Tag 59 – Alternative Abnehmstrategien

Unsere Kleinste kommt früh am Sonntagmorgen ins Bett gekuschelt. Meine Frau ist auch dabei. An ein Weiterschlafen ist nicht mehr zu denken, also Palavern wir über Gott und die Welt. Sie will wissen, wieviel ich schon abgenommen habe durch das Fasten. Und sie erzählt stolz, dass sie schon fast 1,40 Meter groß ist. Dann brauche sie beim Autofahren keine Sitzerhöhung mehr. Irgendwann frage ich sie (wird bald 9):

„Weißt Du, welche zwei Körperteile ein Leben lang weiterwachsen?“

„Mmmmhhhh … der Kopf und das Herz?“

„Fast. Ich gebe dir noch einen kleinen Tipp: Es sind zwei Körperteile, die man auch sieht, wenn man Kleider anhat.“ Gespannt warte ich, ob sie als Lösung die Nase und die Ohren jetzt errät.

Aber es kommt anders. Irgendwie schlimmer. Etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte:

„Ahhh …! Jetzt weiß ich es! Der Bauch!“

Zum zweiten Körperteil ist sie gar nicht mehr gekommen. Vielleicht zählt mein Bauch ja auch für zwei. Wer weiß. Der Sonntag-Morgen fängt jedenfalls gut an. Erst um 7 Uhr geweckt, dann übelst beleidigt worden. Na ja. Kann nur noch besser werden.

Egal. Irgendwann sind wir dann bei den Sternzeichen, die es gibt. Wollen versuchen, alle in der richtigen Reihenfolge zusammenzubekommen.

Es klappt auch ganz gut von Januar bis September. Dann kommt der Oktober. Ich sage zu der Kleinen:

„Ich gebe dir wieder einen Tipp: Dein Papa hat in dem Monat Geburtstag.“

„Mmmmhhhh … weiß nicht. Kannst du mir noch einen Tipp geben? Vielleicht die ersten drei Buchstaben?“

„Ok“, sage ich, denkend, dass dieses Mal mit der Antwort ja nix schief gehen können wird, weil Waage ja auf der Hand liegt, und spreche bedeutungsvoll die Buchstaben „W – A – A“ laut aus. Was dann aus ihr herausgeschossen kommt, hat dann dazu geführt, dass ich erstmal eine Weile im Bett liegen bleiben musste, um wieder Fassung zu erlangen.

„Na klar – Wal!“, stößt sie freudig und überzeugt hervor.

„Warum können Kinder nicht einfach mal überlegen, bevor sie etwas intuitiv aussprechen?“, seufze ich. An „Kindermund tut Wahrheit kund“ scheint irgendwie doch etwas dran zu sein. Na ja.

Nach dem Aufstehen stelle ich dann fest, dass ich „teedrüssig“ bin. Kann keinen Tee mehr sehen. Mein Leben lang wurde ich von dem Fusel verschont. Jetzt kommt der Oberlehrer vom Heilfasten und meint, den müsse man trinken. Komme man eben nicht dran vorbei. Habe immerhin eine Woche durchgehalten. Aber jetzt ist Schluss! Eine Woche kein Bier – das ist mir das letzte Mal als junger Erwachsener passiert.

Aber stolz bin ich trotzdem: Habe seit Ende Dezember insgesamt schon sagenhafte 10 Kilogramm abgenommen. Mit meinem selbst erfundenen, so einfachen wie genialen Trick. Möchte auch nicht hinterm Berg halten und ihn hier mal verraten:

Habe zu Beginn meines Projekts nämlich einfach ein paar Gramm mehr aufgeschrieben, als die Waage anzeigte (ich nenne sie übrigens nur „Die Erbarmungslose“; kein Wunder, dass die Waage als bestimmten Artikel ein „die“ hat, genau wie bei „die Frau“).

Wenn man also vorhat, 23 kg abzunehmen, dokumentiert man einfach ein anderes Anfangsgewicht. Ich habe zum Beispiel 4,5 kg mehr aufgeschrieben. Das motiviert dann zu Anfang unheimlich, wenn man nach ein paar Tagen wieder auf die Waage steigt und sieht, dass man schon einige satte Kilos unten hat.

Hat aber auch einen Nachteil: Es ist nicht erkennbar, und zwar ü-b-e-r-h-a-u-p-t nicht, dass ich sage und schreibe gefühlte 10 kg abgenommen habe. Man kann eben nicht alles haben.

Überhaupt – es ist mir einiges bei der Heilfasterei aufgefallen, was gar nicht geht. Habe ja viel darüber gelesen. So zum Beispiel, dass – wenn man beim Wort „Gemüse“ versehentlich den Buchstaben „ü“ überliest – man urplötzlich um ein Haar eine Gemse verspeist. Gemsen darf man beim Heilfasten aber nicht futtern. Streng verboten. Gut, denke ich mir, lasse ich die Gemsen eben weg.

