Tag 189 – Rum, Ramadan und Russland

Bin gerade mit der Kleinen beim Schlagzeugunterricht, als das Handy vibriert. Upps – eine russische Nummer! Da wir eh gerade im Aufbruch sind, gehe ich ran. Aha. Es ist das Hostel in Moskau, das mir letzte Woche diese schlimme Nachricht schickte, dass ein Systemfehler vorgelegen hätte und deshalb meine Buchung hätte storniert werden müssen.

Sie fragt (zum Glück nicht auf Russisch, sondern auf Englisch), ob ich denn die Mail nicht bekommen hätte.

„Doch, doch … ähh … oui, oui … ich meine … yes, of course!“

Bin noch ganz benebelt von den Drums. Sie erklärt dann (vermute ich mal), dass das mit dem gebuchten Schlafsaal nicht klappt. „A Mistake“ und „System-Failure“ glaube ich verstanden zu haben. Sage ihr, sie soll mir alle Infos bitte nochmal per Mail zuschicken.

Wieder zu Hause, trifft die Mail auch schon ein.

Sie erklärt das Gleiche wie letzte Woche (siehe Tag 181  „Enttäuschende Drahtpflege“), nur mit noch schöneren Umschreibungen. Hab mich bewusst nicht gemeldet. Sollen doch zumindest ein bisschen ein schlechtes Gewissen haben. Stelle mir das schön vor – sie schreiben mir eine schön formulierte Stornierung und ich tauche dann plötzlich trotzdem auf. Mit ganzem Gepäck. Und durstig natürlich auch. „Die Veronika will auf Nummer sicher gehen“, denke ich, „ganz schön schlau“. Sie wiederholt, dass keinerlei Stornogebühren anfallen würden (ach was! Da habe ich aber Schwein gehabt) und dann die obligatorische Frage, ob sie irgendwie helfen könne.

Ich versuche dann auf Englisch zu antworten, und der Google spuckt dann meine Mail auf Englisch – übersetzt ins Deutsche – wie folgt aus:

Liebe Veronika Matushkina,

Danke für Ihren Anruf und Ihre Post. Es ist schade, dass das Zimmer nicht mehr verfügbar ist.

Ich suche ein Zimmer für mich (16.-22. Juni) und für 1 Freund (18.-22. Juni). Ich bin Osvaldo und besuche mit meinen Freunden die Meisterschaft in Russland.

Im Moment habe ich Kontakt zu einem russischen Freund, vielleicht funktioniert das. Aber ich weiß es einfach nicht. Vielleicht kannst du auch helfen, ein Zimmer für mich und meinen Freund zu finden.

Eine weitere Option ist Couchsurfing. Vielleicht klappt das auch.

Ansonsten: Können Sie einen Satz aus Englisch auf Russisch übersetzen? Ich überlege, ein Poster / ein Schild mit Inschrift zu machen:

„Ich suche ein Zimmer (16.-22. Juni) in Moskau“.

Ich würde gerne zum Roten Platz gehen und den Passanten (in russischen Buchstaben) das Plakat / das Schild zeigen. Ist es möglich, dass Sie das auf Russisch übersetzen?

Danke für Ihre Hilfe!

Osvaldo“

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten, es ist eine Nachfrage:

Ich hätte doch ursprünglich für vier Personen gebucht, wieso denn jetzt plötzlich nur noch für zwei Personen?

„Au Mann. Bis ich ihr das erklärt habe … Und dann noch auf Englisch“.

Überlege, wie ich es ihr sagen kann, ohne damit rauszurücken, dass wir den gebuchten 4er-Schlafsaal eigentlich nur zu zweit nutzen wollten.

Schreibe dann zurück, dass meine zwei anderen Freunde schon was Neues hätten. „But the Max and me, we still need some beds, please.“

So, das sollte es gewesen sein, die Veronika meldet sich bestimmt nicht mehr.

Stehe jetzt da, eine Woche vor dem Aufenthalt in Moskau, und habe immer noch keine Bleibe. Der Freund von Norberto, der Alex, hat zwar gesagt, das mit der Unterkunft in Moskau ginge klar, meldet sich aber seit fünf Tagen nicht mehr. Habe weder die Namen noch die Adresse seiner Freunde in Moskau.

