Tag 178 – Sprachsignale

Weiß auch nicht. Manchmal beschleicht mich ein mulmiges Gefühl, wenn ich an den bevorstehenden Trip denke. Ist ja nicht mehr lange. Keine drei Wochen mehr. Ob wir alles richtig machen in Russland? Oder ob Sachen schief laufen? Mmhhh … Letzteres ist naheliegender. Ob meine Frau nach dem Zurückkommen noch ein Wort mit mir redet? Oder schlimmer: Ob sie noch da sein wird? Meine Koffer kann sie ja nicht vor die Tür stellen, die habe ich ja mit. Wäre also so gesehen direkt startklar. Aber wird schon gut gehen. Und das Wichtigste: Bringen wir den Pott wieder mit nach Hause?

Das mit dem Russisch lernen macht keine Fortschritte. Habe einfach keine Zeit dazu. Und wenn, klappt das nicht. Wollte meine Aussprache verfeinern (haha!) und schaute mir ein paar Mal Russia-Today an. Der TV-Sender heißt jetzt ja RT. Ist aber genauso einschläfernd. Der Name ist Programm. RT könnte auch für „Ruhe Total“ stehen. Schlafe prompt jedes Mal ein. Nach ein paar Sequenzen. Ist so ähnlich wie mit dem berühmten Piep-Signal im russischen Radio. Da sendet ein Sender den ganzen Tag lang – und das seit fast 50 Jahren – nur einen einzigen, gleichbleibenden Ton (siehe Tag 171 – „Konfliktfelder“). Weiß nicht, was müder macht. Jedenfalls muss man aufpassen, dass man Russia Today nicht mit The Buzzer verwechselt.

Erst war es bloß Portugiesisch, total einfach, jetzt Russisch, viel komplizierter, und in vier Jahren ist es Arabisch. Die WM in Katar, das kann was werden. Schreiben die nicht von unten nach oben und dann diagonal von links nach rechts querstrichlings umgekehrt? Die Schwierigkeitsstufen sind schön aufeinander aufgebaut. Das hat was. Freue mich schon auf die WM 2030 in Uruguay, Argentinien und Paraguay, wenn es ans Spanische geht. „Immerhin“, denke ich mir, „bis ich 90 bin, kann ich so gut wie alle Sprachen der Welt.“ Mache ein ganz stolzes Gesicht dabei.

Gibt es in Russland eigentlich Regionen, in denen die Bewohner Deutsch oder gar einen deutschen Dialekt sprechen? So wie das in Brasilien in der Region um Rio Grande do Sul war? Immerhin hatte der Michel dort Verwandtschaft aufgetan. Bei der einst ausgewanderten, liebenswerten Leonora („Ihr kamt als Fremde – und ihr geht als Freunde“) konnten wir damals in Porto Alegre für ein paar Tage übernachten – und Saarländisch reden. Sogar ganze Dörfer dort in der Nähe sprachen Saarländisch. Was anderes verstanden die gar nicht. Mit Hochdeutsch kamst du dort nicht weit. Höchstens, wenn du „vier Bier“ bestellen wolltest.

Michel, darauf angesprochen, ob er denn auch Verwandtschaft in Russland hätte, wortkarg: „Die liegen.“ Mehr wollte er nicht dazu sagen – außer ein ergänzendes Wort: „Wolgograd“. Man sah ihm an, dass ihm das „beiging“. Das heutige Wolgograd hieß früher Stalingrad.

 

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