Sputnik V – ein hocheffektiver, sicherer Impfstoff© Ulrichs, Timo

Sputnik V – ein hocheffektiver, sicherer Impfstoff

Interview mit dem Epidemiologen Prof. Dr. med. Timo Ulrichs

Herr Professor, nach wie vor steht Deutschland vor dem Problem, dass die Impfstoffe nicht reichen, um die Bevölkerung schnellstmöglich gegen das Covid-19-Virus zu immunisieren und so erfolgreich die Pandemie zu bekämpfen. Der russische Impfstoff Sputnik V war der erste zugelassene Impfstoff in Europa. Warum haben die EU und Deutschland diese Möglichkeit bisher nicht genutzt?

Das stimmt, allerdings wurde er in Russland zugelassen ohne Vorliegen der entscheidenden Daten aus der Phase III der klinischen Testung. Und ohne diese Daten können weder die europäische Arzneimittel-Zulassungsbehörde EMA noch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, über eine Empfehlung entscheiden.

Inzwischen liegen ausreichend klinische Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit des russischen Impfstoffes vor, und deshalb befindet er sich derzeit in der Prüfung durch die EMA.

 

Im Westen wurde moniert, dass aus Russland keine Ergebnisse einer umfangreichen Phase-III-Studie publiziert wurden. Welcher Unterschied besteht hier zu den Not-Zulassungen von Vakzinen in den USA und Großbritannien und haben nicht auch die in der EU zugelassenen Impfstoffe eine verkürzte finale Phase durchlaufen?

Auch eine Notfallzulassung setzt vollständige klinische Phase-III-Daten voraus. Um den Zulassungsprozess zu beschleunigen, kann dies in einem so genannten rolling-review-Verfahren geschehen, bei dem die EMA fortlaufend die Daten prüft, sobald sie verfügbar sind. Nach einer Notfallzulassung gelten andere Bedingungen bezüglich der Haftung bei möglichen Impfschäden als bei einer normalen Zulassung.

 

Wie sind die Wirksamkeit und Sicherheit von Sputnik V einzuschätzen?

Der russische Impfstoff Sputnik V ist ein vektorvirus-basierter Impfstoff, ein Wirkprinzip wie in den Impfstoffen von AstraZeneca und Janssen/Johnson & Johnson. Es war daher zu erwarten, dass er ähnlich sicher ist und vergleichbar gut schützt. Das wurde durch die nun publizierten klinischen Daten bestätigt.

Er ist dem AstraZeneca-Impfstoff sogar überlegen, weil er für die zweite Impfung ein anderes Vektorvirus verwendet als für die erste. Damit wird eine unerwünschte Immunreaktion gegen das Trägervirus vermieden, welche die Wirkung bei der zweiten Impfung herabsetzen kann. Dieser heterologe prime-boost-Ansatz, also die Verwendung unterschiedlicher Virusstämme als Basis der Vakzine für die Erst- und Zweitimpfung, wurde von AstraZeneca nicht angewendet.

 

Inzwischen haben mehrere Länder in der Welt den russischen Impfstoff geordert und erfolgreich mit ihm geimpft. Damit hat sich auch die russische Medizinforschung international weiter etabliert. Welche Möglichkeiten sehe Sie für eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Russischen Föderation in diesem wichtigen gesellschaftlichen Bereich?

Trotz aller politischen Turbulenzen und der Sanktionen besteht die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland in den Bereichen Medizin und Gesundheit weiter – und wird auch proaktiv von beiden Ländern vorangetrieben. Impfstoff-Forschung und –Entwicklung als Teil eines gesundheitswissenschaftlichen Konzeptes zur Pandemiebekämpfung, aber auch zur Steigerung der Leistungskraft der Gesundheitssysteme in beiden Ländern ist sehr sinnvoll. Auch das Engagement von Deutschland und Russland in Fragen der globalen Gesundheit, des Einflusses des Klimawandels auf Gesundheit, one health-Ansätzen und einer abgestimmten Gesundheitspolitik wäre für die kommenden Jahre nach der Pandemie sehr sinnvoll. Mit dem Koch-Metschnikow-Forum gibt es seit nunmehr 15 Jahren eine zwischengesellschaftliche Organisation, die sich erfolgreich für die deutsch-russische Kooperation im Bereich Medizin engagiert.

(Das Gespräch führte Hartmut Hübner)

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