Komisch, jetzt dämmert’s mir: Kommt das in Tag 53 erläuterte Wort Gims vielleicht von Gemse, weil man immer Hunger hat, wenn man an Gemsen denkt? Wahrscheinlich.

Na ja. Das mit dem Abnehmen hat jedenfalls gut angefangen. Das setze ich jetzt fort. Aber mit neuen Regeln. Extra auf mich und mein Wohlbefinden abgestimmt. Habe mal gelesen, dass es nichts bringt, wenn man sich bei der ganzen Abnehmerei unwohl fühlt. Von daher beschließe ich diverse Erleichterungen:

  1. „Alkohol ja – jedoch nur am Wochenende! Ansonsten strengstens verboten!“

Aber Obacht!

Um das ganze etwas abzumildern, denke ich mir eine Fiktion aus. Eine Fiktion ist etwas Tolles. Also, um es mal auf den Punkt zu bringen:

„Als Wochenende gilt auch ein Wochentag, wenn eine wirklich wichtige Party steigt. Als wirklich wichtige Party gilt auch eine mögliche Zusammenkunft von Freunden. Zu Freunden zählen in diesem Fall auch Bekannte. Als Bekannte sind auch Menschen anzusehen, die man in seiner Stammkneipe zufällig antrifft.“

Pffft. Das ging nochmal gut. Prima, dass ich so gut überlegen kann. Immer geradeaus.

Kommen wir zur zweiten Neuerung:

  1. „Täglich Sex!“

Ihr werdet euch fragen, warum um Himmels Willen das denn? Erst hab‘ ich mich das auch gefragt. Aber ganz einfach. Habe lange dran rumgefeilt. Ziemlich lange sogar. Also … Angefangen hat das damit, dass ich ja auch ab und zu joggen gehen möchte.

(An dieser Stelle muss ich immer lachen: „Joggen gehen“. Na, was denn jetzt? Joggen oder gehen? Egal. Bin gespannt, auf was das bei mir hinausläuft, wenn es mal so weit ist.)

Nimm Dir Zeit zum Joggen! Habe mal gelesen, dass Joggen sehr effektiv ist. Aber noch effektiver als Joggen ist … Trampolinspringen! Soll man nicht glauben. Zehn Minuten Trampolinspringen ist vergleichbar mit 30 Minuten Joggen. Sagenhaft.

Tja, und es ist nun auch mal belegte Tatsache, dass 30 Sekunden Sex in etwa so viel ist wie 10 Minuten Trampolinspringen. Genauso anstrengend. Also, wenn man sich Mühe gibt und sich richtig reinhängt. Also so richtig, meine mich.

Und was kommt dann dabei raus? Nein, nicht beim Sex. Bei meiner aufgestellten Gleichung natürlich. Also …

Wenn zehn Minuten Trampolinspringen so effektiv wie 30 Minuten Joggen ist und 30 Sekunden Sex so effektiv wie 10 Minuten Trampolinspringen, dann … dann ist

1 (!) Sekunde Sex so effektiv wie 30 Minuten Joggen. Das muss man sich einmal vorstellen.

Die ganze Arbeit mit dem draußen rumlaufen könnte man sich also komplett sparen, weil man  im Bett viel schneller, leichter und effektiver zu Potte kommt. Gute Sache. Frage mich, auf was ich mich spezialisieren soll.

Ich brüte weiter: Konkret, so wie das bei uns immer so läuft. Sagen wir mal … wir haben eine Minute Sex. Das wären dann sage und schreibe … 1 Minute, also 60 Sekunden, mal 30 Minuten Joggen … dann käme ich auf … 1800 Minuten Joggen. Sehr beachtlich. 1800 Minuten. Entspricht in etwa … 30 Stunden? Wäre ja – wenn ich das durchziehe – innerhalb von ein paar Wochen grundsaniert und gertenschlank. Mmmhhh …

Bekomme plötzlich Bedenken ob meiner Kalkulation. Weiß aber nicht, wo der Fehler liegt. Egal.

Notiere mir:

  1. Überzeuge Deinen Partner von deiner These!

Bis dahin lief’s ja gut mit meinen Berechnungen. Aber ab hier reche ich mit Gegenwind. Und der ist nicht ohne, das schwant mir jetzt schon. Na ja, lasse es kommen. Ich meine, auf mich zukommen. Wird schon gut gehen, bin ja optimistisch.

Zurück zur Fiktion. Mich interessiert das, was genau das ist. Eine Fiktion ist offenbar eine Methode nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht.

Gebräuchlich ist die Fiktion vor allem im … na klar, im politischen Bereich. Die wollen doch immer  was zurechtbiegen.

Wenn ich mal so nachsinne … eigentlich ist die ganze Politik eine Fiktion.

Meine Frau hingegen ist Realität.

Was für ein Unterschied!

Im Zweifel bin ich dann doch für die Realität.

 

COMMENTS