Die afrikanische Schweinepest ist im Fernen Osten Russlands ausgebrochen, einem der letzten Verbreitungsgebiete des Amur-Tigers. Sich selbst können Tiger durch den Verzehr erkrankter Wildschweine zwar nicht infizieren. Trotzdem droht den Raubkatzen deswegen Ungemach. Zur Eindämmung des Virus will die Regierung ein gängiges Verfahren anwenden: Die Wildschein-Population soll durch Abschuss in den betroffenen Seuchengebieten auf ein Minimum reduziert werden. Der WWF warnt davor, diese Methode, die im europäischen Teil Russlands eingesetzt wird, in den Lebensräumen der stark bedrohten Amur-Tiger und der ebenso bedrohten Amur-Leoparden anzuwenden. Laut WWF sind es vor allem Menschen, die durch Kleidung und Transport den Virus aus den Schweineställen weitertragen. Wildschweine abzuschießen bewertet die Naturschutzorganisation daher als „blinden Aktionismus“, dem letztendlich auch die Tiger zum Opfer fallen, da sie keine Beute mehr finden.
„In der Amur-Region gibt es sowieso schon wenig Beutetiere für den Tiger. Wildschweine machen gut die Hälfte seiner Nahrung aus. Sollte deren Bestand schrumpfen, droht auch der Bestand des Tigers zurückzugehen, weil die Großkatzen nicht mehr ausreichend Nahrung finden und verhungern. Vor allem im anstehenden Winter kann dies ein echtes Problem werden.“ erklärt WWF-Russland-Referent Markus Radday. “Wenn den Tigern die Beutetiere ausgehen, könnten sie auf der Suche nach Nahrung auch in Dörfer vordringen, Haustiere und Vieh reißen. Solche Konflikte sind nicht nur für die Dorfbewohner eine Gefahr, sondern können auch für den Tiger tödlich enden.“
Der Schweinepest-Erreger wurde erstmals Ende Juli bei Hausschweinen in der Siedlung Pogranitschtny nachgewiesen. Inzwischen sind bereits 16 Ausbrüche von der Region Primorje im Südosten bis zum Amur Verwaltungsbezirk , weiter nördlich offiziell registriert. Die dortigen Verwaltungen erklärten den Notstand und verhängten eine Quarantäne innerhalb von 100 Kilometern um den jeweiligen Betrieb.
Das Virus wird über den Transport von Futter, Lebensmitteln wie Fleisch- und Wurstwaren sowie Schlacht- und Speiseabfällen weitergetragen. Er ist extrem widerstandsfähig und kann selbst durch Kleidung und Fahrzeuge aus infizierten Ställen verbreitet werden. Eine Impfung gibt es nicht. Die in den meisten Fällen tödliche Infektion trat vor allem in landwirtschaftlichen Betrieben auf. Nur ein Fall einer betroffenen Wildschweinpopulation ist bisher bekannt.
„Langfristig müssen wir dafür sorgen, dass der Tiger weniger abhängig von Wildschweinen ist und dass sein Beutespektrum mehr Hirsche umfasst.“, betont Radday. Der WWF arbeitet bereits seit 15 Jahren daran, die Zahl der Paarhufer, insbesondere Hirsche, im Tiger-Verbreitungsgebiet zu erhöhen, beispielsweise durch das Einrichten von Winter-Fütterungsplätzen. Die Maßnahme reiche jedoch nicht aus. Es sei darüber hinaus notwendig, eine Strategie für das Jagdmanagement auf größerer Fläche zu entwickeln, um höhere Beutetierdichten zu erzielen, so der WWF. Und das sei nur mit Unterstützung der Regierung und zusätzlichen Mitteln möglich.
Hintergrund: Der Amur-Tiger, auch als Sibirischer Tiger bekannt, ist die größte lebende Katze auf der Erde und bildet das nördlichste Tigervorkommen. Ursprünglich besiedelte der Amur-Tiger ein riesiges Gebiet, das sich vom Oberlauf des Amur-Flusses im Westen bis zum Japanischen Meer im Osten erstreckte. Durch das Einwirken des Menschen hat sich sein Verbreitungsgebiet auf eine Fläche von etwa der halben Größe Deutschlands im russischen Fernen Osten und im angrenzenden Gebiet in Nordost-China reduziert. Deshalb wird der Amur-Tiger auf der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft.
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