Wer braucht eigentlich Politiker bei einer Fußball-WM?

Jeder Politiker im Westen, der etwas auf sich hält, will zur Zeit die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 boykottieren. Die Schuld Russlands bei dem Giftanschlag gegen einen, den allermeisten Menschen bisher völlig unbekannten, Ex-Spion steht in den Sternen und dort wollen die eine WM ausrichten. Das schlägt dem Fass ja wohl den Boden aus.

England stieß ins Horn und rief zum Kreuzzug gegen die heilige Institution, die es vor langer langer Zeit in die Welt gebar. Das Mutterland des Fußballs will nun so viele Mitstreiter wie es nur geht um sich scharen, um dem russischen Bären an die Eingeweide zu gehen. Mit haltlosen Vorwürfen die Suppe gehörig versalzen, wenn man so will. Plötzlich werden wieder all die Tugenden beschworen, die man in ruhigen Zeiten nur ach so gerne vergisst. Der Begriff Solidarität wird qualvoll bemüht, zusammenstehen müsse man, so heißt es auf einmal.

Kurioserweise wollen selbst die Nationen die Fußball-WM in Russland boykottieren, die sich nicht einmal dafür qualifizieren konnten. Die keine repräsentative Nationalmannschaft da hinschicken werden, die einfach nicht mitspielen dürfen. Im herkömmlichen Sprachgebrauch nennt man so ein Verhalten Mitläufertum. Dem Begriff haftet etwas unschönes an, etwas unselbstständiges. Da sagt einer, wo es langgeht, und alle trotten in blinder Gefolgschaft mit. Sind wir also wieder einmal so weit.

Aber kehren wir zum Fußball zurück. Da spielen, so sieht es das Regelwerk vor, dass übrigens jene Engländer 1863 erstmalig festlegten, zwei Mannschaften mit elf Spielern, in einem festgelegten Zeitrahmen gegeneinander an. Um dem Spaß an sich noch etwas Würze zu verleihen, entschloss man sich, Turniere auszufechten, bei denen die besten ihrer Zunft einen Allerbesten unter ihnen bestimmen sollten. Das ist im Grunde genommen so simpel, dass man diese Art des Kräftevergleichs sogar schon im Mittelalter verstand.

Wieder waren es die Engländer, die bereits im Folgejahr der Regeleinführung selbige reformierten. Die Hosen müssten übers Knie reichen, hieß es da. War zwar Humbug, das sah man im Lauf der Zeit selbst ein, aber Regeln sind dafür geschaffen, um sie zu ändern. Eine ungeschriebene Regel besagte schon im Turniergestech des Mittelalters, dass man dabei um die Gunst des Königs focht. Im Falle des Fußballs hat sich das im Lauf der Zeit allerdings derart verselbstständigt, dass das Spiel selbst zum König erhoben wurde. Die Staatsmänner bilden lediglich die Staffage, um es milde auszudrücken.

Es wird das Spiel der deutschen Nationalmannschaft kaum groß beeinträchtigen, ob die Bundeskanzlerin nun auf der Tribüne sitzt oder auch nicht. Sie sind nicht mehr so wichtig, all diese Könige, Kanzler und drittklassige Abgeordnete. Das Spiel läuft von alleine. Deshalb sei an dieser Stelle die Frage erlaubt: Was sollte deren Fernbleiben einer Fußball-Weltmeisterschaft groß schaden? Dient ein Boykott der „Russen-WM“ nicht vielmehr der eigenen Eitelkeit? Oder glaubt jemand aus deren Reihen allen ernstes daran, dass sich der russische Präsident wegen ihrer Abwesenheit nun schwarz ärgert, wenn er die WM-Spiele ohne sie verfolgen muss?

Neben den Sponsoren und Finanziers der Veranstaltung gehört die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in erster Linie den Fans. Das sollte man längst in den verstaubten Hallen der Politik begriffen haben. Das ganze Theater, dass dieser Tage im Vorfeld des Turniers veranstaltet wird, trifft sicher nicht die Nation die es ausrichtet. Die Leidtragenden sind die einfachen Menschen wie Sie und ich, die einfach nur in der Zeit vom 14. Juni bis zum 15. Juli schöne Fußballspiele sehen wollen. Die diese einmalige Atmosphäre aufsaugen wollen, die bei einer WM herrscht. Denen Politik für fünf Wochen am A… vorbeigeht. Nicht mehr und nicht weniger.

[Michael Barth/russland.NEWS]

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