Es kam sogar so weit, dass meine Frau (ja, meine Frau!) jetzt vorgeschlagen hatte, es mal mit „Couchsurfing“ zu probieren. Wohnen von Privat zu Privat. Sie hat ihren Widerstand nach meinem vorzüglichen Gesundheitsattest von vorgestern wohl aufgegeben und gibt sich geschlagen. Lässt mir und den Jungs also freien Lauf, Gott sei Dank. Hatte mich dann auch sofort bei couchsurfing.com angemeldet und ein kurzes Profil angelegt. In Moskau stehen für den gesuchten Zeitraum immerhin noch mehr als 3000 Gastgeber zur Verfügung. Schaue mir ein paar Profile an, lasse es dann aber, weil ich mich unwohl dabei fühle, mich nur für die WM anzumelden. Habe da irgendwie ein schlechtes Gewissen.

Bei Couchsurfing ist es so, dass du woanders wohnen kannst, wenn du gleichzeitig dein Zuhause für Couchsurfer aus anderen Ländern anbietest. Also lasse ich es erstmal lieber. Ich wollte erstmal abwarten, ob sich Alex vielleicht doch wieder meldet.

Bei so viel Durcheinander wegen der Unterkunftssuche habe ich erstmal einen Stopp gemacht. Bin dann zu Fuß ins Dorf, eine Currywurst futtern. Derzeit gibt es im „Treff am Brunnen“ in meinem Heimatort Marpingen immerhin den besten Currywurst im ganzen Südwesten.

Ziemlich cool, dass im Laufe des Abends an der Theke das Gespräch auf Russland kommt. Und – noch cooler und wie eine Fügung – plötzlich eine junge Dame neben mir auftaucht, von der mir die Inhaberin Nadja erzählt, dass sie Russin sei. Und was dann kommt, kann man sich denken: Ich bat die Victoria, mir doch bitte auf Russisch zu übersetzen, was „Suche eine Unterkunft vom 16. bis 22. Juni“ heißt.

Hier das Ergebnis:

Total nett, die Victoria. Ihre Oma wohnt noch heute etwa 200 Kilometer südöstlich von Moskau. „Die würde euch bestimmt gerne in Empfang nehmen“, scherzt Victoria und versichert anschließend, dass das auch wirklich so sei. Hätten wir doch bloß einen Tag länger Zeit in Russland, wir hätten ihrer Oma bestimmt einen kurzen Besuch abgestattet. Passt aber leider nicht mehr ins Programm.

Zurück zur Übersetzung. Muss jetzt bloß noch den Zettel groß kopieren und schon kann ich mich guter Dinge an den Roten Platz in Moskau stellen und abwarten, was sich so ergibt. Bin ja total optimistisch. „Das wird schon, Osvaldo“, rede ich mir ein.

Auf dem Heimweg komme ich an dem Haus einer seit kurzem dort wohnenden syrischen Familie vorbei (die ich nicht kenne) und frage, ob sie denn auch den lauen Sommerabend genießen würden. „Ja“, ist die Antwort und ich kriege auch schnell ein Getränk angeboten. „Mmhhh … riecht ziemlich süß“, denke ich. „Ist denn auch Alkohol drinne?“, frage ich dann, bevor ich probiere.

„Es ist Ramadan!“, bekomme ich dann zur Antwort.

„Ach so.“

Nehme trotzdem einen Schluck. Muss dann feststellen, dass süß gar kein Ausdruck ist. Reiner Zucker mit einer Flüssigkeit drauf. Mein Vorschlag, etwas Rum dazuzugießen, wurde nicht aufgegriffen. Schade. Nach einem kurzen Plausch wünschen wir uns noch gegenseitig einen schönen Abend (ich frage, was „Danke“ auf Arabisch heißt und verabschiede mich mit einem – so hab ich es zumindest verstanden – freundlichen „Schuckran“).

Wieder zu Hause (kurz vor Mitternacht), schaue ich in meine Mails. Oha. Zwei Nachrichten meines ehemaligen Hostels in Moskau. Und eine Mail von Couchsurfing. Was wollen die denn auf einmal?

Aber jetzt bin ich dazu zu müde. Werde morgen wieder berichten.

Hostel-Mail, Couchsurfing und : Wo meine Frau dazwischenfunkt, gibt es Durcheinander.

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