“Gemeinsame Sprache finden”: Konferenz zu deutsch-russischen Beziehungen in Berlin@ russland.news

“Gemeinsame Sprache finden”: Konferenz zu deutsch-russischen Beziehungen in Berlin

Bis zur letzten Sekunde waren die Organisatoren in Sorge, ob es klappt. Am Mittwoch fand in Berlin unter strengsten Pandemie-Auflagen die 10. Konferenz des Bundesverbandes Russischsprachiger Institutionen (BVRI e.V.) und des Deutsch-Russischen Forums “Entfremdung oder Zusammenarbeit? Erwartungen an den deutsch-russischen Dialog” statt.

In ihrem Begrüßungswort betonte die Vorsitzende BVRI e.V., Larissa Yurchenko, dass nicht nur die Pandemie, sondern auch die negative Atmosphäre in den deutsch-russischen Beziehungen die Konferenz deutlich erschweren. Mit Sorge stellte sie wachsende antirussische Stimmungen in der ganzen EU und in Deutschland fest. Deswegen sei ein Bürgerdialog auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen dringend nötig.

Der russische Botschafter in Deutschland Sergej Netschajew meinte, dass die Entfremdung in den deutsch-russischen Beziehungen ein vorübergehendes Phänomen sei und man gemeinsam dagegen ankämpfen kann und muss. Die heutige Zusammenarbeit wurde durch einen steinigen Weg nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht. „Wir sind für die Zusammenarbeit offen“, betonte der Botschafter. Denn ein Dialog mit Russland ohne gegenseitige Vorwürfe und Vorurteile ist für beide Seiten bereichernd.

Jewegnij Primakow, Chef der Föderalen Behörde für Angelegenheiten der GUS (Rossotrudnitschestwo) äußerte die Meinung, dass beide Länder eine besondere Verantwortung für den Frieden in Europa tragen. MdB a.D., Mitglied des Vorstands des Deutsch-russischen Forums Bernhard Kaster wies darauf hin, dass es sehr wichtig ist, Plattformen für den Dialog zu schaffen. In dem persönlichen Gespräch sagen viele deutsche Politiker, die vielleicht manchmal einen harten Ton im Bezug auf Russland einnehmen, dass sie wissen, dass Russland zu Europa gehört und dass man eine gute Beziehung braucht. Allerdings hat die Erklärung von vielen Nichtregierungsorganisationen zu ausländischen Agenten eine negative Wirkung und ein großes Echo in Deutschland.

In der ersten Podiumsdiskussion „Nach den Wahlen“ meinte die aus Moskau zugeschaltete Weronika Krascheninnikowa, Leiterin des Instituts für außenpolitische Forschungen und Initiativen, dass man das Gefühl habe, den beiden Seiten gehe die Geduld aus. Doch es würde zu Nichts führen, weiterhin Druck auf Russland auszuüben. Dr. Alexander Neu von der Partei Die Linke bedauerte die Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen seit 2005, vor allem das Aussetzen des Nato-Russland Rates. Die Wahlen in Deutschland haben ein großes Interesse in Russland hervorgerufen, berichtete der Politologe Artem Sokolow. Man hoffe, dass die neue Regierung den deutsch-russischen Dialog intensivieren würde. Er wies daraufhin, dass wir in verschiedenen „Informationsfeldern“ leben – die analytischen Berichte auf beiden Seiten unterscheiden sich wesentlich. Gleichzeitig gibt es viele Veranstaltungen, die zum Dialog beitragen. Der Leiter des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften Wladislaw Below stimmte ihm zu: das Bild Deutschlands in russischen Medien sei seit Jahren positiv. Um positive Information über Russland in deutschen Medien zu finden, müsste man allerdings Goldsucher sein. Aber es gebe keine tiefe Krise in den deutsch-russischen Beziehungen, denn man müsse zwischen der Politik und dem zivilgesellschaftlichen Dialog und der Wirtschaft unterscheiden.

„Gesellschaftliche Verständigung – Impuls für einen politischen Entspannungsprozess?“ hieß der zweite Teil der Diskussion. Was kann die Zivilgesellschaft in der heutigen Situation tun, wollte der Geschäftsführende Vorstandvorsitzende des Deutsch-Russischen Forums Martin Hoffmann wissen. Peter Franke, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher West-Ost-Gesellschaften (BDWO) meinte, dass man heute einen äußeren Feind braucht. Er stelle fest, dass junge Deutsche sehr wenig über Russland wissen und er keine besonders positiven Erwartungen an die neue deutsche Regierung in Bezug auf Russland habe. Der deutsch-russische Dialog sollte europäisch geführt werden. Anna Kaiser, Geschäftsführerin der Stiftung West-Östliche Begegnungen betonte, dass Städtische Partnerschaften, Städtepartnerkonferenzen als Plattform viele Netzwerke über die Partnerschaft hinaus anziehen, was von der Politik stark wahrgenommen ist. „Das sind real existierende Brücken“, so Kaiser.

Was bedeutet die Covid-19-Pandemie für das deutsch-russische Verhältnis? Darum ging es in der dritten Diskussionsrunde. Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Bundestages a.D. vertrat die Meinung, dass die Nichtanerkennung der russischen Impfstoffes Sputnik V in der EU eine rein politisch motivierte Entscheidung gewesen sei. Wenn man über Nord Stream 2 noch diskutiert, so gab es über Sputnik V nicht mal eine Debatte in Deutschland. Der Historiker Prof. Dr. Peter Brandt wies darauf hin, dass dabei die uralten Ressentiments gegenüber Russland mithineinspielen. Er beobachte seit Jahren eine gewisse Diskrepanz zwischen der Positionierung des deutschen Parlaments und der Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Bezug auf Russland. Der Vorsitzende des internationalen Diskussionsklubs Waldai Andrey Bystrytsky erinnerte daran, dass die aktuelle Pandemie nur bereist gegebene Konflikte hervorgehoben hat. Das Problem besteht darin, „ein gesundes“ Realitätsbild zu schaffen, denn die meisten Medien sind parteiisch. Alexander Rahr bedauerte, dass die Covid-19-Krise nicht gemeinsam gelöst wird, sondern man im Gegenteil gegeneinander arbeitet, wie übrigens in den großen Weltkrisen davor. „Die Pandemie trennt uns“, so das traurige Fazit des Experten.

[hrsg/russland.NEWS]

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