Tag 181 – Enttäuschende Drahtpflege

 

Bei Lew hat das jetzt doch geklappt mit seiner FAN-ID. Gott sei Dank. Wurde langsam auch Zeit. Norberto war wie vermutet ganz gechillt bei der ganzen Chose. Hat abgewartet, bis es bei Lew funktioniert hat, fuhr dann zu ihm und hat es ihm einfach nachgetan. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass die Teile rechtzeitig fertiggestellt werden. Sonst werden sie nicht reingelassen nach Russland (die FAN-ID gilt während der WM als Einreisevisum).

Abends meldet sich mein gebuchtes Hostel in Moskau (siehe Tag 154 – „Melnikova Inn“ und Tag 163 – „Einen kompletten Schlafsaal gebucht – und Geld gespart“). Wie schön! Ich finde, es ist wichtig, bereits im Vorfeld eines wichtigen Trips einen guten Draht zu pflegen. Vertrauen aufzubauen. Wenn man ankommt, sollte man das Gefühl haben, sich schon seit Jahren gut zu kennen. Schafft dann eine Wohlfühlatmosphäre. Fühle mich dort total gut aufgehoben. In einer ersten Mail vor etwa zwei Wochen wollten die sogar wissen, ob ich ein Taxi benötige, um vom Flughafen ins Hostel zu kommen. Sehr nett.

So, genug Geplänkel, jetzt aber ran an die Mail. Muss doch wissen, was sie jetzt wieder Zuvorkommendes geschrieben haben. Eingang der Mail: Mittwoch, 30. Mai, 20.14 Uhr vom „Reservations Team“, unterzeichnet von Veronika. Allein der deutsche Name klingt schon sehr zuverlässig und – wenn ich das sagen darf – auch irgendwie erotisch. Macht mich schon ganz wuschig, diese Veronika. Freue mich sehr, sie kennenzulernen! Die wird sich wundern.

Sie bezeichnet sich in der Mail selbst als „Reservations Specialist“ und schickt mir gleich ihre Telefonnummer mit. Wow! „Das kann was werden“, denke ich mir, „wir werden uns bestimmt blendend verstehen.“

Betreff: „Important information regarding your booking #“ und dann die Nummer.

„Dear Osvaldo“ beginnt sie. „Klingt schon ein bisschen verliebt, diese Vroni“, schießt es mir durch den Kopf. Meine Gedanken schweifen ab. Ist sie dunkelhaarig? Oder russisch blond mit unten drunter rauswachsenden schwarzen Haaransätzen? Meinen Freund, den Failowatschkow, macht sowas ja immer total an. Er steht da drauf. Schade, dass er nicht dabei ist in Russland. Dem würde ich bei der Veronika dann auf jeden Fall den Vortritt lassen.

Mmhhh … komme aus der Mail nicht so ganz raus.

Jedenfalls steht da:

„We are writing on behalf of „Yug Hostel“ to express our sincere apologies for its inability to accommodate you in Economy room that you have reserved for 16.06.2018 – 22.06.2018. Unfortunately, the hotel has published this room as available for booking in our system by error and therefore had to cancel your reservation.

Please note that no cancellation fees shall be applied.

We apologize for the inconvenience and kindly ask you to clarify if the booking is still relevant for you.

If the booking is relevant, we are ready to help in choosing alternative accommodation options.

Please contact us by phone or respond to this email and we will be happy to assist you in choosing alternatives.

С уважением,

Вероника Матушкина“

Am Schluss die russischen Buchstaben machen mich stutzig. Der Text zuvor in Englisch scheint mir nicht so wichtig. Aber was will sie mir mit dem Russischen am Ende sagen? Zerbreche mir fast den Kopf.

So, jetzt aber mal an den Text in Englisch. Bin ja nicht so firm darin. Möchte schließlich wissen, was mein Hostel mir dieses Mal an Annehmlichkeiten zu bieten hat. Lasse mal den Google-Übersetzer drüber laufen. Der spuckt aus:

„Wir schreiben im Namen von „Yug Hostel“, um Ihnen unsere aufrichtige Entschuldigung dafür zu entschuldigen, dass Sie nicht im Economy-Zimmer untergebracht werden können, das Sie für den Zeitraum vom 16.06.2018 – 22.06.2018 reserviert haben. Leider hat das Hotel dieses Zimmer fälschlicherweise zur Buchung in unserem System veröffentlicht und musste daher Ihre Buchung stornieren.

Bitte beachten Sie, dass keine Stornogebühren anfallen.

Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten und bitten Sie um Klarstellung, ob die Buchung für Sie noch relevant ist.

Wenn die Buchung relevant ist, sind wir bereit, Ihnen bei der Auswahl alternativer Unterkunftsmöglichkeiten behilflich zu sein.

Bitte kontaktieren Sie uns telefonisch oder antworten Sie auf diese E-Mail und wir helfen Ihnen gerne bei der Auswahl von Alternativen.“

Oha. … Kann mir sowas nur mit einem Irrtum erklären. Totaler Unfug. Oder ein Übersetzungsfehler. Ein Systemfehler bei Google vielleicht? Eine Überforderung der gerade tätigen Übersetzer? Sind die vielleicht nicht ausgeschlafen?

Aber was, wenn es doch stimmen sollte? Boah.

Nix Vroni. … Nix Hosti-Hosti. … Was ist das denn jetzt? … Das darf doch nicht wahr sein! Falle rückwärts in den Sessel, in dem ich es mir bequem gemacht hatte, um in möglichst angenehmer Atmosphäre eine möglichst angenehme Mail zu lesen. Und jetzt das.

„Was ist denn los? So hab‘ ich dich ja schon monatelang nicht mehr gesehen.“

Meine Frau. „Auch das noch“, denke ich. „Wenn’s kommt, dann geballt.“

„Die haben mir meinen gebuchten Schlafsaal weggenommen.“

„Aha. Warum das?“

„Keine Ahnung. Systemfehler. Überbucht. Was weiß ich.“

„Und jetzt? Bleibst du nun zu Hause? Stornier‘ doch gleich deine ganze Reise. Kannst hier zu Hause schön schwenken und Freunde einladen.“

Meine Augäpfel stülpen sich etwa zwei Zentimeter nach draußen. Kann nicht glauben, was sie von sich gibt. Zum ersten Mal darf ich ohne Gegenwehr Freunde einladen. Soll ich …?

„Na, hör mal!“, raunze ich sie nach kurzem Überlegen aber an, „es geht hier immerhin um die Titelverteidigung in Russland! Die brauchen uns! Wir müssen dorthin.“

Springe aus dem Sessel und stampfe empört davon. An den Kühlschrank. Reiße ein Karlsberg Ur-Pils auf. War ohnehin gerade Zeit dafür. … So, weg isses.

Und jetzt? Was tun? Die Vroni kommt mir gerade nicht mehr so toll vor. Guter Rat ist jetzt teuer. Eine neue Unterkunft suchen bestimmt auch.

Mann oh Mann.

COMMENTS