Tag 115 – Freudige Erwartungen

Manchmal beschwert sich meine Frau, ich würde zu viel unsinniges Zeugs kaufen. Ist aber nicht so. Ist ganz anders. Wenn ich nämlich mal etwas für sinnvoll erachtet und mich zu einer Umsetzung durchgerungen habe, dann setze ich alles dran, es zu bekommen. Mehrfach am besten.

Etwas mehrfach kaufen bedeutet nämlich Sparen gegenüber dem Einzelpreis. Im Moment versuche ich mich ja an einer Ernährungsstellung (ich möchte meinen Körper bis Juni voll wodkatauglich machen). Möchte dafür so gut es geht auf Kohlenhydrate verzichten. Hab‘ gelesen, das würde einen schlank aussehen lassen. Zumindest wenn man es langfristig anlegt. Wie definieren die langfristig? „Könnte ins Auge gehen, dieses langfristig“, überlege ich, lasse mich aber nicht von meinem Plan abbringen.

So kam es jedenfalls, dass ich mir mehrere Kartons Mandelmilch (noch eine Woche haltbar), 48 kohlenhydratreduzierte Eiweiß-Toastbrotscheiben (immerhin drei Wochen haltbar), diverse Mehlsorten (man weiß ja nie), unterschiedliche Pflanzenöle (Bio-Mandelöl, natives Olivenöl-Extra, Bio-Leinöl; die anderen drei Sorten habe ich schon vergessen; braucht man jedenfalls beim kalorienreduzierten Kochen), sechs Pack Shirataki-Nudeln aus Konjakmehl (transparentes Aussehen, sind ganz ohne Kohlenhydrate, vermutlich auch ganz ohne Geschmack, aber das werden wir sehen), 500 g glutenfreie indische Flohsamenschalen (angeblich reich an Ballast- und Schleimstoffen, soll sehr gesund sein, mal sehen …), chinesische Essstäbchen aus reinem Bambus (habe gelesen, wenn man die beim Essen benutzt, würde man automatisch weniger in sich reinschaufeln, zur Sicherheit habe ich 50 Doppelpack gekauft, schön bunt, kann man notfalls auch als Kunstwerk an die Wand hängen, falls das mit dem sparsam Essen nicht so klappt) und schließlich eine Holzzahnstocher-Gastro-Box mit 1250 einzelnen Teilen (für nach dem Essen, denn nach dem Essen ist vor dem Essen) zulegte.

Wo ich gerade dabei zu sparen, habe ich außerdem 18 extra-Super-Duper-stromsparende Ersatz-Glühlampen in der wunderschönen, ursprünglichen Birnenform (der Winter war lang), einen Premium-Bügeltisch-Bezug (Made in Germany mit fünf Lagen für leichtes und schnelles Bügeln inklusive drei Bügelbrettspannern), vier unterschiedliche Pack Heftpflaster (wasserabweisend, Universalpflaster, Kinderpflaster und Extra-Sensitive-Pflaster, hatte mir eine Schürfwunde auf dem Fußrücken zugezogen) gekauft.

Hab‘ bestimmt noch einiges vergessen. Nicht schlimm. Meine Frau schaute dem Treiben zu, als sich die Regale füllten und füllten. So sprachlos sehe ich sie selten. Aber sie unterstützt mich. Sie will schließlich auch, dass sie einen gutaussehenden Mann hat. Überrascht war ich trotzdem, als ich sie plötzlich sprechen hörte:

„Wie kann man nur so viele Sachen von einer Sorte kaufen? Fängst ja an wie dein Papa. Wenn du einkaufen gehst, weiß man nie, mit was du zurück kommst. Ich erinnere mich noch dran, vor ein paar Jahren, da haben wir abends noch Brot gebraucht und ich Idiot habe ausgerechnet dich losgeschickt.“

Ich weiß, was jetzt kommt. Das sagt sie immer. Ich glaube, das war der Wendepunkt in unserer Familie.

„Und mit was kamst du zurück? Mit einem 55-Zoll-Fernseher. Das Brot natürlich vergessen.“

Tja, das war so. Abstreiten zwecklos. Hatte mir dadurch ein schönes Eigentor geschossen. Von da an haben wir vereinbart, dass alle Einkäufe über 500 Euro der Zustimmung des anderen bedürfen. Muss jetzt immer zusehen, dass ich Einkäufe splitten kann. Ist manchmal gar nicht so einfach.

