„Fälschung“ oder „Diskreditierung“: Handbuch für russische Juristen erklärt Unterschiede

„Fälschung“ oder „Diskreditierung“: Handbuch für russische Juristen erklärt Unterschiede

Das russische Justizministerium hat zwei Handbücher mit Empfehlungen für Ermittler, Richter und Forensiker erstellt, in denen erläutert wird, wie neue Fälle im Rahmen der „Sonderoperation“ in der Ukraine zu behandeln sind. Die Zeitung Kommersant konnte die Schulungshandbücher einsehen.

Es geht darum, welche „Aussagen über Tatsachen und Ereignisse über den Einsatz der Streitkräfte“ unter den Strafrechtsartikel „Öffentliche Verbreitung vorsätzlich falscher Informationen“ fallen und welche „Meinungen und Bewertungen zum Einsatz der Streitkräfte“ als „öffentliche Diskreditierung“ der Streitkräfte eingestuft werden. Für „Fälschungen über Handlungen der russischen Armee“ drohen Strafen von bis zu fünfzehn Jahren Haft, für „Diskreditierung“ gibt es bei wiederholtem Verstoß bis zu fünf Jahre.

Rechtswidrige „Fälschungen“, so das Justizministerium, sollten Informationen enthalten, die „in Form einer Erklärung über Tatsachen und Ereignisse vorgelegt werden“. Dies „ermöglicht es dem Gesetzgeber, die Unwahrheit oder Glaubwürdigkeit der Aussage festzustellen. Wenn in einer Erklärung eine „Tatsachenbehauptung“ enthalten ist, die der Gesetzgeber als unwahr einstuft, dann sollte der Fall als wahrscheinliche „Verbreitung wissentlich falscher Informationen“ betrachtet werden.

In der Praxis äußert sich dies folgendermaßen: Jede Aussage, die im Widerspruch zur offiziellen Position des russischen Verteidigungsministeriums steht, kann als „wissentlich falsche Information“ deklariert werden und ein Strafverfahren kann eingeleitet werden. Das anschaulichste Beispiel ist der Fall des Moskauer Gemeindeabgeordneten Alexej Gorinow, der zu sieben Jahren Gefängnis wegen nur einer Äußerung verurteilt wurde.

Die Äußerung einer Meinung mit einer negativen Bewertung der Handlungen der Armee bezeichnet das russische Justizministerium als „Diskreditierung“. Unter diesem Wort sollten Ermittler und Richter „vorsätzliche Handlungen verstehen, die darauf abzielen, das Vertrauen in staatliche Behörden zu untergraben, ihre Autorität herabzusetzen“. Die Aufgabe des Sachverständigen besteht hier darin, „die Art der im Text ausgedrückten ‚extremistischen‘ Bedeutung festzustellen“. Es sei zu prüfen, ob die Texte eine „Erörterung des Zwecks des Einsatzes der russischen Streitkräfte enthalten, die eine Rechtfertigung für ihre negative Bewertung darstellt“, und ob sie „zu einer Meinung anstiften“, das heißt den Adressaten von der Richtigkeit ihrer Bewertung überzeugen wollen.

Damit werde direkt gesagt, dass die Äußerung einer negativen Haltung gegenüber einem bestimmten Einsatz der Streitkräfte bereits ein Zeichen ihrer „Diskreditierung“ ist“, sagte Alexander Werchowski, Leiter des Informations- und Analysezentrums Sova, im Gespräch mit Kommersant.

Inzwischen ermitteln Gerichte bereits wegen „Diskreditierung“ der Armee gegen Personen, die in ihren Postings im russischen sozialen Netzwer VKontakte- das Wort „Sondereinsatz“ in Anführungszeichen setzen. Sie suggerierten eine „ironische, gegenteilige, herabsetzende Bedeutung“, befand ein Richter in Nischni Nowgorod unter Berufung auf „russische Sprachregeln“. Dagegen soll die Benutzung des Kryptogrammes **й** (**i**) noch nicht kriminalisiert worden sein.

Laut der russischen Bürgerrechtsorganisation OWD-Info wurden bis zum 22. Juli in Russland 72 Strafverfahren wegen militärischer „Fälschungen“ und 3.303 Verwaltungsverfahren wegen „Diskreditierung“ der Armee eingeleitet.

[hrsg/russland.NEWS]

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