Sport oder Politik? Skandälchen um die Fußball-EM

Sport oder Politik? Skandälchen um die Fußball-EM

Obwohl die Fußball-Europameisterschaft erst heute beginnt, überschatten politische Animositäten bereits ihr Vorfeld. Am 6. Juni übergab Andrei Pawelko, Chef des ukrainischen Fußballverbandes (UAF), dem Trainer Andrei Schewtschenko das neue Trikot der Nationalmannschaft. Auf der Vorderseite sind die Umrisse des Landes in den völkerrechtlich anerkannten Grenzen zu sehen, also mit der von Russland einverleibten Halbinsel Krim und mit den von prorussischen Separatisten kontrollierten selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Auf der Rückseite des Trikots unterhalb des Kragens steht der Slogan „Ruhm der Ukraine! Ruhm den Helden!“

Russland protestierte umgehend und der russische Fußballverband (RFU) hat bei der UEFA wegen der Trikots der ukrainischen Nationalmannschaft Einspruch eingelegt. Der RFU ist der Meinung, das Trikot der ukrainischen Nationalmannschaft sei politisiert. „Wir haben einen Brief an die UEFA geschickt, in dem wir auf die Verwendung von politischen Motiven auf dem Trikot der ukrainischen Nationalmannschaft aufmerksam machen, was gegen die Richtlinien des UEFA-Ausrüstungsreglements verstößt, das politische Aussagen verbietet. Fußball ist ein Sport, der immer außerhalb der Politik bleiben muss. Unserer Meinung nach schafft die UEFA mit der Genehmigung eines solchen Trikots einen Präzedenzfall, denn beim nächsten großen Turnier kann es zu Versuchen anderer Länder kommen, ihr Outfit für politische Aussagen zu nutzen“, so der RFU.

Aber gibt es tatsächlich Regeln für das Outfit der Nationalmannschaften? Gemäß der aktuellen Regel Nr. 4 des Internationalen Fußballverbands dürfen die Trikots keine politischen oder religiösen Slogans, Aussagen oder Bilder enthalten. So sind zum Beispiel keine Bilder von bestimmten Politikern, politischen Parteien und Organisationen, Regierungen oder Ministerien erlaubt, und es sind keine Verweise auf bestimmte politische Ereignisse erlaubt. Die UEFA sah jedoch in diesem speziellen Fall keinen Verstoß gegen diese Regeln und genehmigte das kanariengelbe Shirt des ukrainischen Teams.

Die Staatsduma unterstützte die Entscheidung des RFU, bei der UEFA Berufung einzulegen. Dmitri Swischtschew, Mitglied des Staatsduma-Ausschusses für Sport, Tourismus und Jugendangelegenheiten, der zuvor die UEFA aufgefordert hatte, das Trikot-Design der ukrainischen Nationalmannschaft zu verbieten, unterstützte den Brief des RFU: „Das ist ein Ausdruck irgendeiner politischen Position, die sich von der Position unseres Landes unterscheidet. Die UEFA sollte reagieren und das Trikot verbieten. Denn sonst könnten unsere Spieler in T-Shirts auf den Platz gehen, auf denen die Umrisse des russischen Reiches abgebildet sind, das Polen, die Ukraine und Finnland einschließt“, sagte Swischtschew.

Der Abgeordnete der Regierungspartei Einiges Russland, Dschabarow, hält das Trikot für eine Provokation: „Die Ukraine versucht immer wieder, Sportveranstaltungen dazu zu nutzen, um ihre anti-russische Propaganda zu verbreiten. Das ist inakzeptabel. Wenn jedes Land nach Belieben eine Karte auf seinen Trikots abbilden würde, wo kämen wir da hin?“ Dann könne Russland eine Karte abbilden, auf der Alaska oder die baltischen Staaten zu sehen sind, die einst zu Russland gehörten, so Dschabarow.

