Putins Berlin-Besuch gibt Ostukraine-Regelung neue Chance

[Von Lothar Deeg] – Besser als nichts – und so wenig war weithin nur erwartet worden – ist das Ergebnis des Berliner „Normandie“-Gipfels allemal. Und dieser Erfolg besteht nicht nur darin, dass man „wieder miteinander redet“.

Das Miteinander-Reden ist momentan wohl der einzige Erfolg, den es an der syrischen Front des neuen Kalten Kriegs zwischen Russland und dem Westen gibt. Und um miteinander reden zu können, ordnete Russland just einen Tag vorher eine Waffenruhe in Aleppo an – was positiv ist, aber natürlich nicht unbedingt von Dauer und auch noch keine Lösung.

„Minsk“ ist doch nicht tot

Hinsichtlich des Ostukraine-Konflikts hat die Berliner Gesprächsrunde der Staatschefs Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine aber doch deutlich mehr erbracht. Zwar war es abzusehen, dass sich alle Seiten wieder zu den Prinzipien der vor anderthalb Jahren getroffenen Minsker Vereinbarungen bekennen werden – obwohl „Minsk“ angesichts der verfahrenen und verbohrten Konfliktlage gerne als „tot“ bezeichnet wird. Erstens, weil man „Minsk“ dortenselbst in einer schlaflosen Nacht höchstpersönlich ausgehandelt hat und zweitens, weil es momentan absolut kein anderes Rahmenwerk für den Donbass-Konflikt gibt.

Immerhin hat der Minsker Verhandlungsmarathon ein Ende des heißen Krieges mit zahlreichen zivilen Opfern in den Gebieten von Donezk und Lugansk gebracht. Alle weiteren Kernpunkte der damaligen Vereinbarung – wie die Abhaltung von regionalen Wahlen, die Änderung der ukrainischen Verfassung hinsichtlich regionaler Autonomie, die Kontrolle der Grenze zu Russland durch ukrainische Kräfte – waren nicht chronologisch und hierarchisch sortiert. Deshalb fordert bis zum heutigen Tag die eine jede Konfliktpartei, Punkt A sei Bedingung für Punkt B und C – und die andere Seite sieht das eben umgekehrt.

Nun soll die Road Map kommen

Was fehlt, ist ein konkreter Fahrplan, die „Road map“, für den Minsk-Prozess. Den hat man in Berlin auch nicht verabschiedet – aber man hat sich immerhin darauf geeinigt, dass die Außenminister der vier Staaten im November darüber sprechen sollen. Wie lange das Ausarbeiten und anschließend die Umsetzung dann wieder dauern wird – seien wir ehrlich, niemand weiß es. Und es ist nicht einmal gesagt, dass man sich überhaupt auf eine beidseitig akzeptable und praktikable Lösung einigen kann. Und selbst wenn Putin und Poroschenko eine Einigung abnicken – wer garantiert, dass die nationalistisch gesinnten Hardliner und Front-Kommandeure in der Ukraine wie auch die Separatisten in ihren beiden „Volksrepubliken“ sich diese Lösung gefallen lassen?

Aber der Versuch ist es allemal wert. Und es ist gut für Europa, dass die kontinentalen Führungsmächte sich bemühen, in der Ostukraine irgendwie voranzukommen – es wäre so einfach, sich mit Verweis auf den viel schlimmeren Brandherd Syrien und das Wahlkampf-Machtvakuum in den USA auf die Position zurückzuziehen, jetzt dort nichts tun zu können oder zu müssen – und weiter abzuwarten.

In Sachen Ostukraine muss jetzt weiter mühsam und zäh verhandelt und das Vertrauen wieder aufgebaut werden. Und es bringt absolut nichts, mit starren Maximalforderungen an der Bande zu stehen – und für den Fall, dass diese von der Gegenseite nicht verwirklicht werden, mit der Sanktions- oder Boykottkeule zu drohen.

[Lothar Deeg/russland.NEWS]

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