Alle raus zum Neujahr? Chodorkowski ist begnadigt

Putins Pressekonferenz hatte diesmal einige Überraschungen auf Lager. Leider wurde vieles vermischt, was nicht zu vermischen ist.

Richtig ist, das nach Aussagen von Putin die zwei einsitzenden Mitglieder der Gruppe Pussy Riot und Mikhail Chodorkowski, frei kommen sollen. Falsch ist, dass das Eine etwas mit dem Anderen zu tun hat.

Die beiden Pussy Riot Mitglieder kommen im Rahmen einer Amnestie frei, die die russische Duma (vergleichbar mit dem deutschen Bundestag, nicht so machtvoll, aber dafür mit einer größeren Opposition)  zum 20. Jahrestag der russischen Verfassung beschlossen hat. Unter die Amnestie fallen etwa 20.000 Einsitzende, die wegen kleinerer Vergehen ihre Strafe absitzen, Veteranen sind oder Mütter mit Kindern oder die wegen des sogenannten Hooligan-Paragraphen bestraft wurden.

Nicht amnestiert werden Gefangene, die wegen schwerer Verbrechen einsitzen. Das heißt auch Gefangene, die zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Unter diese 20.000 Amnestierten fallen dann auch die beiden Pussy Riots und die Greenpeace-Akteure, die bereits auf Kaution frei waren.

Damit hat Marieluise Beck (MdB/Grüne) recht, wie sie am 18.12. in ihrem Blog schreibt, das diese Amnestie nicht für Chodorkowski und Platon Lebedew gilt:

„…..So erfreulich es ist, dass vermutlich die Frauen von „Pussy Riot“, die Greenpeace-Aktivisten und einige Angeklagte im Bolotnaja-Fall unter die Kriterien der Amnestie fallen werden, so wenig soll es darüber hinweg täuschen, dass die Amnestie nicht die persönlichen politischen Gefangenen von Präsident Putin wie Michail Chodorkowski und Platon Lebedew betrifft…..“

Am 19.12. schreibt Marieluise Beck dann:

„….Die Nachricht, dass Präsident Putin eine Begnadigung von Michael Chodorkowski beabsichtigt und dass die Aktivistinnen von „Pussy Riot“ mit einer baldigen Freilassung rechnen können, erfüllt uns mit großer Freude. Sie kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Russland von einem Rechtsstaat so weit entfernt ist wie vor der Amnestie.

Putin gibt sich Mühe, das ramponierte Bild seines autoritären Russlands ein wenig aufzupolieren. Es bleibt zu hoffen, dass dieser gelungene Coup kurz vor Sotschi denjenigen nicht den Blick verstellt, die an der Olympiade teilnehmen. Der Ex-KGB-Agent Putin behält alles in der Hand: Wer ihm gefährlich werden könnte, bleibt unter dem Damoklesschwert einer Haftstrafe….“

„…..Bei der Amnestie, unter die die Frauen von Pussy Riot fallen, handelt  es sich um eine handverlesene Amnestie….“

Handverlesen bei 20.000 Amnestierten?

Gnade vor Recht

Chodorkowski würde in keinem Fall unter die von der russischen Duma beschlossenen Amnestie fallen, da er keinen der Gründe erfüllt, die amnestiewürdig wären.

Für Chodorkowski käme also nur eine Begnadigung in Frage.

Nach russischen Recht hat nur der Präsident die Möglichkeit eine Begnadigung zu veranlassen, wenn die rechtlichen Gegebenheiten vorliegen.

Noch unter der Präsidentschaft Medwedews wurde mehrfach über eine Begnadigung spekuliert. In Russland ist eine Begnadigung nur möglich, wenn der Verurteilte entweder seine Schuld eingesteht und Reue zeigt, oder wie der Anwalt Konstantin Riwkin am Donnerstag in einem Interview für die Agentur RAPSI sagte: „Er soll nur ein begründetes Gnadengesuch einreichen. Das habe das Verfassungsgericht seinerzeit erläutert. Nach der Prüfung des Gesuchs werde der Präsident ein Dekret erlassen, das sofort in Kraft trete.“

Bisher hatte Chodorkowski weder das Eine noch das Andere gemacht, weil er sich als politischen Gefangenen sah, obwohl der europäische Gerichtshof in Strassburg keinen politisch motivierten Prozess feststellen konnte. Selbst gestern war zuerst unklar wie das Gnadenersuchen zustande kam.

Putin erklärte in seiner Pressekonferenz er halte ein neues Verfahren für unwahrscheinlich: „Ich höre Gerüchte darüber, aber momentan sehe ich keine Gefahr eines neuen Prozesses. Ich verstehe insgesamt nicht so richtig, wo da noch ein Fall sein soll“, sagte Putin. Er sehe „keine Bedrohung hier für jemanden“. Gleichzeitig betonte der russische Präsident der Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge aber auch, mit den Details des Ermittlungsverfahrens nicht vertraut zu sein.

Putin erinnerte daran, dass der einst reichste Mann Russlands stets auf eine solche Bitte verzichtet habe. Vor kurzem allerdings sei das Schreiben eingegangen.

Chodorkowski hatte um Gnade gebeten, weil seine Mutter krank ist, hieß es in russischen Medien. Die Stimme Russlands schreibt sogar, dass er seine Schuld zugegeben hat. Chodorkowskis Anwalt Vadim Klyuvgant sagte jedoch, er wisse nichts von einem solchen Gnaden-Gesuch.

Der Nachrichtenagentur RAPSI sagte Klyuvgant, er habe keine Ahnung wer dieses Gnadengesuch in Chodorkowskis Namen ausgefüllt habe.

Vadim Klyuvgant: „Chodorkowski hat nicht um Gnade gebeten und wir haben keine Informationen darüber, wer das für ihn getan hat. Wir wissen aber, dass über die Jahre hinweg verschiedene Leute für Chodorkowski um Gnade gebeten haben.

Gestern Abend teilte dann Chodorkowskis Pressestelle mit, dass er bald seine Anwälte treffen werde. Sie ließ zudem Aussagen zurückziehen, nach denen die Rechtsberater Chodorkowskis nichts von dem Gesuch gewusst hätten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat bereits heute morgen die Anordnung über die Begnadigung von Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski unterzeichnet, meldet der Pressedienst des Kremls.

„Aus humanitären Gründen ordne ich an, den verurteilten Michail Chodorkowski, geboren 1963 in Moskau, zu begnadigen und ihn von der weiteren Abbüßung seiner Haftstrafe zu befreien“, hieß es in der Anordnung, die am Tag der Unterzeichnung in Kraft tritt.

Nun muss Chodorkowski nur noch aufpassen, dass er nicht in Deutschland in ein Geldwäscheverfahren verwickelt wird.

Geldwäscheverfahren gegen Chodorkowski in Deutschland >>>

Gunnar Jütte

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