St. Petersburger WM-Nachlese zum Dritten [mit Fotogalerie]

Viele Gäste aus dem Ausland hatten während dieser Fußball-WM eine schon fast historische Chance, jenes Russland mit eigenen Augen zu sehen dass ihnen ihre Medien zuvor so düster wie nur möglich geschildert haben. Die Russen hatten ihrerseits, wenngleich auch unter dem Edikt der FIFA, die seltene Gelegenheit, sich Fremden von ihrer besten Seite zu präsentieren. Inwiefern sich diese fünf Wochen nun für das Land gerechnet haben, wird die nähere Zukunft zeigen.

Die Sberbank hat nun bekanntgegeben, dass in Russland rund 1,5 Milliarden US-Dollar von gut drei Millionen WM-Touristen ausgegeben worden seien. Wer hat nun wirklich profitiert? Allen voran natürlich Moskau. Die russische Hauptstadt zählte die meisten WM-Spiele, die meisten Besucher und hinterher demgemäß auch das meiste Geld. Der Weltfußballverband FIFA reibt sich die Hände. Der gewinnorientierten Organisation mit all seinem Klüngel hat diese WM 2018 insgesamt einen Milliardenreibach beschert.

WM-Touristen statt der üblichen Besucher

St. Petersburg als zweitgrößte von elf Ausrichterstädten gehört ebenfalls zu den großen Gewinnern dieser WM 2018. Über zwei Millionen Gäste, die die Stadt während der fünf Wochen bevölkert haben, kamen gewiss nicht zum sparen, soviel steht fest. Der Budgetrahmen den sich jeder selbst gesteckt hat, wurde ausgereizt, davon darf man ausgehen. Im Wesentlichen dürfte sich allerdings der große Reibach auf ein eng begrenztes Zentrum im Herzen der Stadt konzentriert haben. Schon ein paar Straßenzüge abseits davon war von der WM im Grunde genommen nichts mehr zu spüren.

Die meisten St. Petersburger Wirte sprachen, je nach Standort, noch während des Turniers unisono von Rekordumsätzen. Priorität bei der Standortfrage genossen naturgemäß die Lokalitäten direkt am Stadion und in nächster Nähe der offiziellen Fanzone. Durch die Bank hörte man von den Besuchern, wie billig es hier sei, obwohl gerade diese Ecke des Stadtzentrums nicht gerade zu den Low Budget-Ecken zählt.

Wer mit den bisherigen Preisen vertraut war, merkte schon, dass die Weltmeisterschaft ihren Tribut gefordert hat. Das Bier ist, nicht aufregend viel, aber dennoch deutlich um 50 Rubel teurer in den Kneipen und Bars verkauft worden, als vor dem Spektakel. Bei den Taxifahrern belebte in diesen Wochen die Konkurrenz das Geschäft. Ausgeblieben ist dafür der viel prognostizierte Wucher auf Kosten der Fans.

Mehrumsatz je nach Standort

Ob Übernachtungsbetriebe und touristische Dienstleistungsunternehmen in besonderen Maße von den WM-Gästen profitiert haben, bleibt indes fraglich. Sie dürften lediglich, das Fernbleiben der sonstigen alljährlichen Touristen, abgesehen natürlich von den Horden der Chinesen, die offensichtlich jede Gelegenheit wahrzunehmen scheinen, kompensiert haben, da viele wegen des Spektakels ihre Reise verschoben haben. Das große Geschäft mit Privatunterkünften schien dagegen zu floppen, die Angebote wurden sukzessive nach unten korrigiert.

Den größten Profil machten die Dienstleister auf eine ganz andere Art. Freundlichen Mitarbeiter in den verschiedensten konsumorientierten Einrichtungen mit stark verbesserten Englischkenntnissen und deutlich verlängerten Geduldsfäden sollten nachhaltig zufriedene Kundschaft bescheren. Freundliche Polizisten sowie andere Personen des öffentlichen Bereichs, die bereitwillig Auskunft geben, statt mürrisch ihren Dienststatus zu unterstreichen, versprechen auch fürderhin zufriedene Besucher, die dadurch sicherlich gewillt sind, an anderer Stelle noch den einen oder anderen Rubel auszugeben.

Auch das vor der WM Unsummen in die Infrastruktur investiert worden sind, wird sich noch nach der Veranstaltung auszahlen. Allerorts begrüßen ausländische Touristen Beschilderungen, die auch für sie lesbar sind. Vielleicht hat es die WM sogar geschafft, ein wenig Toleranz im Alltag in den Köpfe der Menschen zu hinterlassen. Zu begrüßen wäre es, zählen die St. Petersburger in der Öffentlichkeit ohnehin nicht zu der Spezies der überbordenden Frohnatur.

Auch ohne WM nach Russland reisen

Freilich, viel war Augenwischerei während der Weltmeisterschaft. Die Stadt verwandelte sich in dem Monat, in dem das FIFA-Raumschiff gelandet ist und der Veranstaltungskommerz den klaren Blick auf die „reale“ Umgebung verkleisterte, in eine tadellos organisierte, makellos vorbereitete und bis ins Detail durchgeplante Präsentation, um der Welt zu gefallen. Wobei, das muss man fairerweise sagen, so manche Begegnung sicherlich intensiver ausgefallen sein dürfte, als bei einer dreitägigen durchorganisierten Besichtigungstour.

Das liegt in der Sache an sich verankert. Manche Fans verbrachten die kompletten vier Wochen auf eigene Faust in einem Land, das sie vorher im Zweifelsfall nur aus den Nachrichten kannten. Und doch ist zu bezweifeln, dass ihnen ein Blick hinter die große WM-Blase gelungen ist. Somit ist fraglich, ob dieses Turnier dienen konnte, Russland während eines vierwöchiger Intensivkurses im Schleudergang kennen zu lernen. Immerhin, viele haben schon jetzt den Wunsch geäußert, wiederkommen zu wollen.

Dieses Geschäft verspricht sich mehr auszuzahlen, als der „schnelle Rubel“ den die FIFA gemacht hat. Während beispielsweise der original „Telstar-Ball“, der während des Turniers noch über hundert Euro teuer war, inzwischen für gerade noch 35 Euro verramscht wird und T-Shirts und Trikots für höchstens noch die Hälfte zu kaufen sind, können zufriedene Touristen das Land auch dauerhaft bereichern. Ein Anfang wurde durch die WM gemacht.

[mb/russland.NEWS]

























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