Seymour Hersh zum Zweiten

Seymour Hersh zum Zweiten

[Kommentar von Gunnar Jütte] Nachdem die ganze Welt auf den groß angekündigten weiteren Enthüllungsteil von Seymour Hersh über die Sprengung der Nord Stream Pipeline gewartet hat, ist es nun soweit.

Enthüllt wurde leider nichts. Hersh beschwert sich lediglich darüber, dass die Presseberater des Weißen Hauses und der Central Intelligence Agency konsequent bestritten haben, dass Amerika für die Sprengung der Pipelines verantwortlich sei. Er beschwert sich weiter, dass diese „Pro-forma-Dementis“ für das Pressekorps des Weißen Hauses mehr als genug gewesen seien.

Hersh fordert weiter: “Findet heraus, wer die Tat in der Ostsee begangen hat. Laut einer Quelle im Geheimdienst hat der Präsident es nicht getan und wird es auch nicht tun. Warum nicht? Weil er die Antwort kennt.

Natürlich muss man sich an dieser Stelle fragen, was die USA in der europäischen Ostsee zu ermitteln haben. Ermittlungsbehörden sind in diesem Fall die Länder, auf deren Territorium die Sprengung stattgefunden hat und vielleicht noch die Eigentümer der Pipeline. Aber sicher nicht die USA.

Diesmal hielt sich Hersh, der in seinem ersten „Enthüllungsartikel“ noch mit einer Fülle von Fakten aufwartete, mit Fakten sehr zurück. Für Fakten sorgte allein Sarah Miller.

Sarah Miller – Energieexpertin und Redakteurin bei Energy Intelligence, das führende Fachzeitschriften herausgibt – soll Hersh in einem Interview erklärt haben, warum die Pipeline-Geschichte in Deutschland und Westeuropa für Schlagzeilen sorgte. „Die Zerstörung der Nord Stream-Pipelines im September hat zu einem weiteren Anstieg der Erdgaspreise geführt, die bereits das Sechsfache oder mehr des Vorkrisenniveaus erreicht haben“, sagte sie.

Endlich eine Tatsache, die sich überprüfen lässt.

Im Laufe des Jahres 2022 sind die Erdgaspreise massiv gestiegen, das stimmt.

Im Januar 2021 lagen die Erdgaspreise bei 7,27 US-Dollar pro Million Btu. Bis Ende 2021 stiegen sie auf 38,03 US-Dollar pro Million Btu.
Nach dem Beschluss der Sanktionen gegen Russland stiegen die Preise von 29,17 im Mai 2022 auf 70,04 im August und erreichten damit ihren Höchststand. Bereits im September fielen sie auf 59,1, um nach der Sprengung der Nord Stream-Pipeline am 26. September 2022 im Oktober weiter auf 39,02 zu fallen. Die Gaspreise fielen weiter kontinuierlich bis auf aktuell rund 16 US-Dollar und erreichten damit wieder die Preise von 2021.

Die Preisangaben beziehen sich auf den virtuellen Handelspunkt im niederländischen Gasnetz (Title Transfer Facility-TTF). Dort lag der Durchschnittspreis für eine Million British Thermal Units Erdgas im Februar 2023 bei rund 16,54 US-Dollar.

Wie nun die Sprengung der Pipeline „zu einem weiteren Anstieg der Erdgaspreise“ geführt haben soll, erschließt sich wohl nur Seymour Hersh und Sarah Miller.

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