Tag 124 – Schicksals-Kuscheling

Habe mir eben mal einen russischen Film geordert. Keinen Dokumentarfilm. Keinen „Kurier des Zaren“ in irgendeiner verdeutschten Fassung mit Schauspielern wie Theo Lingen (1936), Curd Jürgens (1956), Raimund Harmstorf (1976) oder Hardy Krüger jr. (1999). Der Harmstorf hatte mich als Kind unheimlich beeindruckt, als er in „Der Seewolf“ mal eine rohe Kartoffel mit einer Hand zerquetschte. Erst sehr viel später begriff ich, dass das ein Trick war.

Bestellt hab‘ ich auch nicht „Krieg und Frieden“ oder „Anna Karenina“ oder sonst einen verfilmten russischen Literaturklassiker, denn auch das sind westliche Produktionen. Wer weiß, was die daran alles verfälscht haben. Nein. Ich möchte mal einen echten russischen Film anschauen.

Ich muss gestehen, der ganz große Cineast bin ich ohnehin nicht. Früher ja. Aber seit die Kinder auf der Welt waren, beschränkten sich die Kinoaufenthalte mehr oder weniger auf Filme wie „Heidi traut sich, ein Schäfchen zu streicheln“, „Pippi zieht sich Schuhe an“ oder „Lassie überquert die Autobahn“. Und so weiter.

Einen echten russischen Film! Einen, der in Russland produziert worden ist. Von Russen. Und mit russischen Schauspielern. Gibt es da bekannte Produktionen? Muss ja kein Actiondrama sein. Die selbstbeweihräuchernden amerikanischen Heldensagen mag ich ohnehin nicht. Weiß man meistens, was kommt und wie es ausgeht.

Dann schon lieber tschechoslowakische Streifen. Die fand ich immer sehr liebenswert. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme: „Der Feuerwehrball“. Mit sensationellen Laiendarstellern.

Wo waren wir? Ach ja, Russland.

Auf Anhieb fällt mir jedenfalls kein russischer Film ein. Zu meiner Schande. Asche über mein Haupt. Egal. Hab‘ jetzt ja einen geordert. Das Besondere: Der Film ist auf Russisch. Auf Deutsch gibt es ihn nicht. Aber immerhin mit einer Auswahl von Untertiteln. Ob ich ihn mit portugiesischen Untertiteln …? Besser nicht. Meine Portugiesisch-Künste führten ja schon in Brasilien zu allerlei Kuddelmuddel.

Mmhhh … Vielleicht ist das der Grund, warum russische Filme so wenig bekannt sind – weil sie erst ins Deutsche übersetzt werden müssen. Und außer meiner Russisch-Lehrerin Diane kenne ich niemanden, der das könnte. Tschechisch scheint einfacher zu sein, da gibt es jede Menge ins Deutsche synchronisierte Filme.

Werde mir also den Film auf Russisch ansehen müssen. Mit deutschen Untertiteln. Er heißt „Ironie des Schicksals“. Bin gespannt.

Überhaupt – warum meldet sich Diane nicht mehr? Ist jetzt ja schon ein paar Wochen her seit unserer ersten Russisch-Stunde.Nicht, dass sie meint, ich könnte schon alles. Nach nur einer Stunde. Traut mir offensichtlich ja einiges zu. Werde sie trotzdem mal anrufen und nachfragen, was los ist. Vielleicht will sie ja auch nur abwarten, bis der Film geliefert wird.

Und vielleicht tun wir uns dann ja auch zusammen, die Diane und ich. Und sehen uns kuschelnd „Ironie des Schicksals“ an.

Wenn der Film denn da ist – und meine Frau besser nicht.

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