Friedensnobelpreisträger und Chefredakteur der Nowaja Gaseta zum ausländischen Agenten erklärtDmitri Muratow ©Euku - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,

Friedensnobelpreisträger und Chefredakteur der Nowaja Gaseta zum ausländischen Agenten erklärt

Das russische Justizministerium hat den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Nowaja Gaseta, Dmitri Muratow, in die Liste der „ausländischen Agenten“ aufgenommen. 2021 erhielt er den Friedensnobelpreis „für seine Bemühungen, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, die eine Voraussetzung für Demokratie und Frieden ist“.

Das Ministerium spricht in seiner Erklärung nicht von ausländischer Finanzierung, behauptet aber, Muratow habe sich an der Erstellung und Verbreitung von Materialien „ausländischer Agenten“ beteiligt und „ausländische Plattformen genutzt, um Meinungen zu verbreiten, die darauf abzielen, eine negative Einstellung zur russischen Außen- und Innenpolitik zu formen“.

Muratow erhielt den Friedensnobelpreis 2021 gemeinsam mit der philippinischen Journalistin Maria Ressa. Zwei Wochen später gratulierte ihm Wladimir Putin in einer Rede im Waldai-Klub. Bei dieser Gelegenheit forderte der Chefredakteur der Nowaja Gaseta den Präsidenten öffentlich auf, sich mit dem Gesetz über „ausländische Agenten“ zu befassen, woraufhin dieser versprach, „diese vagen Kriterien zu überdenken“. „Bei dem Gesetz geht es um finanzielle Unterstützung aus dem Ausland für politische Aktivitäten im Inland. Genau darum geht es“, so Putin.

Diverse russische Politiker, Journalisten und Experten sind entsetzt. So schreibt der bekannte Journalist Alexej Wenediktow: „Die wirklichen ausländischen Agenten sind diejenigen, die Muratow als ‚ausländischen Agenten‘ bezeichnen. So muss man das verstehen.“

Der Politiker und Historiker Lew Schlosberg spricht von einer „weltweiten Schande. Eine Schande für den Staat, in dessen Auftrag die irreführenderweise als Justizministerium bezeichnete Behörde arbeitet, die Steuergelder verschlingt, um Menschenrechte und Freiheiten in Russland zu zerstören. Das hat nichts mit Recht und Gerechtigkeit zu tun.“

Der Politiker Dmitri Gudkow sieht „keinen Grund, sich darüber zu wundern“. Mit der SMO „trenne sich Russland von der Welt und versuche alles zu verunglimpfen, was Russland mit dieser Welt verbindet“.

Der Ökonom Konstantin Sonin setzt auf die Macht der Geschichte: „Muratow wird in der Geschichte Russlands und der Welt bleiben – so wie Tolstoi, Sacharow und Solschenizyn geblieben sind. Das Böse wird sterben, aber Muratow wird bleiben.“

Auch das norwegische Nobelpreiskomitee, das über die Vergabe des Friedenspreises entscheidet, hat die Aufnahme des Preisträgers 2021 in die Liste der „ausländischen Agenten“ kritisiert. Die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, sagte in einer Erklärung „es sei traurig, dass die russischen Behörden versuchen, ihn wegen seiner Bemühungen um Meinungs- und Informationsfreiheit und unabhängigen Journalismus zum Schweigen zu bringen. Die Vorwürfe gegen ihn sind politisch motiviert.“

Zeitgleich zog die Nobel-Stiftung die Einladungen an die Botschafter aus Russland, Belarus und dem Iran zur Nobelpreisverleihung zurück. Die Stiftung wies darauf hin, dass ihre Entscheidung, im Jahr 2023 die Botschafter aller Länder, deren diplomatische Vertretungen in Schweden und Norwegen ansässig sind, zu der Zeremonie einzuladen, heftige Reaktionen hervorgerufen habe, auch in Schweden. Bereits im Jahr 2022 waren offizielle Vertreter aus Moskau und Minsk wegen der russischen Invasion in der Ukraine nicht zur Verleihung des Nobelpreises eingeladen worden.

Der betroffene Journalist Dmitri Muratow, der das Preisgeld 2021 an wohltätige Organisationen gespendet hatte, gibt sich zurückhaltend: „Leider habe ich an diesem Tag nichts Neues erfahren.“

[hrsg/russland.NEWS]

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