Tag 174 – Lew kommt

Ein Einschreiben trifft ein. Es sind die FIFA-Tickets für das Spiel Polen gegen Senegal (zusammen mit Max) und das Viertelfinalspiel am 7. Juli in Samara (mit Norberto). Spielt Deutschland dort, haben wir damit mehr Karten als wir brauchen – und zwar die beiden Teamtickets des DFB (wobei gilt: Ticket gibt’s nur bei einem Weiterkommen der deutschen Mannschaft) und die beiden FIFA-Tickets, unabhängig vom Weiterkommen des deutschen Teams.

Mittags meldet sich Lew. Er möchte noch vorbeikommen und seine Karten für die Vorrundenspiele abholen. Damit er damit die FAN-ID beantragen kann. Wird auch langsam höchste Zeit. Michel hat mittlerweile schon beantragt, er ist nach wie vor sehr zuverlässig. Eher nur lässig ist da der Norberto: Wenn wir ihn nicht ständig dran erinnern würden, dass er noch dieses ominöse Teil beantragen muss, würde er nie nach Russland kommen. Aus der Traum von der Titelverteidigung mit Norberto. Aber er träumt lieber von Schweinshaxe auf Ingwerstückchen in Sahnegelee. Oder so. Ach, was soll’s. Wird er schon noch hinbekommen. Ist da ganz gechillt.

Hoffentlich bleiben die netten Herren beim russischen Zoll auch so locker, wenn Norberto so ganz ohne Dokumente einreisen möchte. Man braucht schon gute Nerven mit Norberto. Aber wenn einer von uns in Not ist, dann ist er sofort zur Stelle. Mit ganzem Herzen.

Zurück zum angekündigten Lew-Besuch: Mir schwante schon bei seiner Anfrage Böses: „Würde die Tickets abholen und hätte noch ein paar Fragen“. Bei „noch ein paar Fragen“ hätte mir klar werden müssen, dass es diese Formulierung in sich hat und unser Treffen nicht so ohne Weiteres vonstatten gehen wird. Alle Alarmglocken hätten läuten müssen. Aber … nix. Sowas wie eine positive Fehlzündung. Wenn man sich auf zwei Dinge im Leben verlassen kann, dann ist das einmal Unkraut, das unaufhörlich wächst, und zum andern die leider immer noch zu widerlegende Konstante, dass es nicht gut ausgeht, wenn Lew zu Besuch kommt.

Ich will jetzt nicht sagen, dass wir dann unaufhörlich einen nach dem andern weggeschlumpst haben, aber … eigentlich schon. Das mit dem Lew, das geht nie gut aus. Überraschend kommt sowas nicht. Wir treffen uns nicht oft, aber wenn, dann gewaltig. Ist quasi so wie bei Frauen, die nicht oft kommen – und wenn, dann gewaltig. Unbeabsichtigt. Kommt dann einfach so. Und zwar immer. Kann man drauf geh’n. Also auf das mit dem Lew und mir, meine ich.

Standen die ganze Zeit draußen unterm Balkon. Lew und ich konnten zusehen, wie während unserer Zusammenkunft eine Straße vom Regen nass wurde und wieder trocken, (und gefühlt) wie die Vögel sich in ihre Nester zurückzogen und bald wieder anfingen zu zwitschern, wie der Mond aufging und fast wieder unter. Abende mit Lew sind hoch amüsant – aber auch Abende mit ungewissem Ausgang.

„Was brauchen wir an Medikamenten?“

Noch ehe ich antworten kann, murmelte Lew laut denkend:

„Kopfweh, Aspirin und irgendwas gegen Sodbrennen. … Das müsste alles sein, oder?“

„Jo.“

Bringt ja nix, dem was entgegenzusetzen. Fahren ja nicht zum Spaß nach Russland.

„Müssen wir eigentlich Handtücher mitnehmen?“

„Gute Frage“, denke ich, als Lew schon wieder zu einer eigenen Antwort ausholt:

„Notfalls können wir uns ja mit Klopapier abtrocknen.“

Zum Glück lacht er dabei. Bei Lew weiß man nie. Wenn es drauf ankommt, kann er Ohren wackelnd bei offenen Augen niesen und sich dabei mit zusammengerollter Zunge selbst den Ellenbogen abküssen.

Immerhin kam er mal aus seiner Bierbar raus. Seine Frau wird mir bestimmt dankbar sein. Sie darf ihn bloß beim Heimkommen nicht erwischen.

Und so fing es an (das Unheil nahm seinen Lauf, als ich ihm die beiden letzten brasilianischen Biere anbot, die ich auf Lager hatte – Brahma in Dosen; das machte ihm offenbar Appetit – gehörig sogar; mir natürlich auch):

Den Rest möchte ich mir auf Rücksicht auf unsere Frauen ersparen. Hier vielleicht nur ein paar Screenshots unseres WhatsApp-Verlaufs …

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