Programmbeschwerde:
Sehr geehrte Damen und Herren,
der „Tag der Vaterlandsverteidiger“ in Russland geht zurück auf intrigante Aktionen des deutschen Militärs in Russland im Verlauf des Ersten Weltkriegs. Die kaiserliche Generalität hatte Lenin ein Friedens-Ultimatum gestellt, aber trotz des Ultimatums ihre Angriffe am 23. Februar 1918 gegen Russland fortgesetzt.
Im Verlauf von Jahrzehnten entwickelte sich das Gedenken an das historische Ereignis zu einem Fest der Bevölkerung, sie begeht diesen Tag heute so, wie bei uns in Deutschland der „Vatertag“ begangen wird: mit Alkoholkonsum und voller Lebensfreude. Seit 1993 ist der Tag in Russland ein offizieller Feiertag.
Wie es sich für eine deutschen Medienaktivisten der ARD ziemt, machte »Frau Virnich – als Nazideutschland-Enkelin und Nachfahrin massenmörderischer deutscher Aggressoren – aus diesem sehr „zivilen“ Tag allerdings einen Tag der Militarisierung der russischen Gesellschaft.
Die unverkennbare Absicht: einen Beitrag leisten zur Akzeptanzstrategie für die neue deutsche, militärische Machtdemonstration unmittelbar an Russlands Grenzen; es gilt, Zustimmung dafür in der deutschen Bevölkerung zu wecken, die Hemmschwelle vor Krieg und Mord zu reduzieren. Dabei bedient sie sich alter Manipulationstechniken, aus der Mottenkiste deutscher Propaganda, nur geringfügig verfeinert: Sie vermittelt die Botschaft: Panzer aus Kuchen in Russland sind gefährlicher als echte von der Leyen-Panzer an den russischen Grenzen.
Frau Virnich führt in propagandistischer Absicht eine russische Bäckerfrau vor, die damit beschäftigt ist, Konditorware in Form von Panzern und dergl. Kriegsgerät herzustellen. Sie wählt das „Storytelling“, sie stilisiert das Ganze zu bellizistischer Symbolik, obwohl es ohne Weiteres auch als Traum hätte dargestellt werden können davon, wie schön eine Welt wäre, in der es statt echter Waffen nur Panzer als Kuchen gibt. Virnich setzt es in ihrem Sinne ein, verwendet die Zeichensprache, um den Zuschauer das Komplexe auf das gewünschte Simple reduzieren zu lassen. Mit Storytelling gewinnt und überzeugt man Zuschauer, ohne dass es auf die Genauigkeit einer Aussage und auf Faktentreue ankommt.
Einen Panzer als Süßigkeit zu präsentieren, weckt hier Abwehr, weil diese Emotion sofort und bewusst gegen den russischen Staat gelenkt wird: in der Reihenfolge „Panzertorten„, „Die Kleinen sind früh auf den Beinen„, „die Jugendlichen zeigen den gelernten Drill„. Mit keiner Silbe wird erwähnt, wer die Kleinen sind oder was es mit „Militärdrill“ an russischen Schulen auf sich hat, von Bezugnahmen auf historische Erfahrungen ganz zu schweigen. Rein emotional werden hier Stereotypen wie „Militarisierung, Gefahr, Machtmissbrauch“ zu anti-russischen Aussagen genutzt, gerade so, als gäbe es auf unserer Seite keinen Trend zur Militarisierung, keinen bedrohlichen und aggressiven Politikstil. Die langen Jahre russophober Berichterstattung sollen in deutschen Köpfen endlich fest-haften… Mit objektiver Nachrichtenarbeit und Tatsachenorientierung hat solcher Journalismus allerdings nichts zu tun.
Im Dialog mit der Konditorin wird offenkundig, dass dieser Russin die Absicht, die Zielvorgabe des Interviews nicht bekannt ist. Die Frau wird nicht kritisch zum Symbolgehalt ihrer Arbeit befragt, sondern sie wird benutzt, zum Objekt degradiert, das missbraucht wird, der deutschen Provokateurin „Stoff“ für ihre Story zu liefern.
Mit Häme und Überzeichnung werden Begriffe „Stärke“ oder „Mut“ der Männer im Interview hervorgehoben, um assoziativ Russland als männerdominant, machohaft und macht-versessen zu charakterisieren. Fakten werden dafür nicht geliefert. Als Beleg für diese Einschätzung dient dann vielmehr das Interview mit einem „opportunen Zeugen„.
Frau Virnich lässt den Schriftsteller D. Gluchowsky als „opportunen Zeugen“ in ihrer Erzählung auftreten. Der gilt als scharfer Kritiker der russischen Verhältnisse unter Wladimir Putin. Er liefert erwartungsgemäß genau das, was Frau Virnich für ihre abfällige Story braucht: Russland ist selbst im Alltag in allen Bereichen militarisiert, braucht „Feindbilder„, hat keine positive Identität. Mit dem Ausdruck „opportune Zeugen“ bezeichnet der Medienwissenschaftler Lutz M. Hagen die parteiische Auswahl von zitierten Einschätzungen/Meinungen, durch die mediale Beiträge mit bestimmten Tendenzen versehen werden, ohne dass der Journalist selbst Position beziehen muss. Er kann sich damit – zumindest glaubt er es – der eigenen Verantwortung entziehen.
Allein die Auswahl eines derartigen „Zeugen„, ohne Beiholung einer zweiten Meinung, ist ein Verstoß gegen den, in den Programm-Richtlinien verankerten, Grundsatz der objektiven Berichterstattung.
Der Beitrag ist ein neuer Beweis dafür, dass ARD-aktuell in der Russlandberichterstattung ausschließlich die Pflege von Feindbildern betreibt. Mit einer offeneren Einstellung und mit Rücksicht auf die leidvolle Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland – mit über 20 Mio. ermordeten Russen – wäre es jederzeit möglich gewesen, einen gänzlich anderen, versöhnlich wirkenden Beitrag im Ersten Deutschen Fernsehen über den russischen „Tag der Vaterlandverteidiger“ herzustellen und auszustrahlen.
Diese Chance nicht genutzt, sondern eine agitatorische Story zum Thema geliefert zu haben, ist unvereinbar mit dem gesetzlichen Erfordernis, die Berichterstattung an Grundsätzen der Völkerverständigung zu orientieren. Interessant an den Zuschauerreaktionen im Forum: Ganz überwiegend findet der Beitrag keine Zustimmung. Zu Recht.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bräutigam & Friedhelm Klinkhammer
(Erstveröffentlichung auf 0815-Info)
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