Tag 40 – Warum der ganze Koffer mit ins Stadion muss

So, haben jetzt Nägel mit Köpfen gemacht. Die ersten Flüge sind gebucht.

Los geht es für mich am 16. Juni, genauer gesagt: noch in der Nacht der Abifeier meiner Ältesten. An dem Abend müssen die anderen Papas dann ohne mich trinken. Will unbedingt mit einem klaren Kopf nach Russland starten. „Klare“ gibt es dann dort ja noch zur Genüge. Hoffentlich zumindest.

Start ist um 6.30 Uhr ab Flughafen Köln/Bonn. Geht also recht früh los. Ein Zug würde mich um 21.50 Uhr ab St. Wendel dorthin bringen. Könnte aber auch meine Frau fragen, ob sie mich hinfährt. Sind ja bloß … 250 Kilometer. Und nachts flutscht es ja richtig gut auf den Straßen, da ist kein Stau. Muss einen guten Moment abpassen. Einen richtig guten, mein‘ ich. Könnte ansonsten sein, dass sich – mittelfristig gesehen – etwas Stress aufbaut. Mmmhhhh … für heute aber egal.

Mit Zwischenstation in Wien bin ich dann um 13.30 Uhr in Moskau, Flughafen Domodedowo.

Überhaupt – es gibt doch tatsächlich gleich vier internationale Flughäfen in der russischen Hauptstadt: Neben Domodedowo auch noch Scheremetjewo, Schukowski (mit 5,4 Kilometer hat er die längste Piste in Europa; kann mir nicht helfen, das erinnert mich irgendwie an den Kultfilm „The Big Lebowski“: Hört sich ja so ähnlich an, und die Szene, in der der Hauptdarsteller von zahlreichen Tänzerinnen träumt, wurde immerhin auch auf einem Flugplatz gedreht) und schließlich Wnukowo.

Das Überraschende: Alle funktionieren.

Nimmt man den Flughafen dazu, auf dem Bundeskanzler a.D., der Sozialdemokrat Gerhard Schröder, vermutlich stets landet und startet, sind es sogar fünf: Der Flughafen Ostafjewo ist im Privatbesitz von Gazprom, dem größten Erdgasförderunternehmen der Welt, für das der Schröder seit Jahren täglich hart arbeitet.

Kaum auszudenken, auch in unserer Hauptstadt Berlin würden alle Flughäfen funktionieren. Aber zwei Stück gibt es tatsächlich, den Tegel und den Schönefeld. Der dritte soll den Flughafen Schönefeld irgendwann ablösen. Über diesen, sich seit etwa gefühlten zwanzig Jahren im Bau befindlichen „Flughafen Berlin Brandenburg“, kurz „Willy Brandt“ genannt, legen wir an dieser Stelle aber besser den Mantel des Schweigens.

Die ersten Pläne zur Erweiterung des Flughafen Schönefelds existieren übrigens bereits seit den 1960er-Jahren. Wenn alles gut läuft, kann er hochgerechnet nach rund hundert Jahren Bauzeit rechtzeitig zu Beginn der Fußball-WM 2062 eröffnen. Das mache ich dann aber nicht mehr mit.

So, weiter geht’s mit der Planung. Komme also um 13.30 Uhr in Moskau an. Um 16 Uhr findet im Spartak-Stadion dann das mit Spannung erwartete Spiel zwischen Argentinien und Island statt. Bis dahin muss ich also dort sein. Wird nicht einfach.

Wenn alles optimal läuft, habe ich um 14.00 Uhr meinen Koffer und stehe um 14.15 Uhr irgendwo draußen vor dem Flughafen. Die schnellste Verbindung geht dann mit dem Aeroexpress-Zug ins Zentrum. Dauert 45 Minuten. Wären dann bei 15 Uhr. Von dort muss ich dann noch zum Stadion. Mit dem Zug vom Pawelezer Bahnhof sind es … genau eine Stunde! Also, wenn alle Engel mitsingen, dann haut das mit 16 Uhr Spielbeginn exakt hin. Die Wikinger und Gauchos würden sich bestimmt freuen.

Darf aber nix dazwischenkommen. Würde am besten schon bei der Abfahrt in Deutschland, am besten noch direkt auf der Abifeier, mein Island-Trikot anziehen. Den Schal könnte ich ja später noch umhängen.

Da fällt mir gerade ein: Den Koffer hätte ich zu dem Zeitpunkt dann ja auch noch bei mir. Oha. Ob ich mit dem ins Stadion komme?

Mal sehen …

 

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