Tag 140 – Wie viel Blog passt in einen Tag, oder: Von Schalke zu Dirk ins Gartenhäuschen

Manchmal reicht ein einzelner Blogtag gar nicht aus, um alles Geschehene auch nur annähernd beschreiben zu können. Ich versuche es trotzdem einmal. Also …

Es ist Donnerstag Nachmittag, immer noch herrlicher Sonnenschein bei etwa 30 Grad. Dabei haben wir erst Mitte April. Rechnen wir das einmal auf den anstehenden Hochsommer hoch, dann ist bis dahin mit Temperaturen von 40 Grad und mehr zu rechnen. In Russland sind es dann vermutlich noch einmal etwa 15 Grad wärmer. Wir könnten uns dann fast selbst schwenken.

Kamen gerade aus Schalke zurück. Ist ja schon komisch. Wenn du sagst, du fährst nach Berlin oder nach München oder nach Düsseldorf, dann fragen die Leute immer zuerst: „Und was machst Du da?“ Sagst du aber „Ich fahre auf Schalke“, dann habe ich noch nie erlebt, dass es auch nur irgendeine Nachfrage gab. Schalke kennt eben nur eins: Fußball.

Obwohl es Schalke ja eigentlich nicht gibt. Richtig heißt der Verein nämlich „Fußballclub Gelsenkirchen-Schalke 04 e. V.“. Da sich das aber zu sperrig anhört – „Torpedo Gelsenkirchen“ wäre meines Erachtens eine mögliche Alternative gewesen –, hatten die Verantwortlichen im Jahre 1904 ein Einsehen und machten kurzerhand Schalke 04 daraus.

Wir, also mein Patenkind Boris und ich, fuhren also gestern Nachmittag nach Gelsenkirchen. DFB-Pokal-Halbfinale, Schalke gegen Frankfurt. Gut, dass das Navi weiß, wo Schalke liegt; um ein Haar wäre ich erstmal nach Dortmund reingefahren.

Nachdem ich ein paar Bier weggeschnubbelt hatte, bekam Boris auch Durst. Er war ja eigentlich als Fahrer eingeteilt, für Hin- und Rückfahrt. Aber mein beherztes Eintrinken hat ihm wohl imponiert und er bekam Appetit. Wollte plötzlich mittrinken. Mit der Folge, dass wir uns ein Hotel suchen mussten. Nix Einfacheres als das – ein Hotelzimmer in einer deutschen Großstadt.

Ich kann da nur davor warnen, ohne zuvor gebucht zu haben, nach Gelsenkirchen zu fahren. Hätten wir nicht auf dem immer mittwochs stattfindenden Ess- und Trink-Markt zufällig die Schalker Urgesteine Brigitte und Jürgen kennengelernt, wir hätten niemals ein Last-Minute-Zimmer gefunden. Das „Sankt Petrus“, das unsere gemütliche Bleibe werden sollte, sah uns dann aber nur ganz kurz, gerade mal beim Einschlafen und dann wieder beim Wachwerden heute Morgen.

Mit Brigittes und Jürgens Freunden, selbstverständlich allesamt eingeschworene Schalker, fuhren wir dann gemeinsam zum Stadion. Einer von ihnen, der Nole, wohnt sogar in der Nähe der Schalker Meile. Die liegt auf dem Weg zum Stadion. Dort soll an gute, alte Schalker-Traditionen erinnert werden, wie zum Beispiel die Glückauf-Kampfbahn. Auch Bilder von Flankengott Rüdiger Abramczik oder von Gerald Asamoah, dem sympathischen Fußballer mit dem großen Herz, hängen dort an Hauswänden.

Erst dachten wir, der Boris und ich, da seien mal schlimme Unfälle passiert und man wolle auf diese Art den Verunglückten gedenken, bis wir erkannten bzw. gesagt bekommen haben, dass es sich um Schalker Idole handelt. Also, zum Glück keine Unfälle, sondern schlicht freudige Anlässe für die Bilder.

Was man aber in der Schalker Meile tunlichst unterlassen sollte, ist … sein Haus gelb zu streichen. Der stolze neue Eigenheimbesitzer war am Tag nach der Errichtung seiner Fassade jedenfalls sehr erstaunt, dass sein ganzes Anwesen mit deutlich zu erkennenden Einschlägen von blauen Farbbeuteln regelrecht übersät war. Wenn ich es genau definieren müsste, würde ich sagen, bei dem Farbton handelt es sich um königsblau.

Als SGE’ler hatte ich im Stadion natürlich einen schweren Stand, zumal in der Schalker Südkurve. Aber: Nirgends in einem Fan-Block so freundliche Fans getroffen wie dort. Echte Fans eben, die Schalker.

Was mich als Saarländer natürlich sehr berührte: Zum Steigerlied, einem traditionsreichen Liedgut aus Bergmannszeiten, das die Saar und den Ruhrpott emotional stark miteinander verbindet, stimmten die Schalker Fans eindrucksvoll mit ein. Ich natürlich auch. Fühlte mich wie in Saarbrücken, nur mit etwa 60.000 Zuschauern weniger. Aber die Saarbrücker kommen wieder, keine Frage. In Kürze steht das Aufstiegsspiel für die dritte Liga an (vielleicht gegen einen weiteren Traditionsverein, nämlich gegen 1860 München).

Erschreckend: Keine deutsche Stadt ist so tot wie Gelsenkirchen. Unglaublich. Nur am Bahnhof tummelten sich nach dem Spiel noch einige Gestalten (ähnlich wie wir) rum. Immerhin gab es direkt neben der Bundespolizei zwei große Kebapläden und eine Trinkhalle. Sonst war die Stadt komplett tot. Selbst bei uns auf’m Land sind mehr Kneipen geöffnet. „Schlimmer als Gelsenkirchen ist nur noch Gütersloh“, erzählte uns jemand mit betroffener Miene. Das half uns in der Situation aber auch nicht weiter, leider. Da kann auch kein abschließbares Dach überm Stadion und kein rein- und rausfahrbarer Rollrasen drüber wegtäuschen.

Der Rasen in der Veltins-Arena kann doch tatsächlich in einem etwa vierstündigen Vorgang auf Schienen aus dem Stadion hinausgeschoben werden. Die Kosten jedes einzelnen Vorgangs betragen angeblich 13.000 Euro. Früher waren es die verletzten Spieler, die rausgebracht wurden, heute sind es Grashalme. Was soll’s.

Wie auch immer: Sollte es mal stark regnen, dann wird das Stadiondach einfach zugemacht. Geschlossen. Trocken. Nix Regentröpfchen. Hallo! Wenn es regnet, machen die den Deckel drauf? Und das in der klassischen Ruhrpott-Arbeiterstadt Gelsenkirchen? Ausgerechnet die hartgesottenen Ruhrpott-Fans wasserscheu und weichgespült? Wer hätte das gedacht. Hätte ich jetzt eher nach München verortet.

Sowas würde in Kaiserslautern definitiv nicht passieren. Die spielen am liebsten bei Fritz-Walter-Wetter. Also, wenn es richtig schön aus Kübeln schüttet. Fritz-Walter-Wetter … die gleichnamige Stiftung (http://www.fritz-walter-stiftung.de) schreibt dazu auf ihrer Internetseite:

„Mit Fritz-Walter-Wetter ist regnerisches Wetter gemeint, das Fritz Walter zum Spielen vorzog. Er hatte sich im Zweiten Weltkrieg mit Malaria angesteckt, deshalb fiel es ihm schwer, bei Hitze zu spielen. Außerdem spielte er bei schwerem, nassem Boden seine überlegene Technik aus (so auch während des Endspiels der WM 1954, bei dem es ausdauernd regnete).“

Das waren noch Zeiten! Und jetzt? Der glorreiche 1. FC Kaiserslautern muss nächste Saison voraussichtlich wieder gegen den ebenso glorreichen Saarbrücken antreten, in der dritten Liga wohlgemerkt. Na ja.

Auf dem Weg zurück ins Hotel hörten wir von diversen Polizeieinsätzen nach dem Spiel. Hooligans beider Vereine, die sich kloppen wollten. Schlimm. „Fans“ kann man das nicht nennen.

Ich trage mein Trikot ja immer offen, bei einem Sieg ebenso wie bei einer Niederlage. Das trauen sich nicht alle, vor allem nicht bei Auswärtsspielen. Schön ist es dann, wenn – wie gestern in der Schalker S-Bahn – nach und nach der ein oder andere Gleichgesinnte mir gegenüber den Reißverschluss seiner geschlossenen Jacke ein kleines Stück auf macht, so dass ich „in die Jacke reingucken“ und sogar den Zipfel eines Eintracht-Trikots erkennen kann. Am Ende der Fahrt hatten jedenfalls einige SGE-Fans den Reißverschluss ihrer Jacke komplett geöffnet. Und die Schalker respektierten das.

Ich finde, das gehört sich auch so. Fans unterschiedlicher Teams sollten sich gegenseitig Anerkennung zollen. Das bringt einen doch weiter und ist eine schöne Sache. Die Schalker Fans in meinem Block waren vorbildlich. Genau das wünsche ich mir auch für die Weltmeisterschaft in Russland.

Unterdessen beschwerte sich Michel (er versuchte, noch vier Tickets für das Achtelfinale in Sankt Petersburg zu erwischen) in unserer WhatsApp-Gruppe vor allem über die technischen Hürden der Ticketbestellung bei der FIFA:

Zunächst gestern, früher Nachmittag (13.23 Uhr):

„Hat leider noch nicht geklappt. Ich war drin, irgendwas war aber nicht stimmig. Bleibe dran.“

Drei Minuten später (16.26 Uhr):

            „Irre schwer. Es hat 1 Klick gefehlt.“

Eine Viertelstunde danach (13.42 Uhr):

„Wie gesagt, bin dran. Muss es aber wieder von vorne versuchen, Karten waren noch da.“

Am Abend (22.51 Uhr):

„S04 hat zu wenig gemacht. SGE verdient im Finale. Mit den Karten hat leider nicht geklappt.            Könnte mir in den Arsch beißen. Ich hatte die Teile schon im Warenkorb. Ein Miniklick hat            noch gefehlt. Wir müssen dran bleiben!“

Und dann heute Vormittag (10.39 Uhr):

            „Hab‘ die Bitte, dass wir es alle versuchen mit den Karten. Es werden immer wieder welche frei    gegeben. Man muss auch verdammt schnell sein. In 10 Minuten muss man alle Daten eingeben.             Passnummer usw. am besten vorher aufschreiben.“

Boah. Voll der Stress, den der Michel hat.

Was gibt es Neues in Russland? „Einlaufkinder“ gibt es hierzulande ja schon seit langer Zeit. In Russland durfte, oder vielmehr: musste jetzt ein Bär, ein echter Bär, bei einem Spiel in der zweiten russischen Liga mit einlaufen (den Hinweis gab mir Frau Meisterleserin, Danke schön!). Um die Ballübergabe an den Schiedsrichter vorzunehmen. Ha! Fehlt nur noch, dass irgendwann ein echter Bär ein echtes Spiel pfeift.

Diese Info kann eigentlich nur noch durch eine Meldung aus unserer Region, aus dem Saarland, getoppt werden: Zwischen Walhausen und Wolfersweiler war etwas Ungewöhnliches passiert. Eine kuriose Entdeckung wurde gemacht. Ein nicht unbedingt zwingend heimisches Tier wurde am Straßenrand aufgefunden. Tot. Nicht irgendein Tier, nein. Es wurde doch tatsächlich ein … … ein Känguru überfahren (https://www.bild.de/regional/saarland/kaenguru/kaenguru-ueberfahren-55413452.bild.html)! Möchte wissen, wie die beiden Ortschaften Walhausen und Wolfersweiler ursprünglich zu ihren Namen kamen. Ob da mal ein Wal im örtlichen Hallenbad seine Runden drehte oder ein Wolfsrudel beim Spazierengehen in der Nohfelden-Allee entdeckt worden ist? Wie auch immer: „Känguruhausen“ macht dort jetzt jedenfalls die Runde.

Nicht zu unterschätzen: Das Frühjahr ist auch saisonale Bär-Lauch-Zeit. … … Pffft, jetzt aber genug!

Der Tag ist noch nicht zu Ende. Ich gehe jetzt los zu unserer kurzfristig einberaumten Spielersitzung. Lew hat dieses Mal eingeladen. Bier sei kalt gestellt.

Warum wir uns kurzfristig und dringend und unbedingt treffen müssen, lässt sich aus unserer WhatsApp-Konversation nachvollziehen. Es ist … eine echte Katastrophe. Probleme auf hohem Niveau. Morgen gibt’s dann die Ergebnisse unserer Besprechung. Ich bin selbst gespannt, was rauskommt. Aber … lest selbst:

Norberto drückt seine Sorgen in einer Sprachnachricht aus:

„Osvaldo, was ist los? Kriegen wir überhaupt keine Tickets? Oder sind wir für Russland            mittlerweile gesperrt?“

Unsere Besprechung fand dann doch nicht bei Lew statt, sondern bei einem Freund, dem Dirk, der ihn zusammen mit uns kurzerhand zu seinem Gartenhäuschen einlud. Zum Schwenken. Geschwenkt wird im Saarland ja immer.

Ergebnisse unserer Besprechung? Nur so viel vorab: Es wird kompliziert. Richtig kompliziert. Morgen mehr.

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