Tag 42 – „Sernf“, die Allzweckwaffe

Boah. War das gestern ein Tag.

Ging den ganzen Tag hin und her. Nein, kein Pingpong. Zwischen mir und meiner Frau.

Bekam alle meine Fehler relativ gut, bündig und kurz zusammengefasst zu hören. Dauerte etwa drei Stunden. Aber dann war ich durch. Denke, von nun an kann ich mich für den Rest des Jahres voll auf die WM konzentrieren. Braucht meine ganze Aufmerksamkeit.

Verbrachte dann den Rest des Tages in meinem Kämmerlein unterm Dach. So ähnlich wie der Michel aus Lönneberga, der immer in seinen Holzschuppen rannte, wenn er – vermeintlich – was angestellt hatte. So wie ich eben. Ich fühle mich jedenfalls unschuldig wie der Michel.

Abends schlich ich mich dann raus. Hatte Hunger und Durst. Außerdem warteten meine Kumpels auf mich in der Alten Schmiede.

Gerade, als ich den ersten Schritt Richtung Haustür unternahm, stand meine Frau neben mir. Sah so aus, als ob sie nur auf diesen Moment gewartet hätte.

Höre, wie sie mir nur ein einziges Wort an den Kopf wirft: „Ausgehverbot!“

Pffft. Kann ja jeder sagen. Hab‘ ich ja noch nie gehört. Was ist mit meinen Kumpels?

„Osvaldo, jetzt hast du echt überdreht. Gut, dass wenigstens ich noch vernünftig bin und ab und zu Stop! sage, sonst wäre hier Chaos. Kannst du dich nicht mal selbst im Zaum halten? Bei einer Skala von 1 bis 10 habe ich eine Toleranz von 11. Ich bin doch keine Amöbenmasse!“

Oha. Das saß.

Finde keine Worte gegen ihren Frontalangriff. ‚Amöbenmasse‘. Was meint sie damit? Manchmal glaube ich, die wird mir tatsächlich noch überlegen. Muss echt aufpassen.

Und noch viel schlimmer: Was bedeutet Ausgehverbot? Konkret, meine ich? Ich bin doch nicht mein eigener Sohn! Fehlt bloß noch, dass sie „Platzverweis!“ oder „Atemverbot!“ ruft. Gut, unter Platzverweis könnte ich mir immerhin was vorstellen. Und Atemverbot? Weit davon weg scheine ich nicht mehr zu sein. Na ja, egal.

Ausgangssperre habe ich jedenfalls mir selbst gegenüber heute zum ersten Mal gehört. Darf bald gar nix mehr machen, habe ich den Eindruck.

Googele dann mal zum Spaß „Ausgangssperre“. … Boah. Was der Google alles meint, was das ist. Das ist Hammer. Das will ich nicht, auf gar keinen Fall. Ausgehverbot sei gleichzusetzen mit Freiheitsentzug. Und auch Knechtschaft, Unterdrückung, Sicherungsverwahrung und Gefangenschaft. Kidnapping steht auch da in der Nähe.

Muss mir dringend was einfallen lassen, sonst bin ich geliefert. Dann geht es mir wie den anderen Männern, die verheiratet sind. Glaube, ich muss voraussichtlich doch irgendwann nach der Weltherrschaft greifen. Dann mache ich das mal klar. Kann doch nicht sein, dass meine Kumpels heute ohne mich auskommen müssen.

Nach einigen Überlegungen komme ich zu einem Schluss. Sage zu meiner Frau, um ihr Wissen zu testen (sie meint ja immer, sie sei schlauer als ich):

„Nenne mir mal fünf Wörter im Deutschen, die die Buchstabenkombination ’nf‘ am Ende eines Wortes haben. Dann bin ich bereit, die Ausgangssperre tatsächlich anzutreten.“

Sie protestiert erst heftig und behauptet, es gäbe bloß vier Wörter im Deutschen, die auf „nf“ enden würden, nämlich Senf, Hanf, fünf und Genf. Die Begriffe kamen ihr wie aus der Pistole geschossen. Genau so sah sie mich auch an.

„Sie will mir unbedingt den Abend verhageln“, überlege ich, aber dieses Mal habe ich sie. Ha!

„Osvaldo, du irrst dich, es gibt bloß vier solche Begriffe“, macht sie noch einen letzten Versuch, ehe ich gut gelaunt das Haus verließ.

Wer hätte das gedacht. Dass ausgerechnet der Duden mir mal einen vergnüglichen Abend bereiten würde. Dort drin steht nämlich: „Sernf – Fluss im Schweizer Kanton Glarus“. Kenne zwar weder den Kanton, noch den Fluss. Macht aber nix. Heute Abend werde ich mit meinen Freunden in der Schmiede jedenfalls mal auf unsere neue Allzweckwaffe „Sernf“ anstoßen.

Vielleicht können die den Tipp für zu Hause ja auch gebrauchen.

Meinen Kumpels fallen nach etwa fünf Bier dann sogar noch weitere Wörter mit „nf“ am Ende ein: „Tafelsenf“, „einhundertfünf“, „zweihundertfünf“ …  Bei jedem neu gefundenen Wort ist unsere Freude regelrecht überschwänglich. Irgendwann konnten wir bei den ganzen Wörtern auf „nf“ uns gar nicht mehr richtig artikulieren. Unsere Zungen machten einfach nicht mehr mit. „Weißwurstsenf“, „Saathanf“, „Samenhanf“, „Basthanf“, „Nesselhanf“, „Semmelhanf“. Es wurde von Stunde zu Stunde kurioser. Egal.

Am Ende der Nacht waren wir ziemlich stolz, hatten wir doch regelrecht einen neuen Zungenbrecher erfunden:

„Weißwurstsenf mit fünf Saathanf stampfen nach Genf.“

Und egal, wie oft wir das auf dem Heimweg übten – es gelang uns einfach nicht.

War aber nicht weiter schlimm.

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