Tag 158 – Putin und Merkel gemeinsam auf der Jagd – oder: Sprengung jeder Vorstellungskraft

Meine Frau hat mich zur Rede gestellt. Mal wieder. Dieses Mal total unberechtigt. Wie sonst auch immer. Es ging um Folgendes: Die ganze Zeit konnte ich ja noch verheimlichen, dass ich diesen Blog schreibe. Aber irgendjemand hat es ihr jetzt wohl gesteckt. Bekam einen heimlichen Hinweis. Musste ja so kommen. Wurde jedenfalls dazu genötigt, von ihr natürlich, heute kräftig im Haushalt mit anzupacken. So zur Strafe. Musste alles machen, was ich kann. Und auch nicht kann. Sie hat darauf trotz wilder Proteste von mir keine Rücksicht genommen. In der Bundesliga wäre ich als Trainer für solche Unmutsbekundungen sofort auf die Tribüne geschickt worden. Dort hätte ich immerhin meine Ruhe gehabt. Bei uns zu Hause läuft das andersrum: Da schickt mich meine Frau auf’s Spielfeld! Da muss ich ran. Als aktiver Spieler sozusagen. Pffft. Traut mir ja offensichtlich einiges zu.

Nachdem ich mich aber bei einigen zu bewerkstellenden Tätigkeiten etwas ungeschickt angestellt hab‘ – ich weiß nicht mal, ob extra oder versehentlich –, wurde ich von ihr wieder aus dem Verkehr gezogen. Musste mich vom Ort des Geschehens fernhalten, wie sie es ausdrückte, so lange, bis sie die von mir verursachte Trümmerspur quer durchs Haus zurechtgebogen und alles wieder so hergerichtet hatte, wie es vorher war. Au Mann. Das hätte man einfacher haben können.

Und sonst? Ach ja, die FAN-ID. Wochenlang lief gar nix, und auf einmal flutscht’s. Hab‘ den Fehler gefunden: Mein Computer war schuld, dass das mit dem Hochladen des Fotos auf den russischen Server www.fan-id.ru nie klappte. Auf Grund meiner ganz persönlichen Kuba-Krise (siehe Tage 127 und 133) hab‘ ich nämlich meinen Mac jetzt so sicher gemacht, dass jeder Missbrauch im Ansatz sofort erkannt wird. Hat aber – leider – auch zur Folge, dass kaum noch etwas vonstatten geht. Wird so gut wie alles geblockt. So auch die Beantragung der Fan-ID. Hab‘ mich dann probeweise an meinen alten XP gesetzt (für den gibt es ja zum Glück keine Sicherheitssoftware-Updates mehr), und siehe da – es funzte gleich beim ersten Mal.

Das Protokoll:

Eingang einer Mail von „noreply@fan-id.ru“ gestern Abend um 22.18 Uhr:

„Sehr geehrte(r) Osvaldo!

Ihr Antrag ist registriert.

Wenn die Nummer der Eintrittskarte oder der Eintrittskartenbestellung korrekt angegeben sind, erhalten Sie nach Abgleich mit dem Register der Eintrittskartenbestellungen eine Benachrichtigung über die Genehmigung Ihres Antrags.

Danach wird Ihre FAN ID per Post in einem Brief an die wahrend der Registrierung angegebene Anschrift versandt.“

Heute Morgen (ich hatte noch gar keine Augen) die nächste Mail, ein regelrechtes E-Mail-Stalking entfachte sich, 8.23 Uhr, wieder von diesem ominösen „Noreply“ (offensichtlich ein Stalker erster Güte):

„Sehr geehrte(r) Osvaldo!

Ihr Antrag … auf Erhalt der FAN ID … wurde genehmigt.

Ihre FAN ID wird per Post an die bei der Registrierung angegebene Anschrift versandt.“

Boah. Das ging aber echt ratz-fatz jetzt. Scheinen in Russland bei der Dokumentenbearbeitung die Beamten außen vor gelassen zu haben. Ein kluger Schachzug! Kein Wunder, dass Russland so viele Großmeister hat wie kein anderes Land.

Auch mein Freund Max, für den ich mich um die Fan-ID gekümmert hatte, meldete Vollzug. Er bekam ebenfalls ganz schnell grünes Licht für die Genehmigung der Fan-ID und damit für ein gültiges Einreise-Visum.

