Befund der britischen Ermittler im Fall Skripal widerlegt. Damit versuchte Lawrow zu beweisen, nicht Russland komme als Urheber des Anschlags am 4. März infrage, sondern allein westliche Geheimdienste.

Seine Regierung habe vertrauliche Informationen über die Untersuchung des Falls Skripal durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) erhalten, überraschte Lawrow am Samstag Sicherheitsexperten bei einer Tagung in Moskau.

Die von der OPCW beauftragten Schweizer Experten entdeckten nicht nur die zur Gruppe der sowjetischen Nowitschok-Gifte gehörende Substanz A-234, sondern auch den Kampfstoff BZ [3-Chinuclidinylbenzilat], der während des Kalten Krieges nachweislich zu dem Chemiewaffen-Arsenal der USA gehörte.

Die dramatische Behauptung von Lawrow, Vater und Tochter Skripal seien mit BZ vergiftet worden, ist ein brisanter Vorwurf – nicht von irgendeinem russischen Propagandamedium, sondern vom Außenminister Sergei Lawrow persönlich. Als Zeuge dient Lawrow eine renommierte Institution – das dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz unterstehende Labor Spiez aus der neutralen Schweiz.

Als Leser reibt man sich verwundert die Augen und weiss nicht mehr, was man glauben soll. Könnte der Anschlag in Salisbury tatsächlich mit BZ verübt worden sein? Das inzwischen mit Anfragen überhäufte Labor Spiez im Berner Oberland nimmt zu dieser Frage keine Stellung. Darf es auch aufgrund seiner Geheimhaltungsvereinbarung mit der OPCW nicht. Man habe volles Vertrauen in das Ergebnis des britischen Militärlabors Porton Down habe, wonach die Skripals einem Stoff Nowitschok-Gruppe ausgesetzt war, hieß es erneut aus dem Labor.

Indirekt dementiert das Labor damit die Aussagen Lawrows. Hat der russische Außenminister die Sache mit dem westlichen Kampfstoff BZ dreist erfunden? Zur Beantwortung der brisanten Frage lohnt ein Blick in das das Analyseverfahren der OPCW. Denn zu den strengen Kontrollmechanismen der OPCW zählt, dass die Referenzlabors jeweils mehrere Proben erhalten. Die OPCW verschickt nicht nur die echte Probe, sondern auch negative und positive Kontrollproben. Diese sind zwar ähnlich beschaffen, enthalten im ersten Fall aber keinen chemischen Kampfstoff, im zweiten Fall einen anderen, der extra der Probe beigefügt wurde. Damit wird sichergestellt, dass das beauftragte Labor fehlerfrei arbeitet und nicht weiss, welches die echte Probe ist.

Dass Spiez der OPCW nicht nur den Befund Nowitschok, sondern auch das Vorhandensein von BZ meldete, lässt sich am ehesten durch eine solche Kontrollprobe erklären. Für die OPCW gab es also gar keinen Anlass, den BZ-Befund zu veröffentlichen – sie wusste ja, dass es sich dabei nur um eine Kontrollprobe gehandelt hatte.

Kein Wunder also, dass Spiez den Kampfstoff BZ tatsächlich gefunden hat. Einen Beweis zur Beteiligung westlicher Geheimdienste kann man darin nicht finden.

Die OPCW wird erst am Mittwoch zu den russischen Vorwürfen Stellung nehmen.

[hub/russland.NEWS]

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