Tag 142 – Zwischen Hochgenuss und Menschenopfer

Hab jetzt mal im FIFA-Fan-Shop nachgesehen. Was die so alles im Sortiment haben. Ein Pupskissen jedenfalls immer noch nicht. Das hatte ich vor vier Jahren in Rio de Janeiro ja offiziell angefragt. Leser des Buches „Logbuch eines Tagediebs“ wissen, wovon ich spreche … Egal.

Dafür aber haben die mittlerweile sogar echte Sofas im Angebot. Mit dem offiziellen WM-Maskottchen Zabivaka (stehend) als Wandtattoo obendrüber. Sieht sehr gut aus und, tja, läppische 25,- Euro für eine neue Polsterlandschaft, da kann man echt nicht meckern.

https://eu.store.fifa.com/eu_de/maskottchen/2018-fifa-world-cup-russiatm-wall-tattoo-mascot-zabivakatm-standing

Hab mir direkt drei Stück davon bestellt. Für’s Wohnzimmer. Meine Frau wird Augen machen!

Auf der FIFA-Ticketseite war ich dann auch mal. Überraschend, dass erst 27 von 63 Spielen ausverkauft sind. Es geht für viele Partien also noch was, zum Beispiel für’s Spiel um Platz 3, das Viertelfinale in Nischni Nowgorod (vielleicht mit Frankreich gegen Argentinien), die Achtelfinale in Sankt Petersburg (Deutschland!), Samara (Deutschland gegen Brasilien?) und in Kasan (Peru gegen Island?).

Der Videobeweis macht jetzt ja auch wieder die Runde. Die Skeptiker nehmen zu. Viele, die vorher dafür waren, sind mittlerweile dagegen. Bei mir ist’s umgekehrt – ich war ursprünglich dagegen und bin jetzt dafür. Schließlich hat meine Eintracht am Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale davon ziemlich profitiert.

Apropos „profitiert“ – kommt davon das Wort „Profi“? Mmhhh … könnte sein.

Schon komisch, manche Regelungen zum Videobeweis. Pfeift der Schiedsrichter unverzüglich und unmittelbar direkt nach einer Szene ab, bevor etwas Entscheidendes passiert, also wenn der Spieler den Ball mit der Brust stoppt, dann drauf drischt und der Ball im Tornetz zappelt, der Schiedsrichter aber meint, das Ei sei mit dem Oberarm, also mit der Hand gestoppt worden, und deswegen abpfeift, noch bevor die Pille im Kasten einschlägt, tja … dann kann die umstrittene Szene nicht mehr überprüft werden.

Hand aufs Herz – das war eine glatte Fehlentscheidung, und gravierend war sie auch. Aber richtig fand ich’s trotzdem. Die Schalker mögen mir verzeihen.

Genau so komisch verhält es sich, wenn der Schiedsrichter nach seinem Halbzeitpfiff den Platz verlassen hat. Dann ist keine Korrektur einer vorangegangenen Entscheidung mehr möglich, sei sie auch noch so falsch. Beim Spiel Mainz gegen Freiburg vor ein paar Tagen hat der Schiri nach seinem Halbzeitpfiff so lange auf dem Platz gewartet, bis die Videoassistenten endlich sagten, dass er zuvor Mist gepfiffen hätte.

Mmhhh … soll mal einer sagen, der Schiri auf dem Feld hätte nix mehr zu sagen. Wenn er die vom Video-Schiedsrichterteam mal vorführen möchte, dann pfeift er kurz vor Halbzeit etwas total Kurioses, pfeift 1 Sekunde später zur Halbzeit und hüpft dann über die Seitenlinie vom Feld. Dann ist keine Korrektur mehr möglich.

Oder der Schiri pfeift einfach mal ab, wenn der Ball noch in der Luft ist, zum Beispiel, weil er meint, zuvor sei ein Foul passiert. Der Ball flattert im Tor – aber das Tor darf nicht zählen, so rechtmäßig es auch erzielt worden sein mag. Aha.

Bin jetzt ziemlich gespannt darauf, weil die FIFA ja angekündigt hat, den Zuschauern im Stadion Entscheidungen zum Videobeweis in Russland live erklären zu wollen.

Wie soll ich mir das vorstellen? Rennt da ein FIFA-Funktionär mit Mikro stolpernd und in verschwitztem Anzug mit Ketchup-versuddelter Krawatte in den Mittelkreis zum Anstoßpunkt? Macht ein paar theatralische Verrenkungen und beginnt dann seine Aufklärungszeremonie? Was, wenn der was anderes erzählt, als vorher offizielle besprochen worden ist? Ich meine, das kennt man ja von der FIFA. Und dann? Zählt dann das, was der FIFA-Mann, zum Beispiel aus Nordkorea, durchs Mikro zum Besten gegeben hat oder die offizielle Schiedsrichter-Entscheidung? Ich nehme mal an, das, was der Funktionär erzählt hat.

Wenn der dann bei dieser Gelegenheit zum Abschluss erklärt, so als mündlicher „P.S.“-Nachsatz, die nächsten Weltmeisterschaften würden in seinem Heimatland stattfinden, ist das dann „gesetzt“? Wer weiß. Ich freue mich jedenfalls auf die Live-Erläuterungen zum Videobeweis. Das kann nur gut werden. Hochinteressant. Ein Wanken zwischen Wut und Genugtuung. Und Überraschung. Bin gespannt.

Bei den Mayas in Mittelamerika, vor mehr als 1000 Jahren vor Christi Geburt, lief das bestimmt ähnlich ab. Die Hochkultur kannte auch schon diverse Spiele, bei denen es Sieger und Verlierer gab. Der Ball war aus Kautschuk und wog drei Kilogramm. Damit macht man heutzutage Kugelstoßen. Damals hieß das „Hüftball“. Einen Schiedsrichter? Brauchten die nicht. Die waren sich einig, so wie wir früher als Kinder auf dem Bolzplatz. Da war Schiedsrichter ein jeder. Und durchweg mit gerechten Entscheidungen, mit denen wir alle uns identifizieren konnten.

Zurück zu den Mayas. Bei denen war das so, dass der Sieger das Spiel nicht überlebte. Zum Dank kam er ins Paradies. Als Geschenk. Sofort. Ob er wollte oder nicht. Noch auf dem Spielfeld. Menschenopfer hatten ein hohes Ansehen. Wie genau das zelebriert wurde, kann heute keiner mehr sagen. Ist ja schon eine Weile her. Hätte es damals schon Internet geben, tja, dann könnte man es nachlesen. Hab schon überall gesucht – nix.

Und außerdem … gut, dass wir mit unserer Truppe, also der Lew, der Norberto, der Michel und ich, kein hohes Ansehen haben.

Wir werden auch alles dafür tun, dass es dazu nicht kommt.

COMMENTS