Bei den aktuellen Einkäufen sehe mich gerade wieder in der Verteidigungsposition. Probiere – wie die Russen beim Schach, wenn sie in ausweglos erscheinenden Situationen einen unglaublichen Zug auspacken – aus der Situation rauszukommen.

„Aber diese paar kleinen Artikel habe ich von langer Hand vorbereitet!“, höre ich mich kontern.

„Aha. Da sieht man, was dabei herauskommt, wenn du mit deiner Hand denkst, Osvaldo. Schon bei deinem eigentlichen Denkorgan habe ich ja schon Zweifel. Bitte, bitte, mach ab jetzt nicht auf Loriot.“

„Auf Loriot?“

„Ja. Das erinnert mich alles allzu sehr an den Film Pappa ante Portas. Nachdem Herr Lohse im Büro mehr oder weniger gefeuert worden war, weil er DIN-A-4-Papier für mehrere Jahrzehnte bestellt hatte, um dadurch ein paar Pfennig zu sparen. Und als er von da an zu Hause sein Unwesen trieb, bestellte er bei seinem ersten Einkauf für die Familie etwa tausend Senfgläser auf einmal, nur weil er je 10er-Pack 60 Pfennig gespart hat. Mittlerweile komme ich mir mit dir vor wie mit Herrn Lohse.“

„Aber das müsste dann ja eine sagenhafte Ersparnis von 60 D-Mark gewesen sein!“. Ich versuche abzulenken.

Sie guckt nur stumm. Sehe, wie nach und nach ihre Schultern nach unten sinken, sich ihr Kopf zur Seite neigt und die Muskeln ihrer Gesichtszüge in sich zusammenfallen. Seufzend und sich in ihr Schicksal ergebend meint sie:

„Mach, Osvaldo. Das wird schon. Ich bin ganz bei dir.“

Fühle mich bestärkt. Meine Frau weniger, als sie die nächsten Einkäufe mit ansehen muss. Sie schwankt etwas … wie soll ich sagen … zwischen Hoffnung und Kapitulation, als mit den nächsten Paketen nacheinander eintreffen … ein Handstaubsauger (beutellos und energiesparend mit Lithium-ion-Akku für 10-minütiges, kabelloses Am-Stück-Saugen), eine 6-in-1-Küchenmaschine mit 28 unterschiedlichen Funktionen (bis ich die alle ausprobiert habe … boah ey, voll der Stress), ein elektrischer Fensterreinigungswasserabsauger (sehen aus wie Auto-Eiskratzer, bin voll in meinem Element) und ein 7-er-Eierkocher mit Eipicker und schrillem Piepgeräusch, wenn die Eier durch sind (von der Lautstärke her nur vergleichbar mit einem Brandschutzmeldesystem).

Meine Frau versucht, es positiv zu sehen: „Wenn die Technik stimmt, wird jeder Mann regelrecht zu einem Traumprinzen.“

Ich kann plötzlich alles in der Küche und beim Putzen sitzt jeder Handgriff. So langsam glaube ich, technische Haushaltshelfer sind eine Erfindung von Frauen, ein Trick quasi, um ihre Männer dranzukriegen. Kann echt sein. So gesehen sind Haushaltshelfer Fake-News. Ich kann andere Männer nur davor warnen, darauf hereinzufallen. Bei mir ist es zu spät.

Aber damit noch nicht genug. Sie setzt noch ein letztes Statement obendrauf:

„Wehe, die Paketdienste winken mir wieder freundlich zu, wenn sie mich im Auto erkennen!“

Bei uns ist es so, dass in der Regel meine Frau die Päckchen und Pakete an der Haustüre in Empfang nimmt. Manchmal werden die auch an einem vereinbarten Ort abgelegt, wenn mal keiner daheim ist.

Mist. Bevor ich es selbst erledigen gehen konnte, entdeckt meine Frau gerade eine neue Lieferung.

„Da liegt ein Paket neben unserem Eingang.“

„Au, prima, sehr gut, das freut mich. Hab ich schon drauf gewartet. “

„Du bist in letzter Zeit ziemlich oft in freudiger Erwartung, mein lieber Osvaldo.“

„Besser ich als du!“

Ha! Voll ausgekontert! So wie wir im Finale 2014 die Argentinier in der Verlängerung zum alles entscheidenden 1:0.

Sie stimmt mir jedenfalls kopfnickend und hilflos mit den Armen wedelnd zu.

Und da war sie wieder – die von Zeit zu Zeit auftauchende große Einigkeit, die meine Frau und mich auszeichnet.

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