Tag 18 – Ungerechtfertigte Bevorteilung von Katzen

Hab‘ heut‘ Spuren gemacht. Nicht zu verwechseln mit Spuren gelegt. Letzteres wäre ja vorsätzlich erfolgt. War bei mir aber nicht so, hab‘ die Spuren nämlich eher unabsichtlich produziert. Hatte nämlich geschneit heute Nacht. Oft schneit es ja nicht bei uns. Bin dann am Nachmittag mal raus, um zu testen, ob der Schnee nass oder eher Pulverschnee ist. War schon ziemlich nass, der Schnee, wie ich feststellte. Bin dann wieder rein. Quer durch. Ich meine, quer durch die Wohnung. Meine Frau konnte die Tapsen überallhin nachvollziehen. Wunderte mich dann nicht, dass sie mir nachspionierte. Gerade, als ich mich ins Bett legen wollte, um mich ein kleines bisschen von den Strapazen des Tages auszuruhen, tauchte sie plötzlich – direkt hinter meiner letzten Wasserspur und direkt neben mir – auf. Wie eine Erscheinung. Wollte wissen, was ich um diese Zeit im Schlafzimmer so mache.

„Ich möchte nur ein kleines Gümpchen machen.“

Die Franzosen wissen, was „Gümpchen“ ist. Die sagen dazu „faire dodo“, ein kleines Mittagsschläfchen halten.

„Osvaldo, ich weiß, wie das ausgeht, wenn du ein Gümpchen machst. Meistens bist du dann    erst am nächsten Morgen wieder wach zu kriegen. Und auch das nur mit Mühe. Du kannst dich  gleich mal beim Schippen ausruhen. Der Bürgersteig ist noch voller Schneematsch.“

Nicht dass jemand ausrutschen und sich weh tun würde. Hätte mich jetzt schon den ganzen Morgen davor gedrückt. Es sei sinnloses Wissen, das ich mir aneignen würde, wenn ich bloß nach draußen ginge, um die Konsistenz von Schnee in Erfahrung zu bringen. Jeder einigermaßen mittelmäßig intelligente Mensch in Mitteleuropa würde auf Anhieb sehen können, dass es sich um Schneematsch handeln würde, wenn es seit Stunden regnet. „Und außerdem, das mit den Schneespuren im ganzen Haus, das machst du wieder zügig rückgängig.“

Boaaahhh! Deutlich hörbar stöhne ich auf. Das sind jetzt echt sau viele Aufträge auf einmal. Bei näherem Überlegen aber bin dann doch etwas stolz auf mich. „Sie traut mir echt einiges zu“, nicke ich mir selbst anerkennend zu.

Beginne dann zu rechnen: Wir haben etwa 15 Meter Bürgersteig, stellenweise bis zu zwei Meter breit. Also rund 30 Quadratkilometer. Nein, stopp. Nicht Kilometer, Quadratmeter natürlich. Kommt einem aber vor wie Kilometer. Wie ein halbes Skigebiet.

„Die Holländer würden sich auf unserem Bürgersteig bestimmt wohlfühlen“, schießt es mir durch den Kopf. Egal. 30 Quadratmeter. Pro Quadratmeter brauche ich etwa … sagen wir 15 Sekunden. Ich schaffe also in der Minute vier Quadratmeter. Dann brauche ich für 30 Quadratmeter in etwa 7 ½ Minuten. … … … Komme jetzt ins Grübeln. 7 ½ Minuten. Mehr nicht? Das ist ja geschenkt! Habe ja allein etwa eine halbe Stunde gebraucht, um das hier  auszurechnen.

Gut, gehe dann eben gleich mal raus. Das hätte sie mir vorher aber sagen müssen, dass das gar kein so großer Aufwand ist. Hätte ich früher wieder auf die Couch können. Aber nein, sie ließ mich ja erst alles genau ausrechnen.

Und dann noch die ganzen Schneespuren. Soll ich jetzt etwa auch ausrechnen, wie lange ich dafür brauche? Müsste dann ja erstmal die Größe der Wasserflecken messen. Einfacher wär’s ja, wenn der Schnee auch drinnen liegen bleiben würde, dann würde ich die Flecken schneller entdecken. Na gut, immerhin: Unser Laminat wird an den Stellen, an denen das Wasser sich relativ rasant festgesaugt hat, immerhin dunkler. Diese Stellen erkenne ich dann recht schnell. Aber auf den Fliesen? Sehr schwierig, sage ich euch. Da müsste ich schon quasi in gebückter Haltung herumkriechen, um alle Wasserflecken überhaupt ausmachen zu können. Und dann kommt ja erst das Schwierigste: Das Zusammenrechnen der einzelnen Flächen. Und dann hätte ich ja immer noch nicht das Zeugs weggeputzt.

Beschließe, erstmal Schnee schippen zu gehen. Vielleicht saugt sich das Wasser auf dem Boden in der Wohnung währenddessen ja noch fester ins Laminat, dann kann ich nachher die Flecken vielleicht sogar noch schneller identifizieren.

Wo war ich jetzt nochmal? Gibt’s doch nicht. Ach ja, bei den Spuren im Schnee. Damit hat das Übel ja angefangen. Und jetzt fällt mir wieder ein, was ich zuerst sagen wollte, als ich reinkam und die Spuren quer durch die Wohnung fabrizierte. Unsere Katze. Wenn die reinkommt, mit komplett durchnässten Tatzen meine ich, und dann quer durch die Wohnung rennt, die muss dann ihre Spuren nicht extra wieder sauberlegen. Da kriecht dann meine Frau hinterher. Dabei geht die Katze viel öfter aus dem Haus als ich. Gut, mit nachts kann ich ganz gut mithalten. Meistens bleibe ich auch länger außer Haus als unsere Katze. Die kommt oft gleich wieder rein. Manchmal geht sie hinterm Haus auf der Terrasse raus und taucht etwa 32 Sekunden später vorm Haus wieder auf. Fehlt nur noch, dass sie klingelt. Unglaublich. Sie schikaniert uns geschätzte 30 Mal am Tag damit.

Aber ich habe den Ruf. Nicht fair, oder?

 

 

 

 

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