Tag 199 – 202 – Begebenheiten – Teil 1

17.- 20. Juni 2018        Mittlerweile ist Mittwoch. Zum Schreiben keine Zeit. Man stolpert von einem Ereignis ins nächste. Im Moment kämpfe ich mit dem Jägermeister, der mir unglücklicherweise zum Frühstück von den drei freundlichen Russen Jewgeni, Oleg und Yuri gereicht worden ist. Essen ließ ich dann weg. Die drei sind zum Spiel Portugal- Marokko ins Luzschniki-Stadion in Moskau, ich muss eine kurze Erholungsphase einlegen, also mal ein Pils zwischendurch trinken.

Es ist großartig in Moskau. So viele gut gelaunte, freundliche Menschen. Es macht einfach Spaß. Am mürrischsten sind die älteren Polizisten und Ordner, die wohl noch von der alten Sowjetunion-Zeit übrig sind. Die würden selbst dann nicht lächeln, wenn Mr. Bean vor ihnen auftauchen würde. Die jüngeren sind da deutlich lockerer. Auf „Nachdruck“ und mit einem freundlichen „Straßdwietsche“ (sei gegrüßt!) kann man ihnen dann und wann auch ein Lächeln entlocken.

Es gab aber auch schon heikle Szenen, sehr heikle sogar: Nach dem Spiel Polen – Senegal musste ich dringend auf die Toilette, als wir (mittlerweile ist mein senegalesischer Freund Maxim angekommen) schon außerhalb des Stadions waren. Draußen gab es aber keinerlei Möglichkeit. Habe dann einen der Ordner angesprochen, der wußte keine Lösung. Dann den nächsten. Der sagte mir, ich solle doch die Metro nehmen. Wie die anderen Fans auch. Das half aber nicht weiter. Bin dann zum nächsten Uniformierten. Machte ihm klar, dass es hier vorm Stadion keinerlei Toiletten geben würde. Das verstand er. Machte ihm dann klar, dass es jetzt langsam dringend bei mir werden würde. Das verstand er. Machte ihm dann klar, dass ich gerne ins Stadion zurück gehen würde. Das verstand er. Wollte dann durch die Kontrolle zurück ins Stadion. Dafür hatte er kein Verständnis. Machte ihm klar, dass ich direkt neben den Zaun neben uns pinkeln würde, wenn ich sonst keine Möglichkeit sehe. „You will be arrested“, war seine knappe Antwort.

Ging dann zur nächsten Sicherheitskraft. Auch er zeigte Verständnis und empfahl mir, doch hinter ein kleines Häuschen zu gehen, das etwa 200 Meter weg war. Rannte dann dorthin und traf auf einen Brasilianer, dem es wohl ähnlich erging. Zwischen Müllbergen und Gestrüpp erlebte ich dann einen der besten Momente meines Lebens. Wow!

Nicht gut organisiert war das auch vor dem Stadion bei der Anreise: Keine Getränke (und keine Toiletten, klar). Nach dem Anstellen für den Zutritt wurde Maxim gesagt, er könne seine Trommel unmöglich mit ins Stadion nehmen. Sie sei nicht angemeldet. Maxim gab alles, wollte sogar die senegalesische Botschaft einschalten – aber es half nichts. Er musste seine Trommel abgeben – und ich meinen Rucksack. Das Problem: Die Schlange zu der einzigen Abgabestelle war etwa 1 Kilometer lang. Und das Spiel begann in 50 Minuten. Maxim schaffte es irgendwie, senegalesische Freunde zu kontaktieren und schaffte die Teile innerhalb weniger Minuten hin. Unglaublich.

Beim erneuten Zutrittsversuch sahen wir dann, dass bei vielen anderen kein Terz um die Rucksack-Mitnahme gemacht wurde. Die durften damit rein, der Rucksack wurde bloß kurz gecheckt wie bei einer Flughafen-Kontrolle.

Es war wohl ein Fehler, dass ich mich unmittelbar vor den zahlreichen Aufpassern lautstark auf Deutsch über die ungerechten Missstände beschwerte. Denn die Kontrolle stand erst an. Und so wurde sie auch. Es wurde alles durchsucht, bis ins kleinste Detail. Direkt zwei Polizisten nahmen sich meiner an. Der Höhepunkt war dann, als sie die kleine senegalesische Flagge (die Maxim für 20 Euro kurz vorm Stadion kaufte) untersuchten. Sie versuchten, in den Stiel hineinzugucken. Betrachteten ihn von allen Seiten, schauten hinein, als sei er ein Fernrohr. Nix. Die Flagge war rein. Dass sie abschließend nicht noch den Prostata-Test machten, war mein Glück.

 

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