Tag 38 – Glück im Unglück

Treffe mich um die Mittagszeit mit Norberto. Er bietet mir kein Bier an. Macht mich stutzig. Normalerweise ein untrügliches Zeichen dafür, dass es ernst wird.

Besprechen uns zwei Stunden lang, intensiv. Ohne jeglichen Alkohol. Konnte mir daher alles gut merken. Im Ergebnis wollen Norberto und ich noch ein paar Tage länger in Russland bleiben, bis zum 8. Juli. Dann bekämen wir noch das Viertelfinalspiel unserer Mannschaft mit. Bei Michel und Strogoff klappt das leider nicht, sie bekommen dann angeblich keinen Urlaub mehr. Mmhhh … so kenn‘ ich sie gar nicht. Kann natürlich auch sein, dass ihre Frauen dazwischen gefunkt haben.

Bei mir sieht es so aus, dass ich vorhabe, bereits am 16. Juni anzureisen. Möchte die Isländer und die Argentinier erleben. Beide Länder haben tolle Fans. Wird aber nicht einfach, da meine Älteste am 15. Juni noch Abifeier hat.

Tsetse. Erst Tanzkurs-Abschlussball, jetzt Abi. Die Termine mit ihr häufen sich. Nachher heißt es auf einmal, eine Hochzeit komme auch noch kurzfristig hinzu. Nee, nee, muss jetzt doch rasch reagieren und schnell buchen. Damit nicht tatsächlich noch eine Feier dazwischen geschoben wird. Väter müssen angeblich immer dabei sein. Hab‘ noch die Worte meiner Frau in den Ohren, als sie mal meinte, wenn ich aus nichtigen Gründen nicht bei der Abifeier dabei wäre: „Dann blüht dir was, Osvaldo!“

Jetzt kommt sie so. Bei den Kirschzweigen zu Heiligabend hat das nicht geklappt (siehe Tag 21, 22 und 25), aber mit mir meint sie so etwas machen zu können. Manchmal glaube ich, Männer sind total benachteiligt. Und der Löw verlässt sich ja auch auf uns. Ob dem bei seiner Frau auch manchmal was blüht? Er ist immerhin auch einen Großteil des Jahres mit seinen Jungs zusammen. Ich glaube, das gefällt ihm ganz gut.

Na ja. Der Tanzabend … Der war im September und jedenfalls deutlich besser als erwartet. Weiß auch nicht, wie es meine Älteste fertig gebracht hat, mich auf die Tanzfläche zu lotsen, tat erst auf total unbeteiligt, aber irgendwann stampfte ich doch da herum. Zwischen all den anderen. Fiel gar nicht sonderlich auf, weil auch andere Papas wie Braunbären tapsend umher watschelten. Fast alle Papas haben sich dann gegenseitig mit den Augen zugezwinkert. Die meisten von denen traf ich nur Sekundenbruchteile nach Verklingen des letzten Musiktons an der Bar. Nass geschwitzt und sichtbar erleichtert. Teils vom Tanzen, teils vor Freude, weil es die tapferen Papas bis hierher geschafft hatten. Manchmal wachsen Papas eben über sich hinaus. Und welche Hürde das war, das können die meisten wirklich nur erahnen. Vergleichbar höchstens mit der Situation, in deiner Stammkneipe ein Wasser bestellen zu müssen.

Aber für meine Kleine tue ich eben alles. Sogar tanzen. Und am Ende hat es mir wirklich Spaß gemacht.

Na ja. Und jetzt eben die Abifeier. Habe dann beschlossen – ganz alleine, ohne das Orakel zu befragen, also ganz ohne meine Frau -, dass die Abifeier auf jeden Fall wichtiger als Fußball ist. Es hätte außerdem schlimmer kommen können – dann nämlich, wenn die Abifeier nicht am Anfang der WM, sondern irgendwann mittendrin stattgefunden hätte.

Dann hätte ich definitiv für eine Verschiebung plädiert – für eine Verschiebung der Fußball-WM, wohlgemerkt.

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