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, dass ihn das Trikot-Design der ukrainischen Fußballnationalmannschaft in keiner Weise beleidigt habe. „Die Position Kiews ist bekannt, sie passt nicht zur Wahl der Bewohner der Krim und Sewastopols. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Die Leute kamen zum Referendum, stimmten ab, äußerten ihre Meinung. Aber die ukrainischen Behörden erkennen dies nicht an, das ist ihre Position“, so der Präsident in einem Interview.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, stört sich an dem patriotischen Ausruf „Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden“, der den Demonstranten, die den vom Kreml unterstützten ehemaligen Machthaber der Ukraine, Viktor Janukowitsch, im Jahr 2014 gestürzt hatten, bei ihren Protesten als Leitmotiv galt. Sacharowa zufolge sei dieser Slogan schon von ukrainischen Nationalisten im Zweiten Weltkrieg verwendet worden.

Da die patriotischen Worte schon seit drei Jahren auf den ukrainischen Trikots stehen, ließ die Antwort aus der Ukraine nicht lange auf sich warten. Außenminister Dmytro Kuleba twitterte: Er habe eine Botschaft für diejenigen, die sich an den international anerkannten Grenzen der Ukraine störten. Man werde es nicht zulassen, dass die nationalen Symbole der Ukraine beleidigt würden.

Der in Russland bekannte Fußballkommentator und Blogger Wassilj Utkin sagte, dass der Hype um das Trikot der ukrainischen Kicker seinen Wunsch geschürt hat, ein Spiel zwischen Russland und der Ukraine bei der anstehenden Euro 2020 zu sehen. „Angesichts dieses Skandals wollte ich umso mehr die russischen und ukrainischen Nationalmannschaften bei diesem Turnier gegeneinander spielen sehen“, so Utkin in einem Video auf seinem YouTube-Kanal. Die UEFA hat allerdings vorgesorgt und die Mannschaften Russlands und der Ukraine bei der Fußball-EM getrennt. Beide Teams spielen in unterschiedlichen Gruppen und können auch im Achtelfinale nicht aufeinandertreffen.

Gestern lenkte die UEFA jedoch ein und ordnete an, dass die ukrainische Fußballnationalmannschaft den Slogan aus der Uniform entfernen soll.  „Nach weiterer Analyse wird die spezifische Kombination dieser beiden Slogans eindeutig als politischer Natur mit historischen und militaristischen Implikationen angesehen. Daher muss dieser spezielle Slogan auf der Innenseite des Trikots für die Verwendung in UEFA-Wettbewerbsspielen entfernt werden“, so die Union Europäischer Fußballverbände.

Die Parole „Ruhm der Ukraine!“ mit der Antwort „Ruhm den Helden!“ war seit 1941 ein Gruß an die Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufständischen Armee, die aktiv mit Hitlerdeutschland kollaborierten.

Gleichzeitig wurde das Bild der Silhouette der Ukraine mit der Krim, der DVR und der LPR nicht als Verstoß angesehen.

Für den nächsten Disput sorgte die Verweigerung der EM-Akkreditierung für den russischen Journalisten Nobel Arustamjan. Arustamjan ist armenischer Abstammung und wurde in Baku geboren. Aserbaidschan hat das Verbot initiiert.  Um für das Turnier akkreditiert zu werden, das vom 11. Juni bis 11. Juli in elf Städten stattfindet, muss der Journalist die Zustimmung aller Organisationskomitees der Gastgeberländer erhalten. Baku, das drei Spiele der Gruppenphase und ein Viertelfinalspiel ausrichten wird, lehnte die Akkreditierung ab. „Wenn der genannte Medienvertreter in dieser speziellen Situation Probleme hat, empfehlen wir ihm, sich in dieser Angelegenheit direkt an die UEFA zu wenden. Er hat die Gesetze unseres Landes verletzt, indem er die territoriale Integrität Aserbaidschans nicht respektiert hat“, sagte der Vizepräsident der UEFA, Elchan Mammadow in einem Interview. Es geht um einen Besuch von Arustamjan in Berg-Karabach ohne die Erlaubnis der aserbaidschanischen Behörden. Die anderen Gastgeberländer unterstützten Aserbaidschan.

Inzwischen wurde der Sportkommentator für die Fußball-Europameisterschaft akkreditiert, gab Maria Sacharowa gestern per Telegram bekannt.

[hrsg/russland.NEWS]

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