Tschernobyl-Unglück: Expertenprognosen bewahrheiten sich nicht

Die meisten der Prognosen, die die Experten gleich nach dem Unglück von Tschernobyl abgegeben hatten, müssen zurzeit revidiert werden.

Das teilte die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sankt Petersburger Forschungsinstituts für Strahlungshygiene „Professor Ramsajew“ Irina Sykowa am Dienstag auf Anfrage von RIA Novosti mit.

„Wie ursprünglich erwartet, sollte sich die Situation auf den radioaktiv verseuchten Territorien innerhalb von drei Jahren normalisieren. Dies geschah aber nicht. Laut einer weiteren Meinung sollte nach dem Jahr 2000 keine Kontrolle mehr über die verstrahlten Territorien nötig sein“, sagte die Expertin nach einer Pressekonferenz zum Thema „Die Überwindung der Havariefolgen am AKW Tschernobyl“. Nach ihren Angaben werden die radioaktiv belasteten Territorien mindestens bis zum Jahr 2057 unter Kontrolle stehen müssen.

Das Reaktorunglück in Tschernobyl, die schwerste Atomhavarie der Welt, ereignete sich in der Nacht zum 26. April 1986, um 01.23 Uhr. 160 000 Quadratkilometer Fläche wurden verstrahlt. Der nördliche Teil der Ukraine, der Westen Russlands und Weißrussland wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Laut einem UNO-Bericht für das Jahr 1995 waren von dieser Havarie neun Millionen Menschen direkt oder indirekt betroffen.

Wie Irina Sykowa äußerte, seien einige Konsequenzen der Havarie für die Wissenschaftler überraschend gewesen. So habe niemand eine zunehmende Erkrankung an Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen prognostiziert, die auf den beim Tschernobyl-Unglück verstrahlten Territorien geboren wurden.

Der Zusammenhang zwischen der Havarie und der Erkrankung sei erst nach einer sorgfältigen und zielgerichteten Prüfung der Morbidität festgestellt worden, sagte die Wissenschaftlerin.

Die Experten hatten ebenfalls nicht voraussehen können, dass Pilze der radioaktiven Strahlung andauernd ausgesetzt sein werden. Bis jetzt hat sich der Verstrahlungsgrad nur um die Hälfte verringert.

Irina Sykowa verwies auf die sozial-psychischen Folgen der Havarie für die Bevölkerung in der Verstrahlungszone. Am Anfang sei dieser Frage unzureichende Aufmerksamkeit gewidmet geworden, sagte sie. Erste Stationen für sozial-psychologische Hilfe seien im Jahre 1988 eröffnet worden, und eine massenhafte Beratung der Bevölkerung habe erst später begonnen, so die Expertin.

Laut der Wissenschaftlerin hat die Hälfte der Personen, denen die notwendige sozial-psychologische Hilfe zuteil wurde, diese für effektiv befunden.

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