Tag 138 – Sich klar werden zu Dritt

Nachher kommt Diane. Wird auch Zeit. Ist schon über einen Monat her, dass sie mir die erste Russisch-Stunde gab (siehe Tag 103). Diane hat angekündigt, dass sie nachher ein paar Sätze im Zusammenhang von mir lesen lassen will. Auf Russisch, versteht sich. Weiß beim besten Willen nicht, wie das vonstatten gehen soll. Habe ja den einen Satz, den ich bei unserem letzten Treffen gelernt habe, schon wieder vergessen. Hmm … hab‘ dann mal in meinen Unterlagen nachgeschlagen.

„Menja sa wudd Osvaldo“, hatte ich mir aufnotiert. Mmhhh … Muss Diane nachher fragen, was das bedeuten soll. Hab das in den Google-Übersetzer eingegeben. Der hat dazu aber überraschend nix ausgespuckt. Ob Diane mir vielleicht schon Arabisch für die WM 2022 in Katar am Beibringen ist, ohne dass ich es merke? Kann ihr ja nicht widersprechen, weil ich weder des einen noch des anderen in irgendeiner Form mächtig bin.

Ohne Diane zu nahe treten zu wollen (obwohl sie recht adrett ist und es bestimmt toll wäre) – aber meine Vermutung ist: Sie hat definitiv verfehlte Vorstellungen von meinen Fähigkeiten.

Oh nein, Mist. Warum muss Diane immer so pünktlich kommen? Wollte mir doch die Buchstaben nochmal in Ruhe im Einzelnen ansehen. Um ein gutes Bild bei ihr abzugeben. Hat aber nicht mehr hingehauen. Diane kam auf die Minute pünktlich. Musste ihr total unvorbereitet gegenübertreten. Ich glaube, als sie in mein Gesicht blickte, ahnte sie bereits, was ihr bevorstand. Mir ging es ähnlich, nur andersrum.

Und genauso lief es dann auch. Sie ließ mich gleich zu Beginn ein paar Sätze vorlesen, die wir beim letzten Mal schon durchgenommen hatten, stellte dann aber doch relativ schnell fest, dass wir so gut wie bei Null wieder anfangen müssen.

Nach den Anfangsschwierigkeiten kam ich dann aber doch relativ schnell wieder rein in die Kyrillik, also in die Lehre von den russischen Buchstaben. Für mich handelt es sich dabei insgesamt eher um eine parapsychologische Grenzwissenschaft.

Folgendes habe ich jedenfalls heute gelernt:

ßbaßiba           Danke

Piwa                Bier                 (geschrieben wird es „Пиво“. Boah, ey. Da stimmt ja kein einziger                                                  Buchstabe überein, beim Vergleich Geschriebenes zu Gesprochenem.                                        Und das bei so einem wichtigen Wort! Gut, dass es immerhin vier                                                  Buchstaben hat, also genau die gleiche Anzahl wie das entsprechende                                              deutsche Wörtchen, daran können wir uns dann orientieren.)

i                      und                 (oder „oder“ –  was ich sagen will: „i“ kann neben „und“ auch „oder“                                             heißen.)

ili                    oder

A                     aber                 (manchmal auch „und“; Diane auf diese Ungereimtheiten angesprochen,                                        meinte sie, man müsse flexibel sein und manchmal, eben an den                                                     richtigen Stellen, improvisieren; Mann, das hilft jetzt aber nicht wirklich                                         weiter …)

Skolka             wie viel

Stoi!                Bleib‘ stehen!   (Das müssen wir rufen, wenn uns einer die Brieftasche klaut; der                                                    Räuber ist dann so überrascht von unseren Russisch-Kenntnissen, dass                                      er alles fallen lässt)

Nu pakadie     Na warte,        (Diese liebevolle Parole stammt aus der schönen russischen Zeichen-

sajetz!              Hase!               trickserie „Hase und Wolf“, die jedes Mal mit diesem Ausruf endete.                                              Können wir auch gewiss gegenüber dem Räuber anwenden.)

w                     in                    (geschrieben aber „В“)

Paka                Tschüss

Dobroje utre   Guten Morgen

Kak waschi djela?       Wie geht es Ihnen?

Kak djela?                   Wie geht’s?

Straßdwuitsche                       Guten Tag / Guten Morgen / Guten Abend – der Ausspruch geht zu jeder                                     Tageszeit. So eine Art „Seien Sie gegrüßt!“.

Straßdwoui                 Sei gegrüßt      (wenn man per Du ist)

Charascho                   gut                   (das „ch“ wird ausgesprochen wie das „ch“ in „ach“)

A tui?                          Und Du?

Otlietschna!                 Ausgezeichnet!

Sto äta?                       Was ist das?     (Das dürfen wir auf keinen Fall fragen: Wir könnten – egal wie es                                                  kommt – nix, aber auch gar nix mit einer Antwort auf Russisch                                                     anfangen …)

Ja nje panemaju pa Russki.     Ich verstehe kein Russisch. (Selbsterklärend.)

Ja chatschu jeßt.                      Ich möchte essen.        (Ich bin die erste Woche ja alleine in Moskau, da                                                                             muss ich zumindest ausdrücken können, was ich                                                                             zum absoluten Überleben benötige.)

Jimu chotschitza jeßt.              Er möchte essen.         (Norberto kommt ja bald nach.)

Nitschewo.                             Nichts.                        (Diese Antwort auf Russisch wird von Norberto                                                                              auf die Frage zuvor niemals zu hören sein. Da                                                                                gehe ich jede Wette ein.)

Polnui ablom.                         Ein Riesen-Schlamassel!

ßsaabrasitch na traich!             Aufforderung bzw. Frage an zwei Anwesende, ob sie Lust und Zeit                                                hätten, einen mitzuzwitschern. Eigentlich: „sich klar werden zu Dritt“.                                         Das „ch“ wird ausgesprochen wie in „ach“. Um seinem Vorhaben                                                   Nachdruck zu verleihen, können dabei drei Finger gespreizt auf die Brust                                      gelegt werden. Dann wissen die Gegenüber, dass du es ernst meinst.

Nach „Menja sa wudd Osvaldo“ hab ich die Diane am Ende unserer Stunde übrigens auch noch gefragt, etwas verschämt zwar, aber trotzdem. Und noch während ich die Frage aussprach, fiel es mir wieder selbst ein: „Mein Name ist Osvaldo.“ Gott sei Dank hatte ich noch nicht den ganzen Satz ausgesprochen, Diane hätte die Bemühungen mit mir sofort eingestellt.

So, gleich erstes DFB-Pokal-Halbfinale. Bayer gegen Bayern. Der Heynckes turnt schon eine halbe Stunde vor Spielbeginn im Fernseher rum. Ist der gebotoxt? Hat total keine Falten mit seinen 88 Jahren.

Ob er den Labbadowski aufstellt? Der hat doch ein blaues Auge. Aber für ein Tor ist er trotzdem immer gut.

Oha, bei Bayer gegen Bayern steht es mittlerweile 2:6. Das gleiche Ergebnis wünsche ich mir für morgen Abend. Da fahre ich mit meinem Patenkind nach Schalke. Zweites Halbfinale. Bis auf die Tatsache, dass er Schalke-Fan ist, ist er ein toller Junge. Bin stolz auf ihn. Hatte ihn schon als 10-Jährigen beim Ruhrpott-Club angemeldet. Freue mich auf die Atmosphäre dort im Stadion. Kann sein, dass wegen der langen Anreise der Blog morgen entfällt. Mal sehen, wie weit ich komme …

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