Tag 46 – Von Katzensharing und Mohrenküssen

Lew meldet sich. Er lädt zu sich ein. Will wohl weitere Maßnahmen besprechen. Für kommenden Donnerstag. Ist auch dringend notwendig, weil wir noch keine Unterkünfte und noch keine Tickets haben. Und die Transsib-Buchung müssen wir auch angehen.

Außerdem meldet sich Max. Max ist Deutsch-Senegalese. Groß und schwarz, wie man sich einen Massai vorstellt. Nur dass er nicht aus Kenia oder Tansania stammt, sondern aus dem Senegal. Den Max hatte ich vor über 20 Jahren mal im Senegal kennengelernt. Ein Klasse-Typ! Wir sind wie Brüder zueinander. Ich mag ihn sehr. Mittlerweile wohnt er im Saarland. Er ist Moslem und hat sich an die Lebensgewohnheiten in Deutschland mittlerweile mehr als angepasst. Die Leute hier gucken oft ungläubig, wenn Max – fast zwei Meter groß – sich mit mir unterhält – auf astreinem saarländischem Dialekt, versteht sich. Er ist ein regelrechtes Sprachwunder.

Max hatte ich vor einiger Zeit mal gefragt, ob er nicht auch nach Russland mitkommen möchte. Mit seiner unbändigen Lebensfreude, seinem Rhythmus im Blut, seinen tänzerischen und musikalischen Talenten als Trommler und Sänger wäre er auf jeden Fall eine Bereicherung für unser Team.

Max erzählt mir, dass er zur WM in Russland einen eigenen „WM-Song“ plant. Er schickt mir ein kurzes Demo. Klingt ausgesprochen gut! Bin sehr gespannt. Werde hier natürlich weiter drüber berichten.

Senegal spielt übrigens am 19. Juni in Moskau gegen Polen. Das wär doch was. Da könnten wir zusammen hin.

Die Jungs kommen ja erst später: Norberto, Lew und Michel reisen am 22. Juni von Frankfurt über Moskau nach Sotschi an, wo am 23. Juni unser Spiel gegen Schweden steigt.

Da ich „als Einzelkämpfer“ ja schon etwas früher in Moskau sein werde (wenn alles glatt läuft, bereits ab 17. Juni), habe ich mittlerweile ab Moskau den gleichen Flug wie sie nach Sotschi gebucht. Mit meinen Freunden habe ich verabredet, dass wir uns am Moskauer Flughafen treffen und dort dann eine große Willkommens-Sause veranstalten. Mit allem Pi-Pa-Po. Kann es kaum erwarten. Nie in meinem Leben werde ich mich wohl je wieder so auf eine Transitzone freuen wie dieses Mal.

Zurück zu Max. Wir vereinbaren, uns demnächst in unserem Vereinsheim in Saarbrücken zu treffen und zu sehen, was geht. Bei der Verabschiedung sagt er dann stets mit einem Augenzwinkern: „Dicker Mohrenkuss, Osvaldo, pass auf dich auf!“

Bei Facebook sind wir übrigens auch befreundet. Zum Spaß kommentiere ich Fotos in seinen Beiträgen auch schon mal mit einem Daumen hoch und ergänze: „Dicker Mohrenkuss, Max!“

Das wird dann leider immer von irgendwem gelöscht. Nicht von einem deutschen Richter oder so. Nee, von irgendjemandem, der mich und Max überhaupt nicht kennt, und der das sogar immer löscht, heimlich sogar. Also ohne Bescheid zu sagen, dass etwas gelöscht worden ist. Weil man „Mohrenkopf“ oder „Mohrenkuss“ ja angeblich nicht mehr sagen darf. Macht aber nix. Ich schreibe das eben immer wieder von Neuem. Und Max freut sich jedes Mal über meine Hartnäckigkeit.

Ich halte das für absoluten Quatsch, dass man manche Wörter nicht mehr sagen sollen darf. Ich glaube eher, da versucht die große Politik ihre Bürger zu zahmen, nicht mehr selbst denkenden Marionetten zu degradieren. Zu willenlosen Geschöpfen zu formen, über die vermeintlich wichtige Politiker bestimmen können, wie sie es gerne hätten. Aber da mache ich, der Osvaldo, nicht mit. Man kann Menschen nicht nach Belieben in Formen pressen. Alles wird gleichgeschaltet. Jeder wird gleichgemacht. Schon in der Schule sollen heute – um mal einen Vergleich zu wagen – Fische lernen, wie man auf Bäume klettert. Jeder Mensch aber ist ein Individuum mit eigenen Fähigkeiten und Talenten. Gut, bei mir sind die zwar nicht so ausgeprägt wie bei vielen anderen, aber trotzdem: Man muss nicht alles glauben, was die Damen und Herren in der Politik da manchmal predigen. Und sich danach richten schon mal gar nicht. Bei manchen meint man ja, die wurden geboren und – schwupps! – schon direkt als Politiker auf die Welt gekommen. Wollen einem die Welt erklären, ohne von ihr etwas real mitzubekommen. Die leben oft in einer Blase, in einer Scheinwelt.

Na ja. Was soll’s. Uns geht es ja um Fußball und die Fans aus aller Welt, die wir in Russland treffen wollen. Das ist wenigstens etwas Sinnvolles und Völkerverbindendes: Fußball versteht man nämlich überall auf der Welt.

Derweil erzählt mir meine Frau diverse Dinge, die ich bald schon wieder vergessen habe. Eigentlich sage ich immerzu nur „ja“, weil ich ja gleichzeitig den Blog hier am Schreiben bin. Meistens nehme ich gar nicht wahr, wie denn auch!, was sie alles erzählt.

Aber einmal bin ich stutzig geworden. Musste doch mal kurz aufhorchen. So richtig, meine ich.

„Habe gerade Diane im Dorf getroffen. Sie hat mir von ihrer Katze erzählt.“, beginnt sie.

Diane ist ja meine neue Lieblings-Freundin. Da werde ich sofort immer hellhörig, auch wenn ich ohnehin schon so tue, als ob ich zuhören würde.

Die Katze komme jedenfalls immer nur auf Besuch zu denen. Denen gehören täte die aber nicht. Sie würde immer reinkommen, durch die Wohnung streifen, sich eine Weile auf die Couch lümmeln und dann wieder das Haus verlassen.

„Fressen tut die nix“, habe Diane betont.

Vor kurzem seien deren Nachbarn (denen die Katze offiziell gehört) sogar mal klingeln gekommen, um sich nach dem Wohlbefinden „ihrer“ Katze zu erkundigen. So oft ist die bei ihnen.

Was Diane aber nicht weiß – aber meine Frau zufällig herausgefunden hat: Die Katze kommt nicht nur „einfach so“ zu ihnen. Dianes Mann kauft nämlich immer Katzenfutter – heimlich versteht sich – und füttert das Tierchen in der Zeit, in der Diane zum Arbeiten ist. Der Hendrik teilt sich das Katzenfüttern also quasi mit den Nachbarn. Und das, ohne dass seine Frau etwas davon mitbekommt.

Habe seither höchsten Respekt vor ihm. Toller Mann.

Meine Frau meinte dann, das sei ja so eine Art „Katzensharing“. Wie Carsharing, nur auf Katzenbasis eben.

„Können wir so ein Sharing nicht auch mal mit unseren Kindern machen?“, scherzte sie angeblich mit Diane, „dann hätten wir alle weniger Arbeit. Und könnten uns die Zeit besser einteilen.“

„Auf gar keinen Fall!“, hätte sich Diane entrüstet, „wenn du jetzt meinst, ich würde deinen Osvaldo von nun an komplett betreuen und übernehmen, dann muss ich dich in diesem Fall leider enttäuschen. Da gehe ich lieber freiwillig acht Stunden in die Schule unterrichten!“

Ich finde, das ist eine totale Sauerei, über was sich Frauen so unterhalten.

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