Bleiben noch Norberto, Michel und Lew. Da ist es aus verschiedenen Gründen etwas schwieriger: bei Michel und Lew deswegen, weil sie zwar Karten über den DFB, aber nicht über die FIFA zugeteilt bekamen (und somit auch keine FIFA-Bestellnummer vorweisen können, die man aber für eine Beantragung braucht); bei Norberto ist es deswegen etwas schwieriger, weil ihm – trotz vorliegender FIFA-Bestellnummer – immer etwas anderes dazwischenkommt, meist eine akute Hungerattacke, die ihn dann von den wirklich wichtigen Dingen abhält. Nach kurzem Überlegen wird mir klar: Damit er noch rechtzeitig die Kurve kriegt, biete ich ihm an, mich um seine Fan-ID zu kümmern. Brauche dazu ein aktuelles Foto und die Angaben auf seinem Reisepass.

Ohne den Norberto würde ich nämlich nicht durch Russland reisen wollen. Ich brauche ihn einfach für die Vermittlung von einem Stück Heimat, wenn er mit den mir mittlerweile so vertrauten, intensiven Geräuschen nächtens losröhrt. Schon bei seinen ersten Tönen – und das geht meist von einer Sekunde auf die andere –, fühle ich mich unglaublich geborgen. So gesehen ist er – zusammen mit meinem Guinness-Hut – so etwas wie meine Zweitfrau.

Beflügelt von der guten Nachricht hab‘ ich dann auch gleich mal beim DFB angerufen. Wollte wissen, wann der Grindel dem Lew und dem Michel die Tickets für die Spiele gegen Schweden und Südkorea und für das Achtelfinale zuschickt (Tipp: Deutschland kommt gegen Brasilien in Sankt Petersburg). Nicht, dass er die gleichen Zicken macht wie damals der Niersbach. Der ließ sich ja sogar am Telefon verleugnen. Wollte auf Teufel komm raus nicht mit mir reden. Erst anderthalb Jahre später trat er zurück. Viel zu spät, wie ich meine.

Egal. Auch der Grindel zeigte sich heute nicht persönlich am Telefon. Schickte eine unschuldige Mitarbeiterin vor. Sie war freundlich und sagte mir, „die Tickets würden morgen oder übermorgen rausgeschickt, vielleicht aber auch erst nächste Woche“. Aha. Vielleicht aber auch erst nach der WM, wer weiß. Hilft nix, wir müssen abwarten. Ohne die konkreten Karten-Nummern können Lew und Michel keine Fan-ID beantragen.

Gefragt hab‘ ich die nette Dame dann auch, ob wir einen offiziellen Generalbevollmächtigten bestellen könnten, so nur für uns. Der dann in unserem Namen die Tickets in Russland vor Ort in Empfang nehmen könnte. Wurde aber abgelehnt. Nur Selbstabholung möglich. Schöner Mist. Das wird uns noch vor reichlich Probleme stellen, sollten wir nicht Gruppenerster werden. Denn nur wenn Deutschland Sieger der Gruppe F wird, können wir die Tickets im weiteren WM-Verlauf persönlich (in Sankt Petersburg und in Samara) entgegennehmen.

Andernfalls … nicht auszudenken. Wir in Sankt Petersburg … das DFB-Team in Samara (Achtelfinale). Und weiter: Wir in Samara … das DFB-Team in Kasan (Viertelfinale). Ob wir kurzfristig unsere Reiseplanungen über Bord werfen und in dem riesigen Land so mir nichts dir nichts spontan umdisponieren könnten? Möchte mir das jetzt gar nicht ausmalen. Es bleibt also nur eine Marschrichtung, vorgegeben von unserem Kapitän Michel:

„Wir werden die Gruppe rocken. Der Weg geht über Sankt Petersburg!“

Schließlich wurde der russische Präsident heute (wieder mal) vereidigt. Seine vierte Amtszeit. Wie die Merkel. Geht quasi mit ihr im Gleichschritt Richtung Pension. Könnten ja auch mal gemeinsam zur Jagd gehen. Der Putin macht sowas doch öfters. Hat er nicht mal einen gefährlichen sibirischen Tigerbär erlegt? Eigenhändig und sogar oben ohne dabei? Das macht er doch öfters, dieses „Oben-Ohne“.

Überträgt man das auf deutsche Verhältnisse … möchte man sich das Ganze aber eigentlich … nicht so wirklich vorstellen … Boah. Ich muss kurz innehalten. Dieses Kopfkino. Nee, nee. Unvorstellbar.

Würde Dr. Merkel (angezogen oder wie auch immer) mittapsen, man dürfte wohl sehr bald nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Gut, dass es zumindest in Deutschland keine sibirische Tigerbären gibt.

COMMENTS