Samara: Das kosmische WM-Stadion ohne Rasen

Ganz Russland und die halbe Welt fiebert auf fünf Wochen Rasensport der Extraklasse. In 70 Tagen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland und alles ist vorbereitet für ein Fest der Superlative. Wirklich alles? Nicht ganz, denn in Samara wurde zwar ein tolles Stadion gebaut, aber dem fehlt das Wichtigste – das Spielfeld.

Während in einigen Arenen der Fußball-WM bereits um Tore, Titel und Triumphe gespielt wird und in anderen lediglich noch Kleinigkeiten wie Steckdosen oder Klopapierhalter angebracht werden müssen, kämpft man in der Wolgastadt Samara mit einem Riesenproblem. Der supertolle WM-taugliche Vorzeigerasen wächst erst noch. Und das nicht vor Ort, sondern im rund 3.000 Kilometer entfernten Deutschland.

Bis 1. April, so die Vorgabe des damals noch amtierenden Leiter des Lokalen Organisationskomitees Witali Mutko, musste die Infrastruktur fertig gestellt sein. Nun kann man darüber streiten, ob ein WM-Spielfeld unter diese Infrastruktur fällt oder auch nicht. Der endgültige Termin für die Übergabe an die FIFA ist am 25. Mai vorgesehen und am 17. Juni spielen hier Costa Rica und Serbien das erste WM-Spiel. Der Bau hinkt unterdessen 30 Tage hinter den Plänen her.

Deutsches Gras für russischen Kosmos-Tempel

Aus Deutschland hört man indes, das Gras sei nicht das Problem. Das warte geduldig darauf, endlich als Rasen in der Kosmos-Arena ausgelegt zu werden. Nur, dort hat man noch keinen passenden Untergrund für die Akkuratesse eines gepflegten deutschen Rasens. Das ist in sofern ärgerlich, weil das russische Landwirtschaftsministerium Samara extra eine Sondergenehmigung erteilt hat, deutsches Gras zu kaufen, um die Probleme anderer russischer Arenen zu vermeiden.

Die Idee, die man ursprünglich an der Wolga hatte, war ja eigentlich recht gut. Für Samara, dem Zentrum der russischen Raumfahrt, hatten Architekten eine Art Weltraum-Stadion konzipiert, das wie eine fliegende Untertasse aussieht. „Eine Treppe zum Kosmos“, so hieß es, mit einer transparenten Kuppel, getragen von einem verwirrendes Gewusel an Stahlträgern, die nachts die Skyline der Stadt erhellt. Ein Projekt, wie es keine russische Stadt gesehen hatte – und mit einem festgesetzte Budget von 225 Millionen US-Dollar durchaus im Rahmen.

Den Bauauftrag bekam vor gut vier Jahren schließlich ein renommiertes regionales Unternehmen. Alles lief zunächst wie geplant, bis sich die Behörden von Samara eingemischt und die Sache verkompliziert haben. Um den Bau zu refinanzieren wollte man Läden und andere Gewerbeeinheiten in das Design packen, was die, für 45.000 Zuschauer konzipierte, Arena schließlich 40 Prozent größer gemacht hat, als zunächst vorgesehen. Mit einem Schlag war man außerdem bei kolportierten 315 Millionen US-Dollar angelangt.

Von Grund auf irdische Probleme

Als Mitte 2016 das Stadion etwa zur Hälfte fertig war, wurden plötzlich die Baupläne gekippt und die Baugenehmigung musste neu erteilt werden. „Wir müssen warten“, hieß es von den Verantwortlichen, die FIFA wurde allmählich hellhörig. Statt einer Glaskuppel überspannt jetzt ein simples Metalldach die Arena, kosmisch strahlen kann sie nur noch aus den Seiten. An allen Ecken und Enden wurde gekappt, gekürzt und weggelassen.

Für den noch nicht bereiteten Boden, auf dem der Rasen letztendlich verlegt werden soll, hat man ebenfalls eine Erklärung. Ein massives, flaches Gewächshaus, das den Boden warm halten sollte, sei unglücklicherweise im Februar unter dem Gewicht des Schnees zusammengebrochen. Nun wäre der Boden bockelhart gefroren. „Wir haben noch keinen Platz für den Rasen und natürlich müssen wir auf etwas wärmeres Wetter warten, um diesen Platz zu bekommen“, sagte ein Beauftragter der Baukommission gegenüber den örtlichen Medien.

Zwei oder drei Spiele wolle man vor der WM noch bestreiten, damit man sehe, ob alles funktioniert wie geplant. Das erste hat man schon seit langem für den 28. April angesetzt, daran werde man auch festhalten, heißt es schon fast trotzig bei den Verantwortlichen. „Viel hängt vom Wetter ab“, sagt Mutko in seiner neuen Eigenschaft als Vizepremier. Wie viel das Ganze jetzt kostet – und vor allem wer es bezahlt – ist immer noch nicht so ganz geklärt. Eines jedoch ist sicher, an der deutschen Rasenkunst liegt es jedenfalls nicht.

[mb/russland.NEWS]

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