Tag 43 – Retourkutsche und Outing Stroganoffs

Eine Stimme weckt mich in aller Herrgottsfrühe. Höre nur ein lautes „Ganf“.

Ganf? Um Himmels Willen. Gucke mich um. … … Ja. Liege in meinem eigenen Bett. … … Alles richtig. … Keine Begleitung, nur ich. Na ja. Kann ja sein, dass ich noch am Träumen bin. War ja nicht so ganz einfach, das gestern Abend mit den Kumpels in der Schmiede. Das steckt einem noch in den Knochen. Unsereins braucht jedes Jahr länger, sowas wegzustecken.

Da ertönt es erneut und plötzlich steht auch meine Frau im Schlafzimmer: „Ganf!“

Jetzt mache ich mir Sorgen, ernsthafte. Hat sie das Sprechen verlernt? Ist sie von einer abrupten Schlaganfallattacke betroffen? Ist doch sonst nicht so auf den Mund gefallen. Was meint sie jetzt damit? Steht immer noch im Raum. So nach Schlaganfall sieht mir das aber überhaupt nicht so aus, eher … …  umgekehrt. So, als solle mich der Schlag treffen.

Wir schauen uns an. Wobei ich die Augen eigentlich noch gar nicht richtig aufkriege.

Erfindet sie möglicherweise jetzt schon Wörter, oder gar eine eigene, neue Sprache, nur um bei mir die Ausgangssperre mit allen Mitteln durchzusetzen?

„Fängt ja an wie Pippi Langstrumpf, die tagelang auf der Suche nach „dem Spunk“ war“, denke ich noch, als ich mich traue, sie zu fragen und sie direkt darauf anzusprechen. Immerhin stand sie ja noch im Zimmer.

„Was meinst du mit … … ‚Ganf‘? Was möchtest du damit bezwecken?“

Sie sagt aber nix und schaut mich nur … sagen wir mal … „recht energisch“ an: „Kannst das ja mal googeln, Osvaldo.“

Wackele dann neugierig geworden ins Wohnzimmer. Googele dann das Wort „Ganf“. Nach einigem Hin und Her habe ich es. Lese da:

‚Ganf‘ – eine Kurzform des jiddischen Wortes ‚Ganeff‘. Es bedeutet so viel wie …

Ganove.

Na, jetzt aber! Der Tag fängt ja toll an.

Das Handy vibriert. Eine Nachricht in unserer Whats-App-Gruppe „WM in Russland“. Es ist Stroganoff. Er will nicht mehr Stroganoff oder Strogoff im Blog genannt werden. Er möchte ab jetzt lieber mit seinem richtigen Namen angesprochen werden. Die ganze Zeit war ihm lieber, er hätte ein Pseudonym, wegen seiner Frau und so. Damit er möglichst lange unerkannt bleiben kann. Aber jetzt …

Nun gut. „Stroganoff“ heißt im richtigen Leben mit Vornamen … Lew. Soll mir recht sein. Will aber nicht wissen, was seine Frau alles über ihn in diesem Blog erfährt. Nun ja, ist seine Sache. Ich wollte ihn ja schützen.

Lew … russisch, der Löwe. Und (hebräisch) Herz. Passt.

Wie Tolstoi. Der hieß ja richtig nicht „Leo“, wie ihn alle riefen, sondern „Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi“.

Lew geht sogar auch als Nachname. Also Lew Lew. Nicht zu verwechseln mit Lev, von dem das Wort Leverkusen abstammt, das als „Vizekusen“ in die deutsche Fußball-Geschichte einging. Das können wir nun wirklich nicht gebrauchen. Wir wollen ja den Titel.

Aber Lew, das ist gut, das steht für Tolstois große Werke „Krieg und Frieden“ und die Liebesstory schlechthin: „Anna Karenina“. Die Russen werden Augen machen:

Da kommt ein Bärenkerl mit Löwenherz aus Deutschland und trifft dort auf die … … unglücklich verheiratete … … Tochter Putins. Oder so ähnlich.

Mal abwarten, wie das ausgeht.

 

 

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