Tag 127 – Geheimbünde dieser Welt

Die Telekom, mein Festnetz- und Internetanbieter seit mehr als 20 Jahren, schrieb mich überraschend an. Per Brief. Briefe gibt’s also noch. Obwohl die Post ja fast nur noch Päckchen ausliefert. Ohne Päckchen wäre die Post heutzutage geliefert. Die könnten einstellen. Briefe. Pah!

Mit der Telekom habe ich verabredet, dass wir alles, was wir miteinander haben, digital klären. Also per Mail. Und jetzt so ein Brief, ein echter Brief. Mal reinseh’n …

Boah. Hab‘ voll viel nach Kuba telefoniert. Bestimmt nicht billig. Und meinen Anschluss haben die jetzt gesperrt? Nur weil ich nach Kuba telefo… Moment. Das kann nicht sein. In Kuba kenne ich keinen. Nicht mal entfernte Verwandte. Auch keine Liebschaften, leider. Mensch, jetzt macht mich der Brief langsam aber doch etwas stutzig …

Rufe mal hin an, also zur Telekom, nicht nach Kuba, das interessiert mich jetzt.

Das glaub‘ ich jetzt nicht. Mein Anschluss wurde gehackt. Oha. Die haben ihn jetzt aus Sicherheitsgründen für Auslandsanrufe stillgelegt. Ich glaube, … das war gar keine schlechte Idee. Von wegen Kuba und so. Den fälligen Kostenbetrag kann mir der nette Herr nicht nennen, ich sollte die Rechnung abwarten, die so um den Zehnten rum kommt.

Da ich glaubhaft versichern konnte, dass ich mit Kuba nix am Hut habe und ich ohnehin schon in der „Missbrauchs-Abteilung“ der Telekom gelandet war, wurde mir gesagt, dass man einmalig davon absehe, die Kosten in Rechnung zu stellen. Aber ich müsste gewisse technische Einstellungen dringend vornehmen. Und werde zum technischen Kundendienst weitergeleitet.

Wir gehen dann im Einzelnen die erforderlichen Schritte durch, um unser Heimnetz wieder sicher zu machen. Muss sogar nach fast 15 Jahren mein Passwort ändern, obwohl ich mir das damals so gut ausgedacht hatte.

Nach etwa einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Ich bin wieder „safe“.

Nochmal boah. Bin echt baff. Mein lieber Herr Gesangsverein. Man hört immer nur von anderen, dass Hacker unterwegs sind und ihr Unwesen treiben. Aber wenn es einen dann mal selbst erwischt …  komisches Gefühl. Man schimpft ja im Allgemeinen viel über die Telekom, aber ich finde, die machen einen richtig guten Job. Konnten mir erklären, dass ich gar nicht selbst nach Kuba telefoniert hätte. Die haben mich quasi vor mir selbst geschützt.

Gut, dass die Telekom mich da rausgeholt hat. Meine Frau hätte da womöglich sonst nachgefragt, mit wem ich denn da von Zeit zu Zeit telefonisch zugange gewesen wäre. Die hätte mir das bestimmt zugetraut. Die Telekom aber nicht. Die Telekom ist mein neuer Freund.

Überlege weiter. „Ob das was mit …“, mir stockt der Atem.

Oha. Ob das vielleicht was mit unserem Blog hier und dem Vorhaben von Putins Töchter zu tun hat, uns in Russland anzubaggern? Wollen die unsere Daten ausspähen? Eine Vorfeldspionage betreiben? Boah. Komme mir plötzlich unsicher vor. Und voll wichtig.

Ist es Zufall, dass heute wieder über den Ex-Spion Skripal berichtet wurde? Angeblich hat der britische Geheimdienst endlich die alles entscheidenden Beweise herausgefunden. Läuft über alle Radiostationen in Deutschland. Höre gebannt zu. Ob wir, also der Michel, der Lew, der Norberto und ich, auch gleich erwähnt werden?

Passiert aber nix. Trotz noch so gespitzten Ohren höre ich nicht unsre Namen. Nochmal Glück gehabt.

Kuba … Mmhhh … waren Russland und Kuba nicht zu Sowjetunion-Zeiten Verbündete? Ganz enge Freunde? Und jetzt wird auf einmal von meinem Anschluss aus nach Kuba telefoniert … Boah. Wir sind mittendrin. Mittendrin in einem Agenten-Krimi.

Was mich etwas argwöhnisch macht: Immer, wenn Informationen über die üblichen Kanäle nicht beigeschafft werden können … oder wenn Beweise für leichtfertig heraustrompetete „Tatsachen“ von der normalen Politik nicht vorgelegt werden können, kommen plötzlich die Geheimdienste ins Spiel.

Geheimdiensten glaubt man offensichtlich mehr. Die sind unantastbar. Gottgleich. Und wenn die Radiostationen landaus, landein mit großer heraushörbarer Genugtuung berichten …

(die Radiostationen brauchen ihrerseits ja ebenfalls eine Rechtfertigung für ihre   vorangegangenen Sondermeldungen, mit denen artig der Meinung „ihrer“ Regierung gefolgt    wurde und der Schuldige schon nach kürzester Zeit bedenkenlos ausgemacht war …)

…, dass durch neue Ermittlungen der Geheimdienste nun aber wirklich und endgültig und unumstößlich feststehe, dass Russland an allem Schuld sei, dann … macht mich das irgendwie noch nachdenklicher. Ermitteln die Geheimdienste wirklich unabhängig? Oder legen die nur die Beweise vor, die ihnen ihre Regierung vorgibt? Fragen über Fragen.

Witzig finde ich ja, dass die Geheimdienste offizielle nicht Geheimdienste, sondern „Nachrichtendienste“ heißen. Haha! Könnten theoretisch auch Radiodienste genannt werden. Aber lassen wir’s.

Ich schweife total ab. Sorry. Aber wir sind mittendrin. Mittendrin in einem echten Spionagefall.

Was ist mit Puigdemont? Der demokratisch gewählte katalanische Präsident wurde kurzerhand in Deutschland inhaftiert. Hinweise des spanischen „Nachrichtendienstes“ gingen dem voraus. Kommt jetzt aber wieder frei.

Ob wir uns mit unserer Truppe in Russland freiwillig stellen sollten? Angst haben wir ja vor nix. Und rebellisch sind wir auch nicht. Es sei denn, wir dürfen nicht ins Stadion, obwohl wir Tickets haben. Das war mal fast der Fall beim WM-Viertelfinale 2014 im Maracana in Rio de Janeiro, aber der Norberto hatte damals eine Klasse-Idee. Würde hier aber zu weit führen. Vielleicht schreibe ich ja irgendwann über unsere geheime Aktionen, von denen niemand jemals etwas erfahren darf. Mal sehen. Diese Geschichte wär jedenfalls dabei.

Wo waren wir? Ach ja, Geheimdienste. In England gibt es den MI5 und den MI6, bekannt aus vielen James-Bond-Filmen. Abe die haben noch mehr: BSSO, DIS, JIC, GCHQ, NID. Ganz schön viel Geheimniskrämerei.

Die USA? Die haben die CIA, das FBI, die NSA. Die sind bekannt. Aber die USA hat sogar noch viel mehr unterschiedliche geheimnisermittelnde Behörden. Etwa zehn weitere. So genau kann das aber keiner sagen. Ist ja alles geheim. Ich glaub‘, die haben sogar einen „Geheimdienst im Geheimdienst“. Sagenhaft.

Hoffentlich weiß die jeweilige Regierung, wem sie welchen Auftrag mit welchem erwarteten Ergebnis sie beauftragt hat, sonst kommen die ganz schön durcheinander.

Am dieser Stelle … mit einigen Arbeitskollegen bin ich ja auch geheim verbündet. Wenn wir uns zur Unzeit in der Saarbrücker Diskonto-Schenke treffen, dann darf das keiner wissen. Mein lieber Schwan. Wenn das rauskommt … und erst recht, wenn rauskommt, was wir dort so alles wegschlumpsen, in der Mittagspause meine ich, dann ist Polen offen. Wir nennen uns „Diskonto-Pakt“. Ist unser Geheimbund. Wir sind da in geheimer Mission unterwegs – aber das soll ruhig alle Welt wissen!

By the Way – die Engländer und die USA haben so unglaublich wohlklingende Namen für ihre Geheimdienste. Weiß jemand, wie der deutsche Geheimdienst heißt? Hat der auch so einen wohlklingenden Namen? „Secret – je regrette“, würde der Anglo-Franzose jetzt vielleicht sagen. Führt jetzt aber zu weit. Egal. Der deutsche Geheimdienst … Das ist kein Geheimnis: „Bundesnachrichtendienst“ natürlich. Im Saarland haben wir übrigens den Saarländischen Rundfunk.

Zurück zu Kuba. Ist es Zufall, dass ich ausgerechnet heute eine DVD mit dem Titel „ИРОНИЯ СУДbБЫ“ zugeschickt bekommen habe? Und das nur, weil ich sie vor ein paar Tagen extra bestellt habe? Es kommt mir jedenfalls Spanisch vor, dass die ausgerechnet heute ankommt, wo ohnehin schon so viel Durcheinander auf der Welt ist.

   

Ist es Zufall, dass ich heute die Kehrschaufel, die meine Frau unglücklicherweise für einen kurzen Augenblick im Papierkorb unbeaufsichtigt ablegte, zusammen mit dem Restmüll versehentlich in die Abfalltonne bugsierte?

„Wie kommst du ausgerechnet heute dazu, den Müll heimlich zu leeren, Osvaldo?“, war das einzige, was meiner Frau dazu einfiel. Woher sie diese Information hat, bleibt ihr Geheimnis.

So richtig echt geheim ist eigentlich nichts mehr. Die Daten laufen ja frei im Internet rum. Mir doch egal. Wenn die was über mich rauskriegen wollen, kriegen die das ohnehin spitz. Aber so wichtig bin ich nicht. Es sei denn, Putins Töchter … wer weiß.

Aber wisst ihr, was das geheimste war, das ich je erlebt habe? Und das ich nie rausfinden werde, weil es ein echtes Geheimnis ist? Ein Geheimnis, bei dem meine Kleine (damals 8 Jahre) eine zentrale Rolle spielt: Wie das bei uns zu Hause üblich ist, schreiben die Kinder zu Weihnachten Wunschzettel ans Christkind. Damit das Christkind weiß, was es an Geschenken bringen könnte. Nun hatte aber die Kleine seit geraumer Zeit Bedenken, dass es das Christkind tatsächlich gibt. Und so kam es, dass sie leicht grinsend einen Wunschzettel ans Christkind schrieb.

Was denn drauf steht? Sagt sie nicht.

Sie rückt nur widerspenstig raus, dass ihre Wünsche etwas mit „geheim“, „unerfüllbar“ und mit „Zauberkräften“ zu tun hätten. Na toll. Aber das Schlimmste kam erst. Sie kündigte nämlich an, ihren Wunschzettel jetzt auch so gut zu verstecken, dass ihn nur das Christkind, und wirklich nur das Christkind, finden könne.

Es kam, wie es kommen musste. Die falschen Geschenke. Was können Eltern dafür, wenn das Christkindchen blöd ist?

Jedenfalls wäre das mal ein echter Fall für die Geheimdienste dieser Welt gewesen. Hätten unsere Welt retten können. Aber bei solch‘ elementaren Dingen werden sie nicht aktiv. Leider.

Falls der deutsche Geheimdienst mal bankrott machen sollte (hat er nicht ohnehin schon seine Dienste eingestellt?), könnte er doch … ich meine, der Michel, der Lew, der Norberto und ich, wir reisen doch sowieso quer durch Russland, da könnten wir das doch übernehmen. So ganz nebenbei.

Wir sind hochzuverlässig und gewissenhaft! Quasi fast immer.

 

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