WM-Blog – Es geht nach Hause zum Schwenken

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Um 10:43 Uhr Ortszeit sitzen Norberto und ich im Taxi an den Flughafen. Heute geht es zurück nach Deutschland. Wird auch Zeit, Energiereserven sind aufgebraucht. Wir freuen uns auf zu Hause!
Die letzte Woche war die härteste. Sechs Städte in einer Woche. Mit Frankfurt sogar sieben. Tarussa, Moskau, Sankt Petersburg, Wolgograd, Saratow/Engels, Samara. Etwa 4500 Kilometer, davon 400 Kilometer mit dem Bus, 300 Kilometer PKW, Zug 1200 Kilometer, Rest Flüge. Ein weites, tolles Land!
Kurios
Auf dem Weg zum Flughafen fahren wir eine Schnellstraße, doppelspurig. Norberto meint, es sei bereits die Autobahn. Das Kuriose: Alle paar Kilometer taucht ein Zebrastreifen auf. Bestens ausgeschildert. Angehalten hat da bestimmt noch niemand.
Benzinpreise in Russland
1 Liter Benzin kostet etwa 42 Rubel, umgerechnet ca. 60 Cent. Dementsprechend günstig sind die Taxifahrten.
Überhaupt Taxifahrten: wir haben hier eine Extra-App, Yandex. Die ist einfach nur Weltklasse, sowas bräuchten wir auch in Deutschland.
Verständigung
Die Verständigung in Russland war zuweilen nicht einfach. Englisch haben viele nicht gesprochen. Man behalf sich mit dem Google-Übersetzer oder einer sonstigen App. Es wurde in den Google-Übersetzter hineingesprochen. Und genauso präzise waren dann die Übersetzungen. Aber egal. Es gab immer eine Lösung!
„Geht ihr jetzt zum Schwenken?“
Am Flughafen von Samara will Stefan Kuntz unbedingt ein Foto mit uns. Kann natürlich auch umgekehrt gewesen sein.
Jedenfalls fragte er sofort, als wir sagen, dass wir auch Saarländer seien:
„Geht ihr jetzt zum Schwenken?“
Das konnten wir natürlich mit Nachdruck bejahen.
Haben ihm dann auch gleich die Schwenker-Platz-Koordinaten der neuen saarländischen Pilgerstätte auf dem Roten Platz von Moskau durchgegeben:
Von der Bordsteinkante der Basilius-Kathedrale aus sind es genau 113 „Osvaldo-Schritte“ in Richtung Lenin-Mausoleum.
Da hat der Augen gemacht!
Vielleicht wird unser Stefan Kuntz ja irgendwann Nachfolger von Joachim Löw, wer weiß. Wenn ein Saarländer das in die Hand nimmt, dann wird das auch was bei der nächsten WM.
Norberto in der Transitzone des Moskauer Flughafens Sheremetyevo:
„Das Teil kaufe ich! Bei dem Preis nehme ich sogar zwei! Der Beluga-Wodka ist ein geiles Zeug!“
Ich musste ihn aufklären:
„Norberto, die Preise sind bereits in Euro ausgezeichnet!“
Wenn man genau hinschaut, erkennt man auch, dass die eine Flasche 6600 € kostet. Wäre sie in Rubel ausgezeichnet worden, wären es etwa 90 Euro gewesen. So aber konnte Osvaldo seinen ständigen Russland-Bettgesellen vor einem gravierenden Fehlkauf in letzter Sekunde retten …
So, jetzt sitzen wir im Flugzeug. In ein paar Minuten geht es los in die Heimat. Die Crew spricht bereits Deutsch.
See you in Germany!
Was bleibt?
Es sind wie in Brasilien 2014 vor allem die Begegnungen mit den Menschen: Die Russen sind aufgeschlossener als sie vielfach beschrieben werden. Hilfsbereit und freundlich, verbindlich. Selbst die Frauen, die oft sehr förmlich Distanz wahrten und ein ernstes Gesicht machten, gaben uns spätestens bei einem freundlichen ‚Daswidania’ unsererseits ein Lächeln zurück.
Russland ist ein tolles, begeisterndes Land. Ich muss feststellen, filme ich darf feststellen, dass wir uns in Russland die ganze Zeit über, auch nachts, überall sehr sicher gefühlt haben. Es ist ein ansehnlicheres, ordentlicheres Straßenbild als in Deutschland an vielen öffentlichen Brennpunkten.
Auch wenn es einige nicht für möglich halten – Russland ist ein Land zum Wohlfühlen! Seht es euch an, erlebt es selbst. Und wir hoffen, ihr werdet genauso begeistert sein wie wir.
Wir glauben, von dieser Fußball Weltmeisterschaft profitieren beide Seiten: sowohl die Russen (die gesehen haben, dass Touristen Vorteile bringen können und es schön ist, Kontakte zu knüpfen) als auch die Gäste bzw. Fans aus aller Welt, deren Russlandbild jetzt bestimmt von vielen positiven Eindrücken und weiterer Neugier geprägt sein wird.
Viele neue Freundschaften wurden geschlossen, Telefonnummern ausgetauscht, mit Fans aus aller Welt (und auch mit deutschen, wie mit George oder Ralf).
Mit einigen (z.B. Oleg aus Moskau, unserem Freund Guntar aus Tarussa, dem Micha aus Nürnberg oder Yuri aus Moldawien mit seiner 5-köpfigen Familie – meine Frau wird sich wundern) wurde abgemacht, uns mal ins Saarland besuchen zu kommen.
Mit George aus der Nähe von Starnberg (seine Frau stammt aus dem Saarland) will ich noch dieses Jahr zusammen eine Wochenend-Hüttentour durch die Alpen zu machen.
Kon (für Konstantin) lud mich nach Australien ein, nachdem ich ihm für das Spiel Island-Argentinien meine große Island-Flagge schenkte, die er mit ins Stadion nahm.
Die zwei Inder Jeevan und Suahanta waren auch cool – als sie mitbekamen, dass ich Autor bin, wollten sie sofort, dass ich ihre Gedichte rezensiere. Zum Glück nur auf Englisch und nicht auf Indisch. Die ersten acht habe ich schon.
Mit dem ehemaligen Eishockey-Profi Vitali, den wir in Sotschi kennengelernt haben und der in Stuttgart arbeitet, wollen wir mal ein Spiel des VfB Stuttgart gegen meine Eintracht gemeinsam anschauen gehen. Überhaupt haben wir viele Frankfurt-Fans getroffen. Gab dann jedes Mal einen schönen Trinkspruch auf unsere Eintracht. Und selbst Norberto – eigentlich BVB-Fan – will unserem Eintracht-Fan-Club „Saar Eagles“ nun beitreten. Wow!
Bestimmt habe ich noch ein paar Abmachungen und Begebenheiten vergessen, muss zu Hause erstmal alles in Ruhe Revue passieren lassen.
Vielleicht schreibe ich auch wieder ein Buch zum Rasputin-Trip von Osvaldos Tagedieben. Wir kommen jedenfalls zurück als „Die Russaaren“. So wie die Husaren einst Berlin mit einem ‚Husarenritt’ für einen Tag besetzen, so besetzten wir Saarländer – ab jetzt eben Russaaren – für einen Tag den Roten Platz von Moskau. Eine neue saarländische Pilgerstätte in Russland wurde geboren.
Und vielleicht erzähle ich in dem Buch dann auch die Geschichten, die im Blog unter den Tisch fielen (bzw. unter bestimmten Gesichtspunkten fallen mussten), wie z.B. wie es in Wolgograd sowohl bei der Ankunft als auch bei der Verabschiedung zu einem Eklat kam, wie ‚Vladimir 2‘, der ehemalige Sträfling mit dem gütigen Blick, mir und Norberto in der „Banja“ eins übergebraten hat. Oder wie das mit Schwenker auf dem Roten Platz wirklich lief.
Und und und.
Den Blog werden wir weiterführen bis zum Ende der WM. Bin gespannt, welche Aufträge meine Frau direkt nach der Ankunft für mich bereithält. Einiges hat sie mir schon telefonisch ‚angedroht‘. Au Mann.
Da muss ich jetzt durch. Um das Unheil etwas zu besänftigen bzw. abzumildern, werde ich schöne Geschenke mitbringen. Sicher ist sicher.

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