Ein Pass ist gut, zwei sind besser© russland.news

Ein Pass ist gut, zwei sind besser

Etwa 1,5 Millionen Russen haben eine zweite Staatsbürgerschaft, wie die Zeitung Nesawissimaja Gaseta berichtet. Spezialisten der Migrationsberatungsfirma Nimrod haben ein „Porträt“ der Russen erstellt, die am häufigsten eine zweite Staatsbürgerschaft beantragen.

Sie analysierten die Daten der letzten 20 Monate (Gesamtjahr 2022 und Januar-August 2023). Es handelt sich vor allem um Männer zwischen 40 und 50 Jahren (70 Prozent der Anträge), die Inhaber eines kleinen oder mittleren Unternehmens sind. Die meisten von ihnen (über 60 Prozent) haben ein monatliches Einkommen von 300.000 Rubel (circa 3.000 Euro) oder mehr. Das wichtigste Motiv für die Beantragung eines zweiten Reisepasses ist die Möglichkeit, sich freier in der Welt bewegen zu können. Als Gründe werden häufig die Möglichkeit der medizinischen Versorgung und der Bildung angeführt.

Gleichzeitig denken nur 10 Prozent daran, umzuziehen (ihren ständigen Wohnsitz zu wechseln). Offiziellen Angaben zufolge leben nicht mehr als 25 Prozent der Personen, die einen Reisepass eines anderen Landes besitzen, dauerhaft in den Ländern der „zweiten Staatsbürgerschaft“. Nur 20 Prozent der Empfänger einer zweiten Staatsbürgerschaft sind Arbeitnehmer.

Heute gibt es für Russen mehrere Möglichkeiten, einen zweiten Pass zu erhalten: aufgrund des Wohnsitzes in einem anderen Land (Einbürgerungsprogramm), durch Heirat mit einem Bürger/einer Bürgergin eines anderen Landes, aufgrund des Geburts- und Herkunftsrechts, für besondere Verdienste oder für große Investitionen. Die bei den Russen beliebtesten Länder für einen zweiten Reisepass sind: Türkei (25 Prozent aller Anträge), Armenien (18 Prozent), Georgien (15 Prozent). Wohlhabende Russen kaufen auch Pässe in den karibischen Ländern, zum Beispiel in Grenada. Hier konnte man für 150.000 Dollar Bürger des Landes werden. Doch die Annahme von Anträgen auf Staatsbürgerschaft in Grenada für Russen endete am 31. März dieses Jahres.

 Den Pass der Dominikanischen Republik bekommt man für die Investitionen ab 100.000 Dollar. Allerdings ist der Anteil derjenigen, die bereit sind, die Staatsbürgerschaft „für Investitionen“ zu erhalten, in der ersten Hälfte des Jahres 2023 auf ein Rekordtief von fünf Prozent gefallen. Es mag u.a. daran liegen, dass es bis März 2022 mehr Passprogramme durch Investitionen gab, an denen Russen teilnehmen konnten. Solche Programme wurden von den karibischen Staaten St. Kitts und Nevis, Antigua und Barbuda, St. Lucia, Dominica und, in Europa, Malta angeboten. Jetzt wurde die Arbeit dieser Länder mit Russen aufgrund von EU- und US-Sanktionen eingestellt.

Um die israelische Staatsbürgerschaft zu erhalten, muss man in der dritten Generation jüdischer Abstammung sein. Seit Beginn der Invasion in der Ukraine haben viele prominente Russen, wie die Journalistin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Xenia Sobtschak, die israelische Staatsbürgerschaft erhalten.

„Im Allgemeinen haben wohlhabende Russen einen Weg gefunden, die westlichen Sanktionen durch die Umsiedlung zu umgehen“, stellt die Nesawissimaja Gaseta fest. Und die Sanktionen treffen gerade die ärmeren Schichten der Bevölkerung.

Die Regierung hat die hohe Zahl der Beantragungen der zweiten Staatsangehörigkeit in der Vergangenheit als Zeichen für unzureichende Anstrengungen zur Verbesserung der Lebensqualität im Land gesehen. 2015 nannte die damalige stellvertretende Ministerpräsidentin Golodez die Zahl von 817.000 Russen mit zweiter Staatsbürgerschaft. Somit betrug der Anstieg in den letzten acht Jahren etwa 700.000 Menschen oder 90.000 pro Jahr.

Nach russischem Recht ist ein Russe, der im Ausland eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine zweite Staatsbürgerschaft erworben hat, verpflichtet, dies den Behörden mitzuteilen, andernfalls drohen ihm verwaltungs- und strafrechtliche Konsequenzen.

Die Zahl der Meldungen über eine zweite Staatsbürgerschaft erreichte in Russland im Jahr 2015 mit 285.500 Menschen einen Höchststand. Nach Angaben des russischen Innenministeriums beantragten im Jahr 2022 mehr als 50.000 Menschen eine zweite Staatsbürgerschaft oder ein Dokument für das Recht auf ständigen Aufenthalt im Ausland, das waren 4,6 Prozent weniger als 2021. Darüber hinaus ist es in Russland mit einer zweiten Staatsbürgerschaft nicht möglich, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Seit 2021 ist es für Beamte, Militärangehörige und Personen mit Zugang zu Staatsgeheimnissen verboten, eine zweite Staatsbürgerschaft zu besitzen.

[hrsg/russland.NEWS]

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