Tag 35 – Von Ananas und Asanas

Möchte im neuen Jahr auch mal mehr Gymnastik machen, Übungen und so. Schnappe mir die Yoga-Matte, die ich mir vor zig Jahren im Überschwang von irgendeinem Wahn mal gekauft hatte. Ist noch in einem hervorragenden Zustand, komplett wie neu. Total verstaubt zwar, macht aber nix.

Auch“’etwas staubfrei“ machen ist ja schon so etwas wie eine Yoga-Übung. Glaube ich mal. Ich nenne diese Yoga-Übung, etwas staubfrei zu machen, übrigens … „Schleuderndes Segel“.

Muss mich beeilen, möchte meine ersten Yoga-Übungen möglichst ohne Zuschauer durchführen können.

Entfalte die zusammengerollte Matte zu voller Größe, breite sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer aus. „Hoffentlich kommt niemand rein“, denke ich mir, setze mich drauf und überlege an meiner ersten echten Yoga-Übung. Lege mich also flach mit dem Rücken auf die Matte. Ist eigentlich schon schwer genug, so tief runterzukommen. Aber das habe ich schon mal geschafft. Wer hätte das gedacht! Freue mich schon ein bisschen. Der Anfang ist gemacht. Wie geht es weiter? Mist. Jetzt habe ich die Anleitung irgendwo liegenlassen. … … Was soll’s. Bleibe ich eben erstmal regungslos so liegen. Ist schon anstrengend genug, so ganz flach und ohne Kopfkissen. Merke, dass die Anspannungen im Nacken größer werden statt weniger. Spüre, dass … Oh nein … Über mir steht meine Frau und schaut mich wie der Allmächtige von oben herab an: „Was machst Du da um Himmels Willen, mitten im Wohnzimmer?“

„Ähhh, ääh, … ich führe meine erste richtige Yoga-Übung aus“, versuche ich zu erklären.

„Das sehe ich. Sieht schon gar nicht schlecht aus für den Anfang. Hätte ich dir echt nicht zugetraut, Osvaldo.“

Meint sie das jetzt ernst?

„Kann ja sein“, überlege ich. Vielleicht sehe ich echt schon professionell aus, wenn ich so daliege, auf einer Yogamatte. Muss dann vielleicht gar nicht so viel machen. Höre sie dann sagen:

„Wahrscheinlich stellst Du dir gerade vor, wie du deine Arme von der Matte nach unten in den vakuumierten Raum baumeln lässt, den Kopf hintenüber in den wolkenlosen Himmel streckst und du frei umherschwebst.“

„Woher weiß die das?“, frage ich mich.

Um abzulenken, mache ich ihr klar, dass ich schon die erste richtige Übung hinter mir hätte: Schleudernes Segel“. Meine Frau hat dann ganz schön ungläubig geguckt. Bisher, meinte sie, hätte sie nur die „Krähe“, den „Krieger“ oder die „Sphinx“ gekannt.

„Von der Asana Schleudersegel habe ich noch nie was gehört, Osvaldo, du täuschst dich“, stößt sie sichtlich überrascht hervor.

„Siehst Du, wieder mal was gelernt“, widerspreche ich ihr.

Wieso überhaupt meine ich plötzlich, dass die von ihr genannten drei Stellungen voll gut zu ihr passen Egal.

Gut, dass sie mich nicht gefragt hat, wie denn meine Stellung genau aussieht und wie sie ausgeführt wird. Nachher hätte ich womöglich das „Schleudernde Segel“ durchs ganze Haus praktizieren müssen.

Notiere mir, dass ich diese Übung besser nie wieder in ihrer Gegenwart erwähne.

Und überhaupt: Was meint sie mit Asanas? Gibt es im Yoga womöglich eine Übung, die sich so nennt? Muss das dann aber nicht eher Ananas heißen? So wie die Frucht? Nicht zu verwechseln mit Furcht. Und sie verwechselt da sicher irgendwas. Versuche, mir diese Übung gerade vorzustellen. Liegst du bei der Ananas etwa wie in Scheiben zusammengekrümmt in einer Dose, Beine angewinkelt, Arme und Hände und Finger und Kuppen um den zusammengekrumpelten Körper gelegt, ganz klein gemacht, in der Mitte ein etwas größeres Loch …

Wie aber soll das dargestellt werden, das Loch, das geht doch gar nicht, und überhaupt … nein, nein. Bei ‚Loch im Bauch‘ kriege ich doch ad hoc immer Hunger. Beschließe, die Ananas wegzulassen.

Interessieren tut’s mich aber doch. Muss googeln, wie die Ananas geht. … … Verdammt, nix! Der Google spuckt nix aus. Immer nur das Wort Asanas. Sind die bei Google denn jetzt total übergeschnappt? Verwechseln die jetzt schon ein ’n‘ mit einem ’s‘? Egal. Es muss weitergehen.

Das mit der Ananas und der Krähe und all den anderen Übungen lasse ich für’s Erste mal sein. Meine Frau ist in der Nähe. Es soll ja niemand bei dem Drama zugucken müssen.

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