Aufmüpfige Internet-Aktivisten wandern ins Gefängnis

Kurz vor Jahresende ergingen in Russland zwei scharfe Urteile gegen junge Leute, die aus ihrer oppositionellen Einstellung keinen Hehl gemacht hatten: Für naive Aufrufe zum Umsturz oder Separatismus auf der Straße landet man inzwischen schnell im Straflager.

Richter ist härter als der Staatsanwalt

Der 35 Jahre alte Tomsker Blogger Wadim Tjumenzew muss wegen zweier im Internet veröffentlichter Videos für fünf Jahre ins Gefängnis. Außerdem wurde ihm eine dreijährige Sperre für Publikationen im Internet auferlegt. Damit verhängte das Gericht sogar noch jeweils ein Jahr längere Strafen als von der Anklage gefordert. Das Urteil gegen den Sibirier erging am 30. Dezember – und ist das bisher schärfste in einer Reihe drakonischer Entscheidungen der russischen Justiz gegen Leute, die der Staatsmacht offenbar als aufsässige und gefährliche Aufwiegler im Internet gelten.

Tjumenzew wurde wegen Anstachelung zum Hass gegen in Tomsk lebende Flüchtlinge aus den ukrainischen Kriegsgebieten Donezk und Lugansk sowie wegen eines als extremistisch eingestuften Aufrufs zur Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration verurteilt. Dabei sollte gegen die Höhe der Tarife im Tomsker Nahverkehr protestiert werden.

Er selbst sprach in seinem Schlusswort davon, der eigentliche Grund für seine Bestrafung sei seine Kritik an der Gebietsleitung des Inlandsgeheimdiensts FSB sowie der Tomsker Staatsanwaltschaft: Zwei Wochen, nachdem er im letzten Frühjahr in seinem Video-Blog die Behörden beschuldigt habe, korrupte Beamte zu decken, sei er verhaftet worden. Eine ihn belastende Sprachexpertise sei tendenziös und voller Fehler, sagte der Angeklagte. Und ein ihm zur Last gelegtes früheres Geständnis, er halte einen Umsturz in Russland für notwendig, sei von den Ermittlern erpresst worden, in dem sie ihm androhten, ihn ansonsten in U-Haft zu stecken.

Ein no-go: Sibiriens Unabhängigkeit fordern

Tjumenzew war schon August 2014 als einer der Organisatoren eines „Marsches für die Föderalisierung Sibiriens“ hervorgetreten. Damals versuchten Oppositionsaktivisten in verschiedenen Regionen, mit den Losungen und Schlagworten der von Moskau unterstützten Separatisten in der Ostukraine für mehr Selbstbestimmung ihrer Heimatregionen zu demonstrieren. Die Behörden gingen scharf gegen diesen subversiven Ansatz vor: Die entsprechenden Gruppen in sozialen Netzwerken wurden gesperrt, eine ganze Reihe von russischen Medien erhielt offizielle Warnungen, nichts über diese Aktionen zu publizieren. Sie seien extremistisch und würden die territoriale Integrität Russlands in Frage stellen, hieß es. Seit 2014 ist dies ein Straftatbestand in Russland.

Revolutionäre Ukraine-Sympathisantin muss ins Gefängnis

Darja Poljudowa, eine der damaligen Organisatorinnen eines nie stattgefundenen Marsches „Für die Föderalisierung des Kuban“ in Südrussland, kassierte am 21. Dezember in Krasnodar ebenfalls eine Haftstrafe: Sie soll für zwei Jahre in Haft. Auch die 26 Jahre überzeugte Kommunistin wurde letztlich nicht für ihr Engagement für den Separatisten-Marsch, sondern aufgrund dreier Veröffentlichungen im Internet verurteilt. So hatte sie bei einer Ein-Personen-Demo ein Plakat mit der Aufschrift „Keinen Krieg in der Ukraine, aber Revolution in Russland“ gezeigt und ein Foto davon anschließend ins Netz gestellt. Auch hatte sie behauptet, die Ukrainer im Kuban würden unterdrückt und fordern einen Anschluss des Gebiets an die Ukraine.

Dies brachte ihr bereits ein halbes Jahr U-Haft ein – wogegen die studierte Juristin Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt hat. Sie beharrt darin darauf, dass sie nichts weiter getan hat, als ihre Meinung zu äußern.

[ld/russland.RU]

COMMENTS