Tag 194 – Dehnungsfuge versus Sollbruchstelle

Dem Globus in Moskau bestätige ich heute noch einmal unseren vorgesehenen Besuch am 22. Juni. Morgens um 9 Uhr. Ist ja eigentlich nicht meine Zeit. Wenn’s ungünstig läuft, sind wir dann noch gar nicht von der Nacht wieder zurück in unserer Kapsel. Na ja, wird schon gut gehen.

Beim Koffer-Probepacken habe ich festgestellt, dass er sogar eine „Dehnungsfuge“ hat – einen Zusatzreißverschluss, der den Inhalt vergrößern kann. Gehen mehr Fanartikel rein. Brauche ich bestimmt. Führe den Koffer meiner Frau vor. Sie steht nur unbeteiligt da und staunt. „Sehr nützlich, so eine Dehnungsfuge“, erkläre ich ihr.

Höre, wie sie „Eine Sollbruchstelle wäre mir lieber gewesen“ vor sich hin murmelt, als sie das Zimmer wieder verlässt.

Na ja.

Mal was anderes: Island. Ich glaube, das isländische Team hat in Russland eine große Sympathie. Und das Land wird während der WM wohl leer sein, sollten sie die Gruppenphase überstehen. Kommen dann alle nach Russland. Island hat ja bloß 350.000 Einwohner. Zum Vergleich: Selbst Wuppertal ist größer. Aber unterschätzen wird die nach ihrem tollen EM-Auftritt vor zwei Jahren bestimmt keiner mehr. Wird also schwer für sie.

Mein Flieger wird am Samstag etwa zwei Stunden vor Spielbeginn Island – Argentinien in Moskau landen. Werde versuchen, so schnell es geht in die Stadt reinzukommen, einzuchecken und dann nichts wie in die Fan-Meile. Falls ich nicht vorher zusammenbreche. Das mit der ungünstigen Anreise macht mir nämlich Kummer:

Freitag-Abend erst Abi-Feier unserer Ältesten (18 Uhr), von dort direkt um 21.45 Uhr mit dem Zug von St. Wendel mit dreimaligem Umsteigen nach Köln/Bonn zum Flughafen (Ankunft 3 Uhr nachts) und morgens um 7 Uhr Start nach Wien (Ankunft 8.25 Uhr) und um 10 Uhr weiter nach Moskau (Ankunft 13.45 Uhr). Spielbeginn 16 Uhr Ortszeit. Ein heißer Start.

Ebenso beschwerlich wie die Anreise ist die Namensfindung für unsere Russland-Truppe. Waren wir in Brasilien die „BRASaars“, also eine Mischung aus dem englischen Wort Brother, das für Zusammenhalt steht, Brasilien und Saarland, so macht uns dieses Jahr die seit dem 25. Mai in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung einen Strich durch die Rechnung. Vermasselt uns alles, denn Kommentare zu den einzelnen Blogbeiträgen sind leider nicht mehr ohne Weiteres möglich.

Wer sich dennoch an der Namensfindung für die Rasputin-Tour unserer Truppe um Oleg, Norberto, Lew, Maxim und Osvaldo beteiligen (und eine Schwenker-Party gewinnen) möchte, kann seinen Vorschlag per Mail an redaktion@russland.news einreichen. Stichtag: 17. Juni. Wir sind gespannt!

Unterdessen hat sich meine Frau eingemurmelt. Den ganzen Tag schimpft sie über Fußball. Glaube ich mal rausgehört zu haben. Doch plötzlich wird sie lauter:

„Sind doch keine Mannsleute mehr dabei, bei der deutschen Mannschaft. Alle zutätowiert bis zum Gehtnichtmehr. Und liegt ein Strähnchen schief, müssen sie ausgewechselt werden. Die sitzen mehr beim Friseur als ich. Der Draxler besprüht sich vor dem Einlaufen sogar mit Parfum. Für wen denn das um Himmels willen? Für den Ramos?“

„Nee, für den Ronaldo“, werfe ich ihr grinsend zu. Booom! Der Konter saß (siehe auch Tag 56 „Eine unheilbare Platzwunde“). Schaut mich ganz mürrisch an, noch mürrischer als sonst. Ihre weiteren Ausführungen gehen dann wieder stufenlos ins Gemurmel über.

Während meine Frau sich also Sorgen um die Männer macht, mache ich mir Sorgen um die deutsche Bundeskanzlerin. Die war heute von eigenen Leuten so unter Beschuss, dass sie es während der Fußball-Weltmeisterschaft vielleicht nicht mehr nach Russland schafft. Wenn sie erstmal zurückgetreten ist, ist es rum mit den Treffen mit Jogis Jungs. Dafür aber erscheint ein neuer Stern am TV-Horizont: Unser Norberto. Muss jetzt den Blog hier beenden und ihn mir als Studiogast im TV anschauen: 0.15 Uhr, SAT.1, Dinner Party mit Oliver Pocher. Mal sehen, wie er sich schlägt.

Morgen mehr.

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