„Es ist schwer, sich zu konzentrieren“ – anomale Hitze in Russland© russland.NEWS

„Es ist schwer, sich zu konzentrieren“ – anomale Hitze in Russland

Das Pferd auf dem Sockel des berühmten Denkmals für Peter den Großen in St. Petersburg steht ohne seinen Reiter. Der Zar und Gründer der „nördlichen Hauptstadt“ sitzt erschöpft neben ihm im Schatten eines Baumes, um der Hitze zu entkommen. Im russischen Internet wimmelt es förmlich von Memes dieser Art. Wie immer in Russland ist es der Humor, der hilft, allen Unglücken, Katastrophen und Problemen zu trotzen.

Seit einigen Wochen befindet sich ein Großteil des europäischen Russlands unter dem Einfluss eines sogenannten subtropischen Rückens. Die Temperatur übersteigt die Norm um acht bis neun Grad. In Moskau und St. Petersburg wurden Wärmerekorde für die gesamte Geschichte der Wetterbeobachtungen gebrochen. Am 27. Juni kletterte das Thermometer in Moskau auf 32 Grad und brach damit einen weiteren Hitzerekord. Schon am Samstag wurde in der Hauptstadt der vierte Temperaturrekord in der Woche aufgestellt. Die Tagestemperatur erreichte 32,6 Grad Celsius.

Viele russische Firmen, in denen eine strenge Kleiderordnung vorgeschrieben ist, haben sie gelockert. Männer dürfen ohne Krawatte und im Hemd mit kurzen Ärmeln zur Arbeit kommen, Frauen müssen keine Strümpfe und Jacken tragen. Doch die überwiegende Mehrheit der Arbeitgeber weigerten sich entgegen den Empfehlungen der Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadzor, ihre Mitarbeiter während der Hitzewelle vorzeitig nach Hause gehen zu lassen. Laut einer Umfrage des Recruiting-Portals Headhunter gaben fast drei Viertel der Arbeitnehmer (71 Prozent) an, dass die Hitze ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Arbeitnehmer aus St. Petersburg fanden es besonders schwierig (81 Prozent).

Für manche Menschen ist die Arbeit im Büro jedoch im Gegenteil eine echte Erlösung. „In diesem Sommer rettet mich unser vollklimatisiertes Büro im Zentrum von Moskau. Ich komme gerne morgens rein und arbeite bis abends unter angenehmen Bedingungen. Ich musste ein paar Tage von zuhause arbeiten, und das war sehr schwierig, denn meine Wohnung hat sich unglaublich aufgeheizt. Die heiße Luft aus dem Fenster macht es schwer, sich zu konzentrieren“, erzählt Marina, Juristin in einer Moskauer Firma.

Die ungewöhnliche Hitzewelle hat zu einer erhöhten Nachfrage nach Klimaanlagen, Ventilatoren, Hüten, Shorts und Mini-Kühlschränken geführt. Laut einer Umfrage stieg die Nachfrage nach Eiscreme in Russland um 46 Prozent und nach Wasser um 23 Prozent. Viele stiegen von öffentlichen Verkehrsmitteln auf Carsharing und Taxis um, weil die Autos eine Klimaanlage haben.

Für hartnäckige Impfgegner ist die Hitzewelle nur ein weiterer Grund, sich nicht impfen zu lassen. Doch Ärzte geben Entwarnung: Die Hitze soll kein Grund sein, auf das Impfen zu verzichten. Die Risiken der Impfung sollten den Nutzen der Impfung nicht überwiegen. Letztes Jahr gab es Meinungen, dass die hohen Temperaturen Corona-Viren töten würden. In den letzten zwei Wochen gab es in Russland allerdings einen sehr schnellen Anstieg der Krankheit, trotz der Hitze. In den vergangenen 24 Stunden sind in Moskau und St. Petersburg 234 Menschen an Covid-19 gestorben. Dies ist die höchste Todesrate seit Beginn der Pandemie.

Laut Wettervorhersagen wird die Hitze in vielen Regionen des Landes bis morgen abnehmen. Nachdem die Temperatur auf 23 bis 25 Grad Celsius zu sinken beginnt, gibt es an einigen Tagen kurze Regenfälle mit Gewittern. Heute Abend wird ein „Super-Regenfall“ in Moskau bis zu 70 Prozent der monatlichen Norm der Niederschläge und eine Abkühlung bringen